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„Reformer“ im eigenen Land...

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Wenn an diesem Freitag der 7. Landesparteitag der steirischen ÖVP im Brauhaus Puntigam zusammentritt, dann ist zumindest eine Frage bereits geklärt, von der immer behauptet wurde: „Der Landesparteitag wird die Entscheidung bringen.“ Diese Entscheidung war nämlich spätestens vor etwa zwei Wochen gefallen, als sich der Landtagsklub der Volkspartei zu einer Klausurtagung nach Seckau zurückgezogen hatte. Nach fast einjährigen Wehen wurde ein Entschluß geboren: Dr. Gorbach bleibt Landesparteivor-sitzender und wird von einem geschäftsführenden Obmann unterstützt: der neue Landesparteisekretär wird spätestens 14 Tage nach dem Parteitag nominiert.

Schon als Gorbach mit der Würde des Bundeskanzlers eingedeckt wurde und vom Grazer Karmeliterplatz auf den Wiener Ballhausplatz übersiedelte, entstand eine Lücke im steirischen VP-Führungsteam. Nach dem ungestümen Wahlkampf im März avancierte der rührige Parteisekretär W e-g a r t zum Mitglied der Landesregierung. Der frischgebackene Landesrat erklärte sich bereit, seine Sekretärsgeschäfte zurückzulegen: „Schon um die Neider zu beruhigen.“

Innerhalb der Volkspartei gab es nun Stimmen, die meinten: „Dr. Gorbach soll nur Landesparteiobmann bleiben, es schadet nichts, wenn ihm von der Heimat aus der politische Rückenwind gestärkt wird. Und außerdem: Es ist gut, wenn er in der Steiermark einen Rückzugsposten hat, falls die Sache in Wien schiefgehen sollte. Schließlich ist er ein verdienter Mann, und was dem Raab recht war, soll dem Gorbach billig sein.“

Soweit die einen. Weniger gefühlsbetont reflektierten andere Parteitaktiker in der grünen Mark: „Wenn Gorbach in Wien stolpert, dann können wir in der Steiermark ohnedies nicht mehr mit ihm an der Spitze weitermarschieren. Es, ist .besser, die Sache mit dem Obmann wird gleich geregelt, damit wir im Falle des Falles kein Bleigewicht mitschleppen müssen.“ Diese etwas roh anmutende Argumentation war vor allem von der Überzeugung geleitet, daß der Adel des von der Steiermark ausgehenden „Reformgeistes“ verpflichte. Schließlich waren es Stimmen aus der Steiermark, die immer wieder darauf hinverwiesen hatten, daß der Bundeskanzler nicht gleichzeitig alle zur Verfügung stehenden höchsten Obmännerposten in der Partei bekleiden sollte. Damals war allerdings der Niederösterreicher Raab Bundeskanzler. Schließlich erinnerte man sich auch daran, daß es die Reformer waren, die den Slogan: „Neue Männer, neue Ideen, neue Wege“ geprägt hatten.

Mit den neuen Ideen und den neuen Wegen hatte es im Wahlkampf ja tatsächlich geklappt — mit den neuen Männern allerdings haperte es ein bisserl.

Eine Versuchsraket*

Zuerst ging es also um den neuen Landesparteiobmann: Am 14. November vergangenen Jahres startete der kompromißlos reformeifrige ehemalige Sekretär des Landeshauptmannes, ORR. Dr. Binder-Krieglstein, eine Versuchsrakete. In einem Vortrag vor dem Akademikerbund wandte er sich gegen das Konzept, daß der Kanzler neben seiner Funktion als Regierungschef und Bundesparteiobmann auch noch Landesparteiobmann bleiben sollte. „Dieser Protest richtet sich in keiner Weise gegen die Person des Kanzlers“, räumte Binder-Krieglstein ein, „Dr. Gorbach ist aber schon weit über das Format eines Landes-parteiobmannes hinausgewachsen, so daß ich nicht glauben kann, daß er an dieser Position festhalten will. Es wäre auch eine unehrliche Lösung: Wie stellen Sie sich eine Unterstützung

für den steirischen Bundeskanzler durch die Steiermark vor? Soll sich Dr. Gorbach selbst unterstützen? Oder soll er sich selbst kritisieren?“

Die Versuchsrakete verzischte. Bald war es offensichtlich, daß der Plan, einen neuen Obmann zu küren, fallengelassen worden war. Offen blieb die Frage, wer geschäftsführender Obmann werden sollte, und ungeklärt blieb auch, wer Wegart ersetzen sollte. Es zeigte sich, daß es leichter ist, eine Reform zu propagieren, als sie dann auch tatsächlich durchzuführen. Der Elan scheiterte vorläufig daran, daß eben zuwenig neue Männer da sind, die neue Ideen haben und neue Wege gehen. „Uns fehlt der Nachwuchs, vor allem in der mittleren Funktionärsschicht“, erklärte dazu Landeshauptmann Krai-ner sorgenvoll.

Natürlich war es auch nicht zu verhindern, daß nun um die neuen Posten mit den üblichen Mitteln des innerparteilichen politischen Machtkampfes heftig gerauft wurde. Denn über die Schatten „menschlicher Unzulänglichkeiten“ kann derzeit nicht einmal die reformwillige steirische Volkspartei springen.

Man hat es Wegart zugetraut, er wolle sich über „das Hintertürl“ des stellvertretenden Obmannes und „gestützt“ auf einen möglichst schwachen neuen Parteisekretär zuviel Macht zumuten. Dazu meinte Wegart einmal: „Die Idee vom geschäftsführenden Obmann stammt nicht von mir, sondern vom Kanzler.“ Und es war auch Gorbach, der einmal im Gespräch erklärt haben soll: „Ein geschäfts-führender Obmann, das kann nur der Wegart sein.“ Wegart fügte jedoch hinzu, daß, falb er dieses Amt überhaupt übernehmen würde, die grundsätzliche Zustimmung des Landeshauptmannes Vorbedingung sei.

Der Landeshauptmann.aber schwieg. Er bemerkte nur mehrmals mit fast poetischer Hintergründigkeit: „Ich

stürze mich nicht irf das Gewässer, ich bau' die Brücken, wenn ich an den Strom heran muß.“

Viele Namen

Viele Namen wurden für die Posten des Obmannes und Parteisekretärs genannt, reichlich abenteuerlich anmutende Kombinationen tauchten auf. Als Sekretär sprach man zum Beispiel vom Landtagsabgeordneten P ö 1 z 1 aus Gleisdorf, einem Mann, der innerhalb der Partei emsig-aufopfernd arbeitet und der sich über das interne Parteigeschehen hinaus durch sein elektrisches Fischen in der Raab und als ungebärdiger Versammlungsredner mit antisemitischen Anwandlungen einen Namen gemacht hat. Man sprach vom Sekretär des Landeshauptmannes, Dr. T r o p p e r, und vom Landtagsabgeordneten Dr. Rainer, der einen ausgeprägten Rechtsdrall aufweist und mit seinen „Liezener Tagungen“ besonders um nationale Kreise bemüht

ist. Ja selbst unter hohen Führern der Katholischen Jugend wollte man den neuen Parteisekretär suchen.

Als die Frage der Neubesetzung des Parteiobmannpostens noch aktuell war, fielen die Namen der Landesräte Prof. Dr. Koren, Prirsch, Wegart, der Name des Stadtparteiobmannes von Graz, Primarius Doktor Stepantschitz, wurde genannt, und auch in dieser Liste tauchte Doktor Rainer als eventueller Kandidat auf. Aber die einen wollten nicht, andere konnten nicht, und wieder andere durften nicht.

Steirischer „Proporz“?

Als Geheimtip für den geschäftsführenden Obmann galt seit langem Dr. Theodor P i f f I, Nationalrat und stellvertretender Direktor der steirischen Landwirtschaftskammer. Und Piffl machte schließlich auch das Rennen. Ohne sein Zutun, so muß man hinzufügen. Denn er hat sich am wenigsten um dieses Amt beworben. Er fügte sich, fast wider seinen Willen, dem Wunsch, dieses Amt zu übernehmen. Piffl hat nicht nur den Vorteil, daß seine Integrität außer Zweifel steht — er ist auch als Katholik bekannt. Und hier zeigt sich ein Dilemma in der steirischen Landespolitik. Es herrschen da nämlich seltsame Proporzerwägungen vor, die, auf einen kurzen Nenner gebracht, etwa so lauten: „Wenn der eine mehr katholisch ist, müßte der andere mehr .national' sein.“

Die steirische Volkspartei weist immer wieder darauf hin, daß im „Land des Freisinns“ derzeit nur drei freiheitliche Abgeordnete im Landtag sitzen. Man bucht diese Tatsache als Erfolg einer geschickten Landespolitik, die sich um diese Kreise besonders bemüht. Allerdings scheint es, als ob manchmal die Taktik zuungunsten des Prinzips überbewertet wurde, denn man muß diesen Wählern natürlich auch Konzessionen machen, um sie „an der Stange zu halten“. Dr. Rainer hat also Chancen, Parteisekretär zu werden. Diese Frage soll allerdings erst nach dem Landesparteitag entschieden werden. Der Landeshauptmann will offenbar nicht direkt Einfluß auf die Bestellung des neuen Landesparteisekretärs nehmen, sondern diesen Schritt der neugewählten Landesparteileitung überlassen. Aber seine Stimme wird dennoch entscheidend sein — auch wenn er das Gewicht seiner Persönlichkeit nur indirekt einsetzt.

„Nur fliegen müssen die Leut' können“

Praktisch geht es jetzt wirklich nur noch um die Schlüsselposition des Landesparteisekretärs, eine Frage, die spätestens 14 Tage nach dem Landesparteitag entschieden sein soll. Wegart, der 15 Jahre als Parteisekretär wirkte, betont: „Ich freue mich zwar auf den Tag, an dem ich vom Landhaus beobachten kann, wie der neue Parteisekretär am Karmeliterplatz wirkt, aber man kann schließlich nicht davonlaufen wie's Dirndl vom Tanz. Wird der Karmeliterplatz schwach gemacht, kann man nur sagen: Arme Volkspartei.“ Mit Stolz verkündet Wegart, daß er seinem Nachfolger einen Parteiapparat übergebe, der einer modernen „Boeing 707“ gleiche: „Nur fliegen müssen die Leut' damit können.“

Im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Vorverlegung der Nationalratswahlen tauchte allerdings die Frage auf, ob man in diesem Falle auch auf den alten Routinier Wegart verzichten könne. Aber selbst wenn er wirklich noch einmal am Steuer dieser „Boeing“ sitzen sollte — er wird auf jeden Fall einen Co-Piloten neben sich haben. Und eines dürfte auch sicher sein: Der neue Parteisekretär wird nicht mehr diese Vollmachten haben, die der alte besaß ...

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