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Reichtum ober und unter der Erde

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1. Kongo, und zwar auch ohne Katanga. Er ist reicher als Katanga. Dessen Reichtum liegt unter der Erde und erschöpft sich, der landwirtschaftliche Reichtum des Kongo liegt über der Erde und ergänzt sich fortwährend — wenn man ihn zu wecken weiß. Unter den Belgiern überstieg der Export der fünf kongolesischen Provinzen, ohne Katanga, den jedes anderen Landes im tropischen Afrika und den von | zehn der neuen Splitterstaaten.

2J N i g e r i a, ein Bundesstaat aus drei wesentlich verschiedenen Teilen mit 36 Millionen Einwohnern in 200 Stämmen, mit größtenteils fruchtbarem Boden und gutem Klima, reichen Wäldern und Viehbestand, allen Mineralien einschließlich der Kohle und Wasserkraft. Auch hier ist Landwirtschaft und Viehzucht wichtiger als Bergbau.

3. G h a n a, in wesentlich geringerem Ausmaße, dank der totalitären Methoden seiner Regierung, die zu viel von der Wirtschaftskraft des Landes auf Prunk, Repräsentation und Einfluß auf die Nachbargebiete verschwendet und an der beachtlichen geistigen Kraft seiner Intelligenz durch Einkerkerung und Verbannung Raubbau treibt.

4. Tanganjika mit leinem Diamantenreichtum, aber nur in Wirtschaftseinheit mit den beiden anderen britischen Kolonien Kenya und Uganda, vielleicht ausgedehnt auf Rwanda und Burundi, die allein nicht lebensfähig sind. Präsident Nyerere ist einer der wenigen einheimischen Führer, die einsehen, wie unentbehrlich die Weißen, von denen ein guter Teil im Lande geboren ist und es bewußter liebt als die schwarzen Stämme, für die Entwicklung sind.

5. Der Sudan gehört nur zur Hälfte in dieses Gebiet. Die Neger des Südens bedauern schon tief, daß sie die Herrschaft der Briten gegen die der Araber des Nordens eintauschen mußten. Aber beide Teile fürchten sich schon davor, den britischen Kolonialismus durch den ägyptischen ersetzt zu sehen.

Das Geheimnis der Armut

Warum konnten nun diese Stämme in den vielen Jahrhunderten vor dem Eindringen der Weißen den Reichtum ihres Bodens nicht entwickeln? Die Antwort ist dieselbe, die man in Australien und Nordamerika findet. Warum konnten die Eingeborenen Australiens dem fruchtbaren Teil des Kontinents, der immerhin größer

Photo: Magnum

ist als das kontinentale Westeuropa, warum konnten die Indianer Nordamerikas dem Boden nicht das abringen, was den weißen Einwanderern gelang? Weil ihre Erwerbsart nicht Produktion, sondern Raub war. Sie war nicht darauf gerichtet, auf eigenem Boden mehr zu schaffen, sondern darauf, dem Nachbar wegzunehmen, was er geschaffen hatte. Man mehrte nicht den Kuchen, sondern raufte sich um dessen Stückchen. Dadurch wurde der wichtigste Produktionsfaktor, die Sicherheit, zerstört. So wurde das Gebiet zum Paradigma für die Lehre, die hier schon oft vetreten wurde. Es lohnte sich nicht, zu arbeiten, zu sparen, um reicher zu werden, wenn man darauf rechnen mußte, daß das Ersparte von einem Feldzug des Nachbarn zerstört oder geraubt würde. Dann kam die Gefahr von innen dazu: daß der Häuptling, oder der Medizinmann, es mit Gewalt oder List an sich reißen würde. Hier liegt die Wurzel der Armut Afrikas.

