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Randhemerkungen zur woche

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„WEDER KÖRNER NOCH GLE1SSNER!“ ruft das Grazer Blatt des VdU als Losung für die Bundespräsidentschaftswahl seinen Anhängern zu; es findet dafür eine umfängliche Begründung gegenüber dem sozialistischen Kandidaten und gegenüber Landeshauptmann Dr. Gleißner das Verdikt: „Ein von unbelehrbaren Reaktionären vorgeschobener Kandidat...“ Die „Unbelehrbaren“ sind summa summarum sämtliche Delegierte der Volkspartei, deren begeisterte Manifestationen eine Volkskundgebung darstellte, wie sie schon lange nicht einem Mann unseres öffentlichen Lebens zuteil wurde. Ohne Zweifel hat es aber einigen Reiz, hoffnungslos in einem traurigen Eck der Weltgeschichte Steckengebliebene von „Reaktionären“ reden zu hören.

UNHEILVOLLEN KRÄFTEN ist der eben bekanntgewordene interministerielle Entwurf entsprungen, der, Durchführungsbestimmungen zum Südtir oler Autonomiestatut betreffend, den von einer paritätischen, unter Zuziehung der deutsch-beziehungsweise italienischsprechenden Südtiroler ausgearbeiteten Vorschlag ersetzen soll. Er ist ein Vorstoß des Staats-z'e n t r a l i s m u s gegen Sinn und Wesen des Südtiroler Statuts, dieses Werkes, das den nationalen und politischen Frieden zu verbürgen berufen ist. Zentralistischer Natur sind weitgehende Einschränkungen der Unabhängigkeit des Regionalrates sowie der Vollmachten der Regionalverwaltung, die Erweiterung der Befugnisse des staatlichen Regierungskommissärs, die Beschränkung der Vollmacht der Landeshauptleute und die Erweiterung jener der staatlichen Regierungsvizekommissäre. Noch unfreundlicher sind jene Bestimmungen, die mit der im Pariser Abkommen verankerten Rechtsgleichheit zwischen deutsch- und italienischsprechenden Südtirolern nicht vereinbar sind. Bisher konnten die Eltern entscheiden, ob ihr Kind eine deutsche oder eine , italienische Schule besuchen soll; nach dem interministeriellen Entwurf aber soll jeder Italiener eine solche elterliche Entscheidung anfechten können, worauf dann eine Kommission, in der Italiener die Mehrheit haben, entscheidet. Die Vertreter der örtlichen öffentlichen Körperschaften sind nach dem Autonomiestatut nach der Stärke der beiden Volksgruppen zusammengesetzt, die neuen Bestimmungen sehen aber vor, daß der ScAulrat für Südtirol sich aus gleichviel Italienern wie Deutschen zusammensetzen soll, Obwohl dort die deutschsprachige Bevölkerung eine Zweidrittelmehrheit besitzt; der Leiter des deutschsprachigen Schulwesens soll jenem des italienischen untergeordnet sein. Eine Bestimmung des Entwurfes kann sogar so ausgelegt werden, daß eine deutschsprachige Gemeinde in Südtirol mit einer anderen deutschsprachigen Gemeinde nur in der italienischen Sprache verkehren dürfe. — Ohne Verbitterung und ohne unfreundliche bittere Beimengung sei gesagt, es könnte in der Jetztzeit, wo so große Notwendigkeit besteht, daß die Großen und die Kleinen zusammenhalten und keine Verletzung wem immer gegenüber geschehen solle, nichts Störenderes unternom me n werden als eine Verletzung jenes Abkommens, das für Südtirol eine Autonomie sicherte, die sowohl von der deutschen wie von der italienischen Bevölkerung dieses Landesteiles gewünscht und als ein Erfordernis ihrer wirtschaftlichen und volklichen Eigenart betrachtet wird.

