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Randhemerkungen zur woche

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Periodische politische „Säuberungen“ sind ein unerläßlicher Bestandteil in der politischen Praxis aller totalitären Systeme. Das faschistische Italien fand dafür die verhältnismäßig milde Form der immer wiederkehrenden „Wachablösungen“, der Nationalsozialismus hatte seinen blutigen 30. Juni 1934, seinen Fall Heß, den Sturz der Generale, bis schließlich wenige Tage vor seinem Ende Hitler selbst Himmler und Göring als „Verräter“ aus der Partei ausstieß und zumindest auf dem Papier, denn weiter reichte seine Macht nicht mehr, zum Tode verurteilte. Zur letzten Vollendung aber hat das System zweifelsohne der Kommunismus entwickelt. Trotzki, von Agenten über den ganzen Erdball gehetzt, ereilte in Mexiko der Tod durch Mörderhand, Kameniew, Sinowiew, Rykow, Radek, Bucharin und viele andere 'fielen als Opfer der großen Moskauer Schauprozesse, andere, wie Litwinow, verschwanden spurlos in der Versenkung. Dieselben Säuberungen vollzogen sich dann auch in allen anderen kommunistischen Parteien diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs, mit dem einzigen Unterscliied, daß die Ausgeschlossenen in den nichtkommunistischen Ländern am Leben blieben, während das Verfahren gegen sie in kommunistischen Staaten fast immer tödlich ausging, wie der Fall Rajk in Ungarn und der Kostoffs in Bulgarien erwiesen. Jetzt hat auch die österreichische kommunistische Partei selbst ihre zahlenmäßige Schwäche nicht vor der Unterwerfung unter diese Prozedur einer gründlichen Säuberung bewahren können. „Deklassierte Elemente, die irgendwie in die Partei hineingerutscht sind und noch nicht hinausbefördert wurden“, die Angehörigen einer angeblichen „faschistischen Tito-Clique“ und überhaupt alle „unreinen Elemente“ müssen, wie der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Österreichs erklärte, ausgeschlossen werden, damit „die Partei einheitlich und geschlossen sein wird, gesäubert von allen unreinen Elementen“. Die ersten Namen wurden bereits bekanntgegeben. Man darf mit Interesse die weitere Tätigkeit des Scherbengerichts verfolgen.

Hunderte und Tausende zogen aus dem heutigen Österreich, in welchem sie geboren wurden und ihre Ausbildung genossen hatten, in die Nachfolgestaaten, um dort ihr erworbenes Wissen zu verwerten. Als ihr Leben fast zur Neige ging, rollte der Wagen der Geschichte über sie hinweg, der Staat, dem sie ein Leben lang gedient hatten, trieb sie aus. Als Bettler kehrten sie in ihre erste Heimat zurück. Die Rückgekehrten haben gearbeitet und sie haben geholfen, Österreich aufzubauen. Sie haben durch Jahre gearbeitet, wurden älter und können und dürfen nicht mehr arbeiten. Sie haben die Altersgrenze erreicht. Auf Grund ihrer Arbeit nahm man sie in den Staatsverband auf, man gab ihnen die Staatsbürgerschaft, man rechnete ihnen aber nicht die Vordienstzeit an, man rechnete ihnen auch nicht die Kriegsjahre gut, in denen sie einst für die Österreichisch-Ungarische Monarchie Dienst leisteten. So stehen sie bei Erreichung der Altersgrenze als Österreicher zweiter Güte vor dem Nichts. Infolge ihres Alters dürfen sie niclit weiterarbeiten, infolge der nicht-erreichten Anzahl der erforderlichen Versicherungsjahre erhalten sie nicht einmal die geringste Pension oder Altersversicherung. Wenig Phantasie ist notwendig, um sich vorzustellen, welchen seelischen Belastungen diese alternden Menschen ausgesetzt sind, mit welcher Angst und Sorge sie das Schwinden ihrer Kräfte verfolgen. Es wäre naheliegend, an den österreichischen Staat heranzutreten und von ihm zu verlangen, daß er auch jene Neubürger in seine Sozialversicherung einbezieht. Wenn wir uns aber andererseits die finanzielle Lage des Staates und der Sozialversicherungsinstitute vor Augen führen, so müssen wir sagen, mit einem Federstrich kann dieses Problem nicht gelöst werden, aber im Namen der Menschlichkeit darf man verlangen, daß bis zu dem Zeitpunkte der erforderlichen internationalen Lösung dieser Frage die österreichischen Stellen bei der Anrechnung der Dienstzeiten österreichischer Staatsbürger, welche den größten Teil ihrer Dienstzeit im Auslande verbradit haben, großzügig sind und daß sie einen Teil der ausländischen Verdienstzeit so weit anrechnen, als dies zur Erreichung der Mindestpension nötig ist. m

Als die Fremdenverkehrssaison dieses Jahres begann, vergaßen die zuständigen Stellen nicht, das Gast- und Hotelgewerbe darauf aufmerksam zu machen, daß man diesmal einen „Sommer der Bewährung“ erleben werde. Diese eindringliche Mahnung hat leider nicht überall den gewünschten Erfolg gehabt. Viele von den fremden österreichreisenden beklagten sich in ihrer Presse über ungerechtfertigte Ubervorteilungen und über die Nichteinhaltung getroffener Preisabmachungen durch österreichische Fremdenverkehrsbetriebe. Als die immer zahlreicher werdenden Beschwerden überprüft wurden, fand man sie meistens — leider — berechtigt. So sehr berechtigt, daß die Innsbrucker Polizeidirektion mit Höchststrafen und Namenveröffentlichungen drohen mußte! Hier wird schnell und energisch Remedur geschaffen werden müssen, wenn die österreichische Fremdenverkehrskonjunktur nicht ein vorzeitiges Ende finden soll, und es wäre nur dringend zu wünschen, daß die Interessenverbände der Beherbungs- und Gaststättenbetriebe nicht auf das Einschreiten der Polizei warten, sondern im eigenen Wirkungskreis der wirtschaftlichen Vernunft wieder allgemein Geltung verschaffen. •

Die Zahl der arbeitsuch enden Frauen wächst ständig. Während im Juni 1948 617.812 in Arbeit stehende Frauen gezählt wurden, waren es im Juni 1950 524.071. In der gleichen Zeitspanne hat sich die Zahl der arbeitsuchenden Frauen von 11.868 auf 44.927 erhöht. Der Grund dieser Erscheinung ist vielgestaltig. Allgemein kann gesagt werden, daß heute die Frauen mehr denn je gezwungen sind, zum Lebensunterhalt ihrer Familien durch eigene berufliche Tätigkeit beizusteuern. Viele Frauen haben ihre Männer im Krieg verloren und müssen für sich und ihre Kinder selbst sorgen. Volksdeutsche Frauen, die keinerlei Unterstützung beziehen, müssen sich beruflich betätigen, da ihnen sonst jede Lebensmöglichkeit fehlt. Auch der Wunsch, eine erlernte Berufstätigkeit während der Ehe nicht einrosten zu lassen, ist maßgeblich an der Arbeitsuche der Frauen beteiligt. Die ausgeschulte weibliche Jugend zieht sich heute nicht mehr wie ehedem in den Kreis der Hausarbeit zurück, sondern strebt nach eigenem Verdienst und nach wirtschaftlicher Selbständigkeit, zumal die Eheschließung ein ganz beträchtliches Kapital erfordert und auf eine elterliche Aussteuer im Normalf all heute keineswegs mehr gerechnet werden kann. — Der Andrang der Frauen zum Berufsleben läßt aber auch die gesamte Arbeitsmarktiage in einem anderen Licht erscheinen. Die Vollbeschäftigung deckt nicht allein einen wirtschaftlichen Arbeitsbedarf, sondern auch einen rein psychologischen, so daß sie wenigstens teilweise eine wirtschaftliche Uberbeschäftigung darstellt. Die weibliche Arbeitslosigkeit ist daher auch weniger ein Problem der Not als eine Frage der Arbeitswünsche, wie die 6000 freien Stellen in der Landwirtschaft, die 3000 freien Hausgehilfinnenstellen und der Mangel an Krankenschwestern beweisen.

Einer der schönsten und an Gärten reichsten Vororte der Bundeshauptstadt läuft Gefahr, in ein nüchternes Großstadtviertel verwandelt zu werden: Die Nationalbank will dort zwischen einstöckigen, zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Häusern einen dreistöckigen und 60 m langen Wohnblock aufführen, der die Harmonie dieses fast schon ländlichen Stadtteiles ztrstören würde. Daß für dieses Bauvorhaben die behördliche Genehmigung erteilt wurde, ist fast unverständlich. Es widerspricht den von unseren Stadtplanern häufig erhobenen Forderungen nach Bewahrung und Vergrößerung der noch vorhandenen Grünflächen und Gartenbezirke, ohne welche die Großstadt endgültig zur grauen Steinwüste werden müßte. Und es widerspricht nicht weniger jener höchst segensreichen und noch auf Lueger zurückgehenden baubehördlichen Regelung, die in den westlichen Randbezirken nur den Bau e i n stöckiger, in einigen Fällen auch zweistöckiger, Häuser erlaubt. Der Hinweis darauf, daß man seinerzeit vergaß, das Pötz-leinsdorfer Viertel in diese Regelung einzubeziehen, und daß man ja möglicherweise auch entsprechende Ausnahmsbestimmungen schaffen könnte, ändert nichts daran, daß die Baubehörden sich mit der Zulassung dreistöckiger Wohnblöcke über die eigenen Vorschriften hinwegsetzten und damit einen Präzedenzfall lieferten, welcher der Bauwillkür in den schönen Wiener Vorstädten und damit deren Verwüstung Tür und Tor öffnen würde. Welchen Nutzen haben die besten Städtebautheorien und Stadtregulierungspläne, wenn ihnen in der Praxis zuwidergehandelt wird? Man klagt bitter, daß die Vergangenheit vergessen habe, die Großstadt mit Parkanlagen zu durchsetzen — und entfernt gleich darauf mitten im grauen Steinmeer der Großstadt, vor dem Franz-Josefs-Bahnhof, die letzten Bäume, man spricht, von der Einbettung der Wohnhäuser in gesunde Gärten und baut gleichzeitig in einen Gartenbezirk Wohnblöcke hinein...

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