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Religion für Sonntag vormittag

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Vom Caritasverband der Diöeese Passau erhielt die Katholische Nachrichtenagentur „Magyar Kurir“ in Budapest eine Vervielfältigungsmaschine und von der Caritas Internationalis zwei Schreibmaschinen. Von Zeit zu Zeit kommen Stoffe für Meßgewänder, liturgische Geräte und auch Bücher nach Ungarn. Die Behörden haben gegen diese Schenkungen nichts einzuwenden, denn sie sind ja bloß für den internen Gebrauch der Kirche bestimmt. Und „Magyar Kurir“ soll nur, so meinen sie, seine Nