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Randhemerhungen zur woche

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DIE GESPENSTERSEHEREI IM WESTEN sucht, öfter als dem Österreicher Heb sein kann, auch in xinserem Lande ihre Objekte. So versichert im. Pariser „Figaro“ im Rahmen einer Artikelreihe, die Wien als „Spionagezentrum der Großmächte“ glaubhaft bezeichnet, Jacques Charpentier-Pigault, in kirchlichen Kreisen Österreichs sei man über die Spionagetätigkeit der Kommunisten bis in die kleinsten Diözesen sehr beunruhigt, denn nicht einmal die Gestapo hätte gegen Landpfarrer, die als Nazigegner galten, einen gleichen Druck ausgeübt; die geheime russische Polizei wolle in dem katholischen Österreich die Keimzelle eines den BefehlenStalins gegenüber gefügigen Klerus bilden. Auf welche bestimmte Tatsachen sich diese Feststellung stütze, wird, nicht gesßgt. Uns sind solche Tatsachen nicht bekannt. Die europäische Situation ist voll Sorgen und auch das 'kleine Österreich kann sich seinem Anteil daran nicht entziehen. Mari kann wenig Sinn darin sehen, daß die Atmosphäre auch noch durch romantische, der Wirklichkeit nicht entsprechende Erzählungen verdickt werde,

DIE ANRAINERSCHAFT DER BEIDEN

österreichischen Koalitionsparteien hat von einem Schioeizer Beobachter eine interessante Psychoanalyse erfahren. Der Wiener Referent der Baseier „Nationalzeitung“, der diese Nachbarbeziehungen kürzlich untersuchte, fand eine Ursache für die hörbaren scharfen Disharmonien in dem Fehlen einer richtigen Opposition, einem Mangel, der durch die Mißerfolge der Kommunisten und der Unabhängigen geschaffen worden sei. Eben diesem Mangel sei das unvollkommene Funktionieren des österreichischen Parlamentarismus zuzuschreiben. Mit anderen Worten gesagt: Die beiden Koalitionsparteien, die auf eine sehr geordnete ziel-bewußte Zusammenarbeit in diesem armgewordenen, von vielen Beschwernissen bedrängten Staat gewiesen sind, entladen ihre polemischen Energien unter sich und gegeneinander, weil sie in der Nähe kein anderes geeignetes Objekt finden. Der Zustand wäre hinzunehmen, lebten wir in einem Schlaraffenland und wäre die Welt um uns ein Paradies, in dem die Löwen Gras fressen. Aber da dem nicht so ist, spricht jedem politisch reifen Staatsbürger die Kundgebung der Wiener Landes- leitung der Volkspartei aus dem Herzen, die „in einer Zeit weltpolitischer Entscheidungen“, in der die Erhaltung des sozialen und politischen Friedens gerade in Österreich von größter Bedeutung sei, „alle Orgahe des Staates, der Länder und Gemeinden, die Parteiführungen, Kammern und die Gewerkschaften“ aufruft, „alles zu vermeiden, was diesen Frieden gefährden könnte, und alles zu tun, was zu seiner Sicherung beiträgt“. — Die Wiener Kundgebung der Volkspartei steuert zu diesem Appell die Bekundung der eigenen Bereitschaft bei, „d as Gemeinwohl in Staat und Stadt weit über die Parteiinteressen zu stellen“; sie erwarte von ihren Partnern die gleiche Gesinnung und Haltung. — Hier ist eine Hand ausgestreckt .— in sie müßte eingeschlagen werden.

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BEI WEITEM NICHT ERKLÄRT SIND die Unterschiede, mit denen die verschiedenen' Bundesländer an den Ziffern Anteil nehmen, die in seinen eben erschienenen Mitteilungen das Statistische Zentralamt über die Zahl der Ehescheidungen in Österreich für das Jahr 1949 veröffentlicht. Ihre Gesamtzahl (12.776) ist gegen den traurigen Rekord des Vorjahrs um 1386 zurückgegangen; Wien nimmt Von der Gesamtsumme allein eine Unglückszahl von: 5975 Ehescheidungen in Anspruch, von denen der größte Teil (4924) durch Eheverfehlungen herbeigeführt wurde. An zweiter Stelle unter allen Bundesländern macht sich Steiermark mit 2123 Scheidungen bemerkbar. 1740 von diesen Ehen waren durch Verfehlungen usw. zerbrochen. Obwohl die Bevölkerung Steiermarks um 160.000 kleiner ist als die Niederösterreichs, überstieg die Zahl seiner durch Verfehlungen ruinierten Ehen diejenige von Niederösterreich in dem großen Abstand von 1740 : 1093. Oberösterreich, dessen Bevölkerung um 130.000 hinter jener seines niederösterreichischen Nachbarlandes zu-rücltbleibt, konkurriert mit diesem an Scheidungen aus Verfehlungen (1057). Am saubersten hält sich noch das Bürge Irland, in dem bei seiner 274.000 zählenden Bevölkerung im Vorjahr nur 47 Ehen aus Verfehlungen geschieden wurden; Vor arlberg folgt mit 141 (bei 192.000 Bewohnern), Tirol mit 256 Ehezerstörungen bei einer Bevölkerung von 430.000, Kärnten mit 519 (Bevölkerung 483.000), Salzburg mit 426 durch Verfehlung zerstörten Ehen unter seinen 332.000 Bewohnern, so daß es im Verhältnis die ungünstigste österreichische Ziffer neben Steiermark erstellt. — Wegen „unverschuldeter Zerrüttuno“ verfielen in ganz Osterreich 1049 2575 Ehen der Scheidung. — Als einen der unverschuldeten Scheidungsgründe führt die Erhebung für 2491 Fälle den des „Auseinanderlebens der Ehegatten“ an; auch hier entfällt auf Steiermark neben Wien die relativund absolut höchste Ziffer. Mehr als 15.000 Ehen verdorrten in einem Jahr. Noch schlimmer ist, daß man sich gewöhnt hat, darin eine Selbstverständlichkeit zu sehen, die niemanden mehr beunruhigt.

DIE WIENER HERBSTMESSE KANN mit einigen beachtlichen Leistungsziffern aufwarten: Nicht weniger als 2300 in- und ausländische Firmen stellen, teils für sich allein, teils in Gemeinschaft ihre Produkte aus; aucli die Angabe von 443 Auslands-teilnehmern wirkt durchaus erfreulich; in der, Geschichte der Wiener Messe sind das sozusagen Rekordziffern. Weniger erfreulich aber und sehr geeignet, der Messeleitung Besorgnisse zu verursachen, ist, daß rund 800 weitere Aussteller ab-g ew iese n werden mußten — weil für sie kein Plate mehr vorhanden war. Der Raum, welcher der Messe bis jetzt zur Verfügung steht, ist zu klein — manche Kritiker meinen, daß er auch nicht rationell genug ausgewertet werde. Wie dem aväi sei, die Wiener Messe hat immer schon mit Raumnot zu kämpfen gehabt, weil vor allem das Hauptgebäude auf der Museumsstraße, mag es noch so reprüsentabel sein, den Bedürfnissen eines Massenbesuches niemals recht gewachsen war. Die Folge davon war stets: Unübersichtlichkeit, Gedränge, unklarer Gasamteindruck. Immerhin konnte man sich bis jetzt mit Notlösungen behelfen. Wie aber soll da_s weitergehen, jetzt, da die Konkurrenz zahlreicher neuer in- und ausländischer Messen immer spürbarer wird und alles getan werden muß, um nicht ins Hintertreffen zu geraten? Eine Erweiterung der Ausstellungskapazität wird notwendig sein — und das heißt vor allem: Lösung der Unterkunftsfrage.

GEISTIGE WERKSTÄTTE DES MARXIS-mus-Leninismus zu sein, ist vom Landesverband der SED Sachsens die Universität Leipzig ausersehen worden. Dieser Ehre entsprach die SED-Abteilungsgruppe „Ger seilschaftswissenschaftliche Fakultät“ dieser Universität mit sogenannten „Thesen zur Verbesserung der wissenschaftlichen Arbeit“. Von Professoren, Dozenten und Studenten wird darin verlangt, daß sie bei der Behandlung aller wissenschaftlichen Fragen vom Standpunkt der „neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse“ ausgehen. Was die Studenten unter dieser an allen Universitäten der Welt selbstverständlichen Forderung künftig zu verstehen haben, erfahren sie dann im Nachsatz, der sie belehrt, daß ab sofort im Sinne des „Marxismus-Leninismus“ in Forschung und Lehre jeder Stellungnahme „das Prinzip der proletarischen Parteilichkeit“ zugrunde gelegt werden muß. „Eine enge Parteiverbundenheit“ sei Voraussetzung für jede erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit. Die Vorlesungen sind einer ständigen Kritik durch die Studiengruppen, die wissenschaftlichen Leiter und die einzelnen Genossen zu unterziehen, ein Lehrsystem, das durch eine genau nor-mi erte Zensur der Vorlesungen ergänzt wird. Alle angesetzten Vorlesungen müssen bereits vor Beginn des Semesters für die Kritiken der Studiengruppen und der wissenschaftliehen Leiter vorliegen. Die dabei getroffenen Feststellungen diskutieren dann die politischen Instanzen der Partei mit den entsprechenden Professoren und Dozenten. Dadurch sollen —• wie es in den Thesen heißt — die „Vorlesungen laufend verbessert“ werden. Eine der Thesen begehrt, daß die Professoren den „Kollegengeist fallen lassen“ sollen. Sie werden aufgefordert, die Vorlesungen ihrer Mit-Professoren zu besuchen 4fnd dort eine „scharfe, sachliche Kritik“ zu führen mit dem Ziel, etwa laut werdende „reaktionäre Äußerungen“ sofort in ; jeder Vorlesung festzustellen. Die Studenten werden ermahnt, in den Vorlesungen so wenig wie möglich mitzuschreiben, da ja in den Leitfaden die Grundlage der Vorlesungen bereits gegeben seL — Damit die sorgfältig vorbereiteten Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Lehrbetriebes auch nicht umsonst sind, werden alle Studenten durch die Organe der FDJ (Freie Deutsche Jugend) beim Besuch der Vorlesungen kontrolliert. Der FDJ obliegt auch die Überwachung der gemeinschaftlichen Übungen. Diese Polizeistiefel der Wissenschaft werden als sehr haltbar angesehen, sie sind so gut vernagelt, daß sie für die gröbsten Wege der neuen Leipziger Gesellschaftswissenschaft unübertrefflich sind.

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