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Reise mit Tücken

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Erhards USA-Reise hatte von Anbeginn an ihre Tücken. Sie war im entscheidenden Punkt offensichtlich nicht ausreichend vorbereitet. Dabei hatte die deutsche Botschaft aus Washington immer wieder gemahnt, daß die amerikanische Regierung dem Problem der deutschen Rüstungskäufe in den USA die größte Bedeutung beimesse. Die mangelnde Vorbereitung mußte geradezu zwangsläufig dazu führen, daß Johnson und Erhard sich ernsthaft auseinandersetzen mußten. Als sie sich zusammensetzten, hatte sich noch keine Lösung abgezeichnet, die für beide tragbar gewesen wäre.

Die Crux für Bonn liegt in Zusagen, die Erhard schon vor zwei Jahren gemacht hat. Ein namhafter deutscher Publizist hat sie soeben als leichtsinnig bezeichnet. Die Amerikaner haben ihr gutes Recht wahrgenommen und Erhard beim Wort zu nehmen versucht. Aber Erhard konnte seinerseits geltend machen, daß die Finanz- und Devisenschwde- rigkeiten der Bundesrepublik nachgerade Weltgespräch sind. Die Bundesrepublik ist einfach nicht imstande, die amerikanischen Forderungen zu erfüllen. Nun soll ein Dreierausschuß, dem wahrscheinlich der frühere amerikanische Hochkommissar in Deutschland, McCloy, und Bundesminister Westrick angehören werden, das verwickelte Problem nach allen Seiten hin überprüfen. Man wird nicht fehl gehen in der Annahme, daß die Amerikaner auf ihrem Schein bestehen werden und daß man mit den unterschiedlichsten Finanzmanipulationen versuchen wird, das Dilemma auszuräumen.

Schwerwiegende Argumentation

Die Amerikaner haben schließlich, wie es den Anschein hat, Verständnis für die schwierige Lage der Bundesrepublik an den Tag gelegt. Auf der Gegenseite haben die Deutschen den innerpolitischen Druck indos siert, unter dem sich Johnson in zunehmendem Maße in der Deutschlandfrage befindet.

Ginge es nach dem amerikanischen Verteidigungsminister MacNamara, so würde unverzüglich ein drastischer Abzug amerikanischer Truppen aus Deutschland stattfinden, wenn man sich über die Rüstungskäufe nicht einigen sollte. Um so nachdrücklicher haben Erhard und seine Begleitung in den USA den Standpunkt verfochten, man dürfe das Problem der Rüstungskäufe und die Präsenz der amerikanischen Trup pen in Deutschland nicht wie kommunizierende Röhren behandeln. Die deutsche Argumentation ist schwer zu widerlegen. Wird bejaht, daß noch eine sowjetische Bedrohung Europas besteht, dann müssen die amerikanischen Truppen bleiben, und zwar auch dann, wenn die Deutschen hierfür nicht so viel Geld aufbringen, wie die Amerikaner dies wünschen. Aber die Deutschen sind sich nicht mehr sicher, daß die Amerikaner die sowjetische Gefahr noch so hoch in ihre Rechnung ein- setzen wollen wie früher.

Mehr und mehr macht man sich daher in Bonn mit dem Gedanken vertraut, daß die amerikanischen Truppen etwa bis zum Jahr 1970 — sofern nicht ein weltpolitischer Erdrutsch eintritt — aus Deutschland so gut wie verschwunden sein werden. Daß sich daraus weitestgehende Konsequenzen für die deutsche Verteidigungspolitik ergeben, sieht man natürlich in Bonn auch. Aber welche deutsche Konzeption die Antwort auf diese fatale Entwicklung sein wird, das ist zur Zeit noch in den Sternen geschrieben. Es versteht sich indes, daß unter diesen Umständen wieder diejenigen Auftrieb erhalten, die die einseitige Anlehnung an die USA, wie sie insbesondere von Außenminister Schräder befürwortet wird, für falsch halten und statt dessen für engere Zusammenarbeit mit Frankreich eintreten.

