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Randhemerlzungen zur woche

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WENN DIE GEWERKSCHAFTSPRESSE IM DIENSTE DER SPÖ STEHT, leistet sie dem (von uns stets vertretenen) Gedanken der Einheitsgewerkschaft keinen guten Dienst. Die „Gewerkschaftsspalter“ sind nicht diejenigen, die sich provoziert fühlen, sondern jene, welche provozieren. Nun hat auch die Führung der Fraktion christlicher Gewerkschafter im OeGB gegen den überhandnelnnenden Mißbrauch der von allen Gewerkschaftsangehörigen mitgezahlten Gewerkschaftspresse eindeutig Stellung genommen. In der Nummer 22 sah sich die „Furche“ veranlaßt, gegen die von der Gewerkschaftszeitung „Arbeit und Wirtschaft“ bezogene Haltung in der Frage des belgischen Schulkampfes Stellung zu beliehen. Darüber ist nun die Redaktion der genannten Zeitschrift beleidigt und erklärt, daß sie „noch niemals“ eine Aeußcntng gegen die Kirche habe erscheinen lassen. Weil die „Furche“ es wagt, die antikatholische Haltung von „Arbeit und Wirtschaft“ herauszustellen, wird ihr „Brunnenvergiftung“ vorgeworfen und ebenso „Hetze gegen den einheitlichen „Gewerkschaftsbund“. Um nun zu beweisen, daß sie noch nie etwas gegen die Kirche geschrieben habe, wird in der gleichen Entgegnung ein Teil des deutschen Episkopats angegriffen (beileibe nicht die Kirche, sondern die „hohe“ Geistlichkeit). Ganz zufällig stoßen wir nun in der Augustnummer der zitierten Gewerkschaftszeitung auf eine Buchbesprechung, die ein Herr Kasnacich-Schmid geschrieben hat. Während es in der Septtmbernummer von „Arbeit und Wirtschaft“ heißt, daß noch „niemals“ etwas gegen die Kirche geschrieben worden sei, schreibt Herr K.-S. u. a.: „Wir wissen gerade in Oesterreich zu genau, daß aus der Mesalliance zwischen Kirche und Demokratie ein Bastard wie der Austrofaschismus entstanden ist, der mit dem Konzentrationstager ebenso vertraut war wie der braune Faschismus.“ Und dann heißt es weiter: „Die Kirche war nämlich niemals tolerant, wenn sie die Macht besaß.“ Nun ist also hier der Beweis von der Unrichtigkeit der Behauptung aufgestellt, „Arbeit und Wirtschaft“ habe noch niemals etwas gegen die Kirche geschrieben. — Auf das von Herrn K.-S. Gesagte näher einzugehen, erübrigt sich schon mit Rücksicht auf den von ihm gewählten Ton. Wer die „wir“ sind, von denen Herr K.-S. spricht, wäre freilich aufklärungsbedürftig. Meint er etwa die Führung des OeGB oder gleich den SPOe-Vorstand? Auch die Sache mit der „Mesalliance“ wäre aufklärungs-bedürftig. Denn, richtig gedeutet, hieße die von Herrn K.-S. aufgestellte Behauptung, daß die Kirche einer Verbindung mit der Demokratie (wann und in welcher Situation müßte noch untersucht werden) nicht würdig sei. Ueber die Konzentrationslager scheint Herr K.-S. eine höchst individuelle Meinung zu haben, die wir ihm nicht nehmen wollen, aber indirekt der Kirche in Oesterreich Vertrautheit mit der Gestion von Konzentrationslagern anzudichten, ist eine Behauptung, zu welcher die Redaktion von „Arbeit und Wirtschaft“ (und wir hoffen in einer weniger aufgeregten Form) denn doch Stellung nehmen muß. Auf der zweiten Seite von „Arbeit und Wirtschaft“ steht jeweils — sicher ist sicher —, daß die gebrachten Artikel „nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion“ darstellen. Es wäre der Sache gedient, wenn im Fall des Rezensionspamphlets die Redaktion erklären würde, die von Herrn K.-S. gebrachten Aeußerungen stellen nicht die Ansicht der Redaktion dar, um so mehr, als die Behauptungen, soweit sie die Kirche betreffen, in Art und Sachgehalt mit dem besprochenen Buch offensichtlich nichts zu tun haben und eine Polemik provozieren, die mit der Vertretung der Interessen der Arbeiter und Angestellten in. keinem Zusammenhang steht.

HOCHKONJUNKTUR HERRSCHT, wie man weiß, in erfreulich vielen Zweigen unseres Wirtschaftslebens. Sie herrscht auch, wovon man sich fast täglich überzeugen kann, in der Vorstellungswelt selbsternannter militärischer „Experten“, denen die Neuschaffung eines österreichischen Bundesheeres Gelegenheit gibt, ihrer Phantasie die Zügel schießen zu lassen-, besonders auf dem Gebiete der Uniformierung. So erschien kürzlich in einem Mittagsblatt der offenbar gar nicht als Witz gedachte Entwurf einer Dienstuniform, der den künftigen österreichischen Soldaten, bekleidet mit Zivilhemd und Krawatte, dem „stilisierten“ Oberteil eines britischen battle-dress (mit Zippverschluß von der rechten Schulter zur linken Hüfte'.), Keilhose und „Haferlschuhen“ (ob schottisch gesteppt, ist auf der Zeichnung nicht ersichtlich), als Mittelding zwischen einem feschen Lf/tboy und einem Skilehrer beim Cocktail in einem hocheleganten Wintersportplatz, zur Darstellung bringt. Einige Tage später fiel einem anderen Mitarbeiter jenes Blattes die mehr nüchterne Aufgabe zu, die gegenwärtige Uniform der aus dem B-Kader der Gendarmerie formierten Abteilungen des Bundesheeres zu beschreiben. Dabei kam folgendes heraus: „Zur Zeit trägt das 1. Infanteriebataillon noch die Uniform der Gendarmerie, ist jedoch durch das Fehlen der Spiegel (gemeint sind natürlich die Paroli oder Aufschläge) am Uniformkragen deutlich als Einheit des Bundesheeres gekennzeichnet. Nur Farbstreifen geben über die Art (!) der Truppenein-heit (gemeint ist die Waffengattung) Auskunft.. . Die Offiziere tragen Spiegel (!) in gleichen Farben .. .“ Und weiter: „Die Soldaten (gemeint ist die Mannschaft) sind mit Karabinern, Tornistern und Decke ausgerüstet, die Unteroffiziere und Offiziere mit Pistolen ...“ Das ist eine interessante, wenn euch nicht sehr klare Feststellung. Da der Berichterstatter hier Bewaffnung und Ausrüstung sozusagen in einen Topf wirft, weiß man nicht, ob er mit „Tornister“ und „Decken“ wirklich diese Gegenstände meint, oder ob es sich da um eine diskrete Tarnung höchst geheinttr Spezialwaffen handelt. Nun, das wird sich ja bald zeige. Jedenfalls aber wäre zw wünschen, daß unsere heute so zahlreichen militärischen „Sachverständige“ sich zunächst einmal mit der österreichischen Militärsprache vertraut machen, ehe sie ihre Beobachtungen und Ansichten aber österreichische Militärfragen zum besten geben,

IN LEIBNITZ WAR MAN SEHR AUFGEREGT. Nicht weniger jedenfalls als vor ein paar Mojtaten in Güssing. Nicht weniger als kurz vorher im Salzkammergut. Was ist tos? Es ist klar, die Bundesbahnen versuchen zu sparen, wo es nur immer geht. Begreiflich bei einem Milliardendefizit. Weitiger begreiflich, daß es beispielsweise auf 800 schienengleiche Uebergänge ankommt, die künftig die 7SS1 anderen ohne Schranken vermehren sollen (um die Unfälle zu vermindern?). Weniger begreiflich, daß man eine Strecke, die von Graz nach Leibnitz (Bal-kanexpreßlinie) kurzweg eingeteisig machen will, als ob man nicht mit eingeleisigen Strecken seine traurigen Erfahrungen hätte. In einer Zeit der Konjunktur bleiben nicht nur die früher schon stiltgelegten Strecken: laa an der Thaya—Wildendürnbach; Retz —Unterretzbach; Fischamend—Mannersdorf; Paru-darf—Kittsee; Petronell—Bruck an der leitha; Breitstetten—Orth; Midling—Laxenburg, Liesing—Ralteu-teutgeben; Wolfsthat—Berg; Btumau—Neurißhof uud Predntg—Wieselsdorf—Staiuz stillgelegt, sondern erst im Vorjahr hat man einfach die Linie Steinabrückl— Sollenatt abmontiert, und heuer wollte man zum ersten und letzten die Bahn Strem—Güssing versteigern. Auf der anderen Seite wiesen die Bundesbahnen 1951 einen um 4,5 Prozent gegenüber 1950 gestiegenen Reisverkehr aus (Bmttatonnenkilomettr gegenüber 1937 plus 37 Prozent) bei 78.882 Angestellten. Diese Zahl der ständig Bediensteten hat sich bereits 1951 gegenüber 1950 um 2,2 Prozent verringert — also vor vier Jahren begann mm schon zu sparen, 1953 sind die Beschäftigtenziffern abermals um 2 Prozent niedriger. 1954 weist man nur mehr 70.000 Beschäftigte aus, das heißt, binnen vier Jahren hat sich der ständige Persoualstand im fast 9000 verringert. In diesem Jahr 1954, wo mau genau 8882 weniger Menschen beschäftigt, ist die Transportleistung bei sechs Millionen Tonnenkilometern um 16 Prozent angestiegen. Die Unfälle — und jetzt sind wir bei der Illustration zu Leibnitz — sind von 558 im Jahre 1953 auf 677 gestiegen. Man geht nicht fehl, wenn man — neben dem erhöhten Verkehr — der gesteigerten Anspannung des Personals, dem Verschleiß an Nervenkraft (Verschub-dienst im Schnelltempo} sein Maß zugibt. Wird dieser dauernd sinkende Personalstand bei steigenden Verkehrsleistungen dann noch eine Verengung der transporttechnischen Lage mit eingeleisigen Strecken erlauben, ohne leichtfertig das Sclticltsal herauszufordern? Leibnitz ist ein Symbol. 13.000 Einwohner leben dort. Es besteht eine Landesobst- und -weist-hauschule, eine Spinnerei, eine Metaltgießerei, eine Eahtradfabrik. Sie alte fragen sich: spart man tut unserer Sicherheit?

JM KIELWASSER DES STAATSVERTRAGS-SCHIFFES schwimmen Boote mit Verhandlungen, welche Unrecht materieller und moralischer Art beseitigen sollen. Zuletzt kam Unterrichtsminister Dr. Drimmel in seiner Ansprache vor Lehrern in Krems darauf zu sprechen. Bei der Nennung der verschiedenen Gesetze, deren Namen leider mehr Geist der Unterrichtssprache als der deutschen atmen (Pflichtschulerhaltungsgrundgesetz, Schuler-haltungskompentenzgesetz), vermißte man einen deutlichen Hinweis auf die Ordnung der Schulbücher. Es ist anscheinend dem Gedächtnis entschwunden, daß vielerorts unsere Lehrbehelft unter dem Druck der Besatzungsmächte redigiert wurden. Wir wollen- jetzt nicht zu ausführlich werden; Immerhin genügen die Hinweise auf eine gewollte Gleichläufigkeit eines Begriffes „Vaterländischer Krieg“ hinsichtlich Rußlands — für 1812 (und nicht etwa 1941); genüge die Schlagseite der französischen Revolution, die seitengemäß überreich bedacht ist-, genügt die eigentümliche, an die Geschichtslinie der deutschen Ostzone gemahnende Beurteilung der Bauernkriege in Erinnerung gerufen zu werden, und daß man in der „Reformation“ für Tetzel acht Zeilen übrig hat, damit sich eine „Stimme aus der Zeit“ zu ihm äußere. Im Erdkundebuch für die vierte Klasse der Mittel- und Hauptschulen (1951). das mit Z. 20856-IV/12/1949 vom Bundesministern für Unterricht approbiert werden mußte, ist die Fassung von 1933 (mit szt. Erlaß Z. 33.102-11/7-Wj verschwunden, wo es beispielsweise auf Seite 54, letzter Absatz, hieß: „Durch die Willkür der Sieger. Staaten wurde die natürliche Verbindung zwischen Graz und dem Klagenfurter Becken zu Jugoslawien geschlagen“. Deswegen ist die Strecke Marburg —Unterdrauburg noch lange nicht von der Land-harte verschwunden! Solche Beispiele gibt es viele. Sie stehen in direktem Widerspruch zu den Stunden, wo man den Schülern das Lesen des Kursbuches beibringen will; in den Fahrplänen gibt es Korridorzüge, und diese Einrichtung mußte eben der ividersinm'gen Grenzziehung wegen geschaffen werden. Die Berichtigung der Schulbücher hat keine Spitze gegen andere Nationen. Sie nimmt nur unterirdischer Propaganda die Waffen aus der Hand und lehrt, wie man es das nächste Mal nicht zu machen hat. In diesem Sinne sind die vom Alliierten Rat approbierten Lehrbücher auch lehrreich: wie man es nicht zu machen hat. Wobei wir uns hoffnungsvoll gestatten, die Worte „das nächste Mal“ aus dem Gedächtnisbuch zu streichen.

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