ZWÖLF JAHRE ZWANGSARBEIT für Alexander von Falkenhausen; dazu: Ersatz der Prozeßkosten \m Umfang von 276.370 belgischen Francs. Das sind gegen 200.000 Schilling. Mehr als die Geldbuße, die der General vielleicht durch die Veröffentlichung seiner Memoiren bezahlen kann, wiegt das Urteil: zwölf Jahre für den ehemaligen deutschen Militärgouverneur für Belgien-Nordfrankreich. Es ist seit geraumer Zeit schon in gewissen Kreisen und in einer gewissen Presse üblich geworden, für die geschädigten Generäle der Vergangenheit Tränen und auch einiges andere zu sammeln. Die Gegenseite reagiert — und auch das ist bekannt — mit stereotyper maschineller Gleichmäßigkeit: nicht schade um ihn, ein Hitlergeneral! — Die Persönlichkeit Falkenhausens gehört einer anderen Sphäre an, die von diesen Pro-und-Kontras nicht erreicht wird. Dieser christliche Edelmann war nach dem ersten Weltkrieg nach China gegangen, um dem alten Europa und seinem Haß zu entfliehen. Hitlers ultimative Forderung an Tschiang-Kai-Schek erzwang die Rückkehr. Falkenhausen weigert sich, am Neuaufbau der Armee teilzunehmen. Einberufung bei Kriegsbeginn. Dem Militärgouverneur von Belgien-Nordfrankreich — diese Ernennung hatten seine Freunde aus der alten Armee durchgesetzt — gelingt etwas, was ihm die Freundschaft, ja Bewunderung selbst vieler Feinde einbringt:- er entreißt tausende belgische und französische Opfer des Besatzungsregimes dem Moloch, der Maschine des totalen Staates und des totalen Krieges. „Nachmachen, meine Herren“, sagt mit Recht ein führender belgischer Widerstandskämpfer über dieses sein Werk. Nun wird er schuldig gesprochen, verantwortlich — gemeinsam mit dem Zivilgouverneur von Belgien, General Reeder — für die Erschießung von 240 belgischen Geiseln. Vergebens weisen seine deutschen, französischen und belgischen Freunde darauf hin, daß es gänzlich außer seiner Macht stand, diese Erschießungen zu verhindern. Aus dem deutschen KZ, das ihn 1944 aufnimmt, wandert er also 1945 in den belgischen Kerker, wo er heute noch sitzt. — Sofort nach der Verurteilung begann der neue Kampf seiner Verteidiger mit dem Gericht: um die Anrechnung der Haft auf die Strafe. Nach belgischem Recht zählt Haftzeit vor der Verurteilung bei Anrechnung doppelt; da Falkenhausen sechs Jahre absaß, könnte der Greis heute freigelassen werden. Und aus dem Gefängnistor einer Welt, die ihrer gestrigen Gerichte waltet, hinaustreten in eine Welt, die auf die Gerichte von morgen wartet.

WIE DER „FU RCHW von einem Freunde des Blattes aus Japan geschrieben wird, beschäftigt sich die japanische Presse ausführlich mit dem Thema, das seit Ausbruch des koreanischen Konflikts immer mehr in den Vordergrund öffentlicher Diskussion gerückt ist — dem Thema „Friedensvertrag“. Das japanische Volk hofft nicht nur, es fordert mit steigendem Nachdruck, daß es im sechsten Jahre nach Abschluß der Feindseligkeiten endlich die Freiheit wiedererlange, auf die es im Hinblick auf seine zahlenmäßige Bedeutung und, nicht zuletzt, sein Verhalten unter der fremden Okkupation Anspruch erheben zu können glaubt; es fordert das Recht nach dieser langen Zeit der Prüfung sein weiteres Schicksal selbst zu gestalten und als ebenbürtiger Partner in die Gesellschaft freier Nationen Aufnahme zu finden. Darin sind sich alle Schichten und alle Parteien einig; nur über den Gebrauch, der von einer wiedererstandenen Souveränität gemacht werden soll, sind die Ansichten vielfach geteilt. Während die einen in den Jahren der Besetzung auch innerlich für den amerikanischen „way of life“ gewonnen wurden und heute die Überzeugung vertreten, daß Japan auch nach dem Friedensschluß wirtschaftlich und kulturell, ebenso wie politisch und militärisch, mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten müsse, verlangen andere die weitgehende Beseitigung der amerikanischen und überhaupt westlichen Einflüsse und einen engen Anschluß an die übrigen Völker Asiens, zu deren Führung das Inselreich berufen sei; und manche Gruppen, vor allem die Konservativen, gehen so weit, daß sie schon jetzt jeden Entwurf eines Friedensvertrages für unannehmbar erklären, der den' Bedürfnissen wie den Ehrbegriffen der Nation nicht entsprechend Rechnung trüge. Unter diesem Motto lehnt der radikale Flügel nicht nur jegliche Reparationsforderung von vornherein ab, sondern verlangt auch die Rückgabe der Kurilen, Oki-naw as und der Bonin-Inseln, die Auflösung der letzten amerikanischen Stützpunkte in Japan nach Ablauf von zehn Jahren und die stillschweigende Aufhebung der Klauseln, die der japanischen Auswanderung im Wege stehen. Die wachsende Unterstützung, die dieses Programm in der japanischen Öffentlichkeit findet, weist deutlich auf die Notwendigkeit hin, den längst fälligen Vertrag mit tunlichster Beschleunigung zum Abschluß zu bringen. Denn jede Konzession der Sieger von gestern, die dem japanischen Volke heute noch als ein freiwillig gegebenes Unterpfand freundschaftlicher Gesinnung erscheinen könnte, würCx vielleicht morgen schon nur mehr als ein Beweis ihrer Schwäche oder ihrer Furcht vor der zunehmenden Stärke des japanischen Nationalismus betrachtet werden. Damit wäre der Sache der Demokratie und des Friedens im Fernen Osten schlecht ge-

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