Wird sich das ändern? Es ist wohl noch zu früh, eine skeptische Prognose zu stellen. Es gibt viele ehrliche, tüchtige, gebildete Afrikaner — zu viele davon freiwillig oder gezwungen im Ausland — die wissen, was ihre Länder zum Aufstieg brauchen. Es gibt aber auch viele — zu viele davon im Inland —. in denen die alte Tradition des Erwerbes durch Nehmen noch fortlebt. Gewiß ist ein Fortschritt zu verzeichnen. Raub heißt jetzt Konfiskation oder Nationalisierung, Mord kleidet sich in Paragraphen gegen Widerstand, Verrat und Gegenrevolution, Terror wird mit Disziplin verwechselt. Die lautesten Anklagen dagegen kommen von Negern. Und die Wirtschaft wird zu sehr von Schlagworten, wie Industrialisierung, Nationalisierung, Sozialisierung beherrscht.

Die UNESCO hat sich schon von einem einsichtigen und kenntnisreichen österreichischen Volkswirt sagen lassen müssen, daß Industrialisierung kein Allheilmittel darstellt, solange die Industrieprodukte nicht im Inland ver-

wendet werden können und im Ausland nicht konkurrenzfähig sind. Auslandshilfe kann nur Zündkerzen liefern; Benzin und Öl muß sich das Land selbst erarbeiten. Auch Per Jacobson, der Direktor des International Monetary Fund, hat das der UNESCO gesagt, aber der Widerhall der Vernunft ist sowohl bei den Gebern wie Nehmern äußerst gedämpft.

Aktiv- und Passivposten

So stellt sich dem, der nur Sinn für die wirtschaftliche und kulturelle Hebung von Menschen, ob sie nun schwarz oder braun oder weiß sein mögen, aber wenig Sinn für Macht und Einkommen von Führern hat, die Bilanz der jüngsten Entwicklung im tropischen Afrika, frei von gefärbten und gefälschten Posten, dar. Zu den Passivposten gehören:

• In der Wirtschaftsgeschichte gibt es keine Sprünge, nur ein rascheres oder langsameres Schreiten. Wer vorwärts springen will, stürzt rückwärts, kann sich nur mehr schmerzhaft erheben und langsamer gehen. Revolutionen, welcher Farbe immer, werfen die Wirtschaft zurück.

• Führer ohne Tradition verschwenden Menschen, Kraft und Geld. Das Beispiel des Königs von Marokko, der eben in New York in einer Woche 20 Millionen Schilling ausgegeben hat, um, wie er selbst bemerkte, „den Amerikanern einen kleinen Bruchteil ihrer Spenden zurückzugeben“, hat zu viele große und kleine Nachahmer in den 27 Staaten — vom goldenen Bett

der Ministersgattin aus dem sozialistischen Ghana bis zu den neuen Palästen und Statuen in hungernden Ländern, die um Hilfe rufen, statt ihre Kraft zur Selbsthilfe zu verwenden.

• 27 aufgeblähte Bürokratien mit überflüssigen Heeren und kostspieligen Waffen bilden eine schwere Last für Völker, die sich durch ihre Arbeit über das Existenzminimum erheben sollen.

• Drückt sich der Jubel über die gewonnene Freiheit seltener in gesteigerter Arbeitslust als in dem Glauben aus, daß man den Mund nur weit aufreißen brauche, damit gebratene Tauben hineinfliegen.

• Der blutige oder unblutige Kampf gegen Minderheiten, ob mit Messern oder Paragraphen geführt, lenkt Mehrheit und Führer von produktiver Arbeit ab, lähmt und zerstört die Kraft wertvoller Menschengruppen. Er wird vor allem die Inder Ostafrikas treffen, die dort eine ähnliche wirtschaftliche Funktion erfüllen, wie die Juden es in Osteuropa taten.

• Die von oben geförderte Rückkehr zum Animismus, zu alten Bräuchen, die als Reaktion gegen alles Fremde neu belebt werden. Schließlich hat Nkruma mit seinen höchsten Beamten einem toten Walfisch, der ans Ufer geschwemmt wurde, göttliche Ehren erwiesen. Das führt zum Kampf gegen die eingeführten Religionen, vornehmlich gegen das Christentum, in geringerem Maße gegen den Islam; zur Abkehr vom Missionar und Mullah zum Medizinmann.

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