nicht. dem, was in den Vorverhandlungen zum Erhard-Besuch abgesprochen war. Nun wird gegen diese Regelung eingewendet, die Bundesrepublik habe jetzt nicht mehr die Möglichkeit bilateraler Verhandlungen mit den USA oder England, sie sehe sich vielmehr den angelsächsischen Mächten allein gegenüber. Darüber hinaus wird zu bedenken gegeben, die übrigen NATO-Staaten könnten mit Recht scheel auf die Tätigkeit dieses Ausschusses blicken und ihn als ein Symbol eines Dreierdirektoriums betrachten, das die entscheidenden NATO-Fragen unter sich zu lösen gedenke. In diese Bedenken stimmen auch viele von denen ein, die es ganz gern sehen, daß die Bundesrepublik dadurch eine gewisse Aufwertung erfährt, die in Paris anscheinend etwas Beunruhigung ausgelöst hat.

Gegen die sowjetische Politik

Alles in allem schwankt die Beurteilung des Erfolges der Erhard- Reise nach USA durch die politischen Kreise Bonns erheblich. Die weitestgehende Kritik wirft die Frage auf, ob es überhaupt sinnvoll gewesen sei, die Reise anzutreten. Die wohlwollenden Stimmen lauten dahin, zwischen Johnson und Erhard bestehe ein echtes freundschaftliches

Verhältnis, und deshalb sei es gut gewesen, daß die strittigen Fragen zwischen beiden erörtert worden seien. Mit Genugtuung wird verzeichnet, daß nochmals die Haltung der amerikanischen Regierung in der Deutschlandfrage bestätigt worden ist. Die Deutschen meinen, die Amerikaner müßten das nicht bloß dreimal, sondern unentwegt sagen. Aber sie haben jetzt noch einen besonderen Grund: Bemühungen des Ostblocks um eine europäische Sicherheitskonferenz. Moskau hat zwar versichert, es habe nichts dagegen, daß die USA daran beteiligt würden. Aber in Bonn läßt man nicht von dem Verdacht ab, daß die sowjetische Politik einen neuen, langausholenden Anlauf genommen hat, um die Amerikaner aus Europa hinauszumanövrieren, und Bonn wird daher alle Hebel in Bewegung setzen, um schon den Anfängen zu wehren, auch wenn dies nicht immer mit den Intentionen dieser oder jener amerikanischen Kreise übereinstimmen sollte.

Wie immer man am Ende die Begegnung Johnson-Erhard beurteilen mag, so viel ist sicher, daß man in Washington wie in Bonn weiß, daß man doch in vielen Fragen aufeinander angewiesen ist. Amerikanische Diplomaten wagten daher die Voraussage, gleichviel, wie Erhards Besuch in den USA ausgehen werde, ein Zerwürfnis zwischen Bonn und Washington werde keinesfalls die Folge sein. Ebensowenig besteht aber ein Zweifel darüber, daß der

Bundesregierung und der amerikanischen Regierung Wochen, vielleicht Monate angestrengter Verhandlungen bevorstehen, in denen der gute Wille und die Entschlossenheit zur Zusammenarbeit unter Umständen mehr als einmal auf ernste Proben gestellt sein werden. Die Möglichkeit eines länger ' anhaltenden Klimaeinbruchs ist daher nicht von der Hand zu weisen.

Innenpolitische Festigung

Die Amerikareise hat Erhard daher, alles in allem, nicht so viel eingetragen, daß seine innenpolitische Stellung dadurch gestärkt worden wäre. Wenn der Kanzler darauf gehofft haben sollte, dann müßte er mit einer gewissen Enttäuschung zurückgekehrt sein. Anderseits können ihm aber auch seine eingefleischten Gegner nicht worwerfen, er hätte sich nicht um Festigkeit gegenüber den Amerikanern bemüht. Freilich bleiben die großen weltpolitischen Fragen, an denen Bonn beteiligt ist, in der Schwebe, und niemand wagt daher heute vorherzusagen, wieweit sie einmal im deutschen Sinne gelöst werden.

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