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Reich Gottes auf Erden“

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„Reich Gottes auf Erden“ hat man einst in der Hussitenzeit die böhmischen Länder bezeichnet; die heutige Zeit, konsequenter und rücksichtsloser in ihren Methoden, spricht ähnliche Worte, wenn man „Pater“ Plojhars Wiener Rede glaubt, in der er unter anderem berichtete, daß einzig und allein die Volksdemokratie die Voraussetzung für ein wahres, praktisches Christentum schaffe.

Knapp nach dieser „volksdemokratischen Predigt“ sprach ein Mitarbeiter der „Furche“ in Wien mit einem anderen, allerdings „echten“ Priester, der nicht im Schutze der Besatzungsmacht nach Wien gereist gekommen war, sondern mühselig und gefährlich genug bei Nacht und ohne irgendwelche Genehmigung. Sein Bericht über dieses „Reich Gottes auf Erden“ klingt wesentlich anders:

„Im Frühling 1950 war ich zum Priester geweiht worden, das .Heilige Jahr“ war für uns ein Jahr der Demütigungen, Verfolgungen und ein Jahr schwerster Arbeit. Schon bei der Priesterweihe wurde uns der Ernst der Lage in besonderer Weise deutlich: wir erhielten sogleich besondere, sogenannte mexikanische' Vollmachten, das heißt wir durften jederzeit in Zivil gehen, die Messe ohne weiteres in Zivil lesen, als Kelch konnten wir jedes saubere Glas, als Hostie jedes Stück Weißbrot benützen. Bald schon gingen wir übers Wochenende zur Aushilfe hinaus ins Grenzgebiet, wo man uns dringend benötigte; es war wirklieh reinste Missionsarbeit in dieser zusammengewürfelten Bevölkerung des Grenzgebietes. Bald aber schon — unmittelbar nach der Verhaftung aller Ordensmitglieder und ihrer Unterbringung in den Konzentrationsklöstern — mußten wir für ständig hinaus ins Grenzgebiet. Ich kam in eine ehemals sudetendeutsche Industriestadt. Die Stadt mit ihren fast 50.000 Einwohnern hatte nach der Verhaftung der hier tätigen Ordensleute keinerlei Gottesdienste mehr. Die Pfarrei war versiegelt, so daß ich im Hotel wohnen mußte. Ich hielt nur einen Monat hindurch in der Stadtpfarrkirche täglich früh und abend eine Messe, die gut besucht war.

Nach vier Wochen kam ich in eine kleinere Stadt am Fuße des Erzgebirges; auch hier standen die Kirchen leer, der nächste Priester war 20 Kilometer entfernt und rund 20 Pfarren in der nächsten Umgebung waren unbesetzt. Ich selbst betreute jeden Sonntag vier Pfarren, fuhr mit dem mir geliehenen Motorrad bis in die Pfarren am Kamm des Erzgebirges; Sonntag für Sonntag hieß es vier Messen lesen, vier Predigten halten. In den Pfarrhöfen wohnten meist Beamte der S N B, der Gendarmerie, die einen kaum nennenswerten Zins zahlten. Aber sämtliche Einkünfte durfte nicht ich verwalten, sondern staatliche Verwalter, die direkt dem Minister für kirchliche Angelegenheiten unterstanden; solche Beamte des Kirchenministeriums .amtierten' natürlich auch im bischöflichen Ordinariat, in jedem Vikariat, in jeder Bezirksstadt, bis herunter in die Gemeinden. Neben der Verwaltung des meist recht spärlichen Kirchenbesitzes beriefen sie die Versammlungen der sogenannten .Katholischen Aktion' ein, hatten aber auch über das Verhalten der Geistlichen, ihre Predigten usw. nach Prag zu berichten. Ins Gesicht waren sie meist recht freundlich, doch waren es ausschließlich verläßliche und alte Kommunisten.

Von der angeblich so guten Bezahlung der Priester in der Tschechoslowakei (P. Plojhar sprach von ihnen als den bestbezahlten der Welt) spürte ich nichts, da ich als .Neupriester' keine staatliche Anerkennung hatte. Aber auch andere Kapläne erhielten als Besoldung 3 0 0 K c, gegenüber rund 4500 Kc eines mittelmäßig bezahlten Arbeiters, sicherlich keine fürstliche Entlohnung. Pfarrer mit mehr als dreijähriger Dienstzeit sollen allerdings nach .Bewährung' 1000 Ki, mit mehr als 30jähriger Dienstzeit sogar 7000 KS erhalten.

Im übrigen waren wir der letzte Jahrgang, der das Priesterseminar verließ, da diese inzwischen aufgelöst wurden und die neuen staatlichen Seminare .Priester' sämtlicher Religionsgemeinschaften erziehen. Einige wenige deutsche Priester waren zurückgeblieben, die jedoch kaum zu irgendwelchen Handlungen zugelassen wurden. Natürlich ließen sich die zurückgebliebenen Deutschen am liebsten von diesen Geistlichen trauen, zu denen sie oft stundenweit gingen. Doch auch zu dieser Handlung benötigten sie eine besondere Delegation von mir. Wir standen natürlich ganz auf uns allein gestellt, ohne jegliche Verbindung zum bischöflichen Ordinariat, besonders als Msgr. Oliva, der frühere Prager Caritasdirektor, von Staats wegen zum Generalvikar einer Diözese eingesetzt worden war. Doch standen wir in Verbindung mit einigen älteren und erfahrenen Priestern.

Lange hat auch meine Tätigkeit hier im Grenzgebiet nicht gewährt. Bald hat man mich — ähnlich wie zahlreiche andere Neupriester — zur Wehrmacht einberufen. Gewehre vertraute man uns allerdings nicht an, so daß wir kaum etwas anderes als Strafbataillone oder billige Arbeitssklaven waren. Auch hier blieb ich nicht lange, doch diesmal war ich es, der sich verabschiedete.“

In unpathetischen Worten zeigt dieser Bericht die Methoden des Kirchenkampfes in der Tschechoslowakei, die sich doch wesentlich von denen in Ungarn oder Polen unterscheiden und die an Systematik, TarnungundTäuschung kaum in anderen Volksdemokratien übertroffen werden können.

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