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Randhemerklingen zur woche

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OHNE BEISPIEL IN DER GESCHICHTE DES OSTERREICHISCHEN PARLAMENTARISMUS ist es, daß ein Finanzminister sich gezwungen sieht, seinem Finanzexposi über das Budget Worte ernster Beschwerde und Warnung an bestimmte Leute in der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung einzufügen, wie dies durch Minister Dr. Margaretha geschehen ist. Und dabei gehört dieser Mann einer Partei an, die zufolge ihrer grundsätzlichen Auffassungen stets wie eine Mauer gegen alle Feinde des Bauerntums gestanden ist. Gewiß sind die angeklagten Schuldigen nur eine gewisse Sorte von Menschen, die gar zu Geschäftstüchtigen, deren höchste Interessen der gefüllte Futtertrog und iie ebenso gefüllte Geldkatze geworden sind. Aber man kann nicht übersehen, daß die beklagte Erscheinung nicht mehr etwas Zufälliges, Vorübergehendes ist, sondern ein gefährliches Übel, das unser Bauerntum in seinen sittlichen Wurzeln zu bedrohen vermag. Abwehrmaßregeln der bäuerlichen Berufsverbände, Exempel aus der Mitte des Standes statuiert, werden dagegen noch wirksamer sein als Vergeltungsmaßregeln der Steuerämter.

DIE ÖSTERREICHISCHE FILM - WOCHENSCHAU, in den unmittelbaren JVach-kriegsjahren ein lange unerfüllter Wunschtraum des Kinopublikums, ist seit dem Vorjahr Wirklichkeit. Sie hat es bei der seiner-zeitigen starken Stellung der Alliierten-Wochenschauen am Anfang nicht leicht gehabt. Weniger bekannt dürfte in der Öffentlichkeit sein, mit welchen Pikanterien ihre .Arbeit auch heute noch gewürzt ist. Die Grundlage für ihr Zustandekommen bildete seinerzeit ein klares Abkommen mit den Hauptkonkurrenten am Ort, der französischen und der russischen Wochenschau; beide sollten der neugegründeten heimischen „Austria“ als eigene Wochenschauen auf österreichischem Boden aus dem Wege gehen und statt dessen in Zukunft nur wöchentlich ein ausländisches „Bild“ liefern, wofür die Austria als Gegenleistung ein österreichisches Bild für die Wochenschauen in Frankreich und Rußland zu stellen Iiabe. Während sich nun die Zusammenarbeit mit dem französischen Partner von Anfang an reibungslos abwickelte, neigt der andere Partner, wie man jetzt hört, besonders in letzter Zeit dazu, das jreundnachbartiche Verhältnis zu stören. Gelegenheit dazu gibt es reichlich. Man kann beispielsweise bei der Auswahl des Bildes recht hübsch politische Werbung in einer Form betreiben, wie sie hierzulande aber untragbar ist. Oder man geht beim Lieferungstermin an die äußerste Grenze oder man bemängelt dies und das am Textsprecher. Schließlich erreicht man es auch dann und wann mühelos durch ein „höheres Machtwort“, daß ganze Teile der österreichischen Wochenschau (wie kürzlich beim Bildbericht über die Streikunruhen) von der Vorführung in der Ostzone ausgesperrt werden. Die Frage liegt nahe — wozu das Ganze? Die Aufwärtsentwicklung der österreichischen Wochenschau, die sich ebenso wie die heimische Spielfilmproduktion bisher (sehr zum Unterschied von der ausländischen Importpropaganda!) in vorbildlicher Weise aus jeder einseitigen politischen Tendenz herausgehalten hat, kann damit vielleicht in einzelnen Fällen gestört, im ganzen aber doch wohl nicht ernstlich aufgehalten werden. Also nochmals: wozu das Ganze! Und dazu gerade im Reich des Films, in welchem Friedsam-keit unter Menschen und Völkern vor kurzem Hausgesetz gewesen ist.

GEGEN DIE BEABSICHTIGTE ERHÖHUNG DER „KULTURGROSCHEN“ -Abgabe um zehn bis dreißig Groschen je Kiltokarte haben die Kinobesitzer, Filmverleiher und mit ihnen alle in der Filmindustrie Beschäftigten energischen Einspruch erhoben: es gehe nicht an, die Filmtoirt-schaft zu ruinieren, um Einrichtungen, deren kultureller Wert und Nutzen nicht einmal zur Debatte stehe, subventionieren zu können; Protestschritte seien bei allen in Frage kommenden Stellen geplant, im äußersten Fall werde man auch vor einem richtiggehenden Kinostreik nicht zurückscheuen. — Die Frage, ob die heiß umstrittene Einführung des „Kulturgroschens“ berechtigt war oder nicht, läßt sich, wie uns scheint, nur im nachhinein beantworten — dann nämlich, wenn sich gezeigt hat, ob er Nützliches gezeitigt hat oder nicht. Nun, der Kulturgroschen ist nahezu ein Jahr alt; es ist leider eine Tatsache, daß er mehr oder weniger zu einem Theatergroschen geworden ist, und ein guter Teil von den Millionenbeträgen, die er eingebracht hat. dazu dienen mußte, Theaterstücke aufzuführen, die Ddp der Kritik nachher ziemlich einhellig als minderwertig oder unwichtig bezeichnet wurden. Als sich kürzlich der „Zentralrat“ der österreichischen toissen-scha/tlichen Vereinigungen bitter darüber beklagte, daß der Kulturgroschen zwar keineswegs erstklassige Theater unterstützt, der notleidenden Wissenschaft aber jede Hilfe verweigert, lieferte er damit eine sehr ernsthafte Kritik an der Art, in der die Beträge aus dieser der Filmwirtschaft zusätzlich auferlegten Steuer verteilt wurden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es besser wäre, von einer weiteren Erhöhung des Kulturgroschens erst dann zu sprechen, wenn seine etwaigen guten und ersprießlichen Wirkungen deutlicher geworden sind.

DIE ZERSTÖRUNG DER ABTEI VON MONTE CASSINO — wohl eines der tragischsten Kapitel des zweiten Weltkrieges — hat insbesondere die angelsächsische Öffentlichkeit schon vor Jahren veranlaßt, die Schuldfrage zu stellen. Es scheint, als ob sie jetzt durch das Erinnerungsbuch des seinerzeitigen amerikanischen Armeekommandanten und späteren Hochkommissars in Österreich, Mark

Clark, in eindeutiger Weise beantwortet würde: Clark schreibt, daß nach seinen damaligen und später bestätigten Informationen die Deutschen niemals militärischen Gebrauch von der Abtei gemacht hätten; nur einige tausend italienische Flüchtlinge hätten in ihr Zuflucht genommen. Deshalb, und weil er befürchtete, daß die Zerstörung des festungsähnlichen Klostergebäudes das Vorrücken der Alliierten nur erschweren würde, habe er den Einsatz schwerer amerikanischer Bomber gegen Monte Cassino strikte abgelehnt. Erst auf ausdrückliche ' Weisung seines vorgesetzten Heeresgruppenkommandos habe er nach langer Weigerung den Befehl zur Zerstörung gegeben. — Ein Kriegsteilnehmer auf englischer Seite, der kurz nach jenem Angriff an Ort und Stelle war, bestätigt der „Furche“, daß sich die militärischen Befürchtungen des amerikanischen Generals als berechtigt erwiesen hatten: um Verluste zu vermeiden, hatte man die am Fuße des Abteihügels liegenden indischen Truppen vor dem Bombardement ein Stück zurückgezogen — aber als nach dem Angriff die ursprünglichen Stellungen wieder bezogen werden sollten, stellte sich heraus, daß sich die Deutschen, die günstige Gelegenheit erkennend, inzwischen in sie eingenistet hatten und sie auch unter schweren Opfern von der indischen Infanterie nicht mehr vertrieben werden konnten. — Monte Cassino ist zu einem symbolischen Begriff fü alle jene Fälle geworden, in denen ohne zwingende militärische Gründe Einzigartiges sinnlos vernichtet wurde. Wie viele solcher Fälle mögen sich ereignet haben — Fälle, von denen niemand spricht?

OSTASIEN BLEIBT AUF DER TAGESORDNUNG. Noch ist das „Koreaproblem“ seiner endgültigen Lösung ferne und schon schiebt sich mit lndochina eine neue fernöstliche Frage in den Vordergrund der Weltpolitik und damit der ganze asiatische Fragenkomplex, den man bisher manchenorts nach der Formel „wenn hinten weit in der Türkei“ behandelt hatte. So hatte man allzuwenig acht auf den ungeheuren Expansionsdrang, der nach einein jahrzehntelangen Bürgerkrieg zum erstenmal unter straffer Führung zusammengefaßten vierhundert Millionen Chinesen, etwa ein Fünftel der gesamten Menschheit, als eines neuen Bewegungsmoments. Wie Indiens Haltung zeigt, findet diese Bewegung auch außerhalb der kommunistischen Sphäre bei den Völkern Asiens starke Sympathien. Die Inder verweisen zur Rechtfertigung ihrer Haltung gegenüber China auf die chinesischrussischen Spannungen, die am Beginn des heurigen Jahres während des Moskauer Aufenthalts von Mao-Tse-Tung und Tschu-En-Lai erst nach monatelangen Verhandlungen überwunden werden konnten, sie verweisen auf die vergebliche Peking-Mission Molotows in diesem Sommer und vertreten die .Ansicht, daß man die Chance einer Lösung Pekings von Moskau ausnützen und Mao nicht umgekehrt immer mehr in die Arme des Kremls treiben solle. Gerade konservative, am Empire interessierte englische Kreise teilen diese Auffassung im Gegensatz zu der Rotchina gegenüber intran-sigenten Haltung der amerikanischen Republikaner. Es wird voraussichtlich von entscheidender weltpolitischer Bedeutung sein, ob es dem Westen gelingt, in dieser Frage eine gemeinsame Linie zu finden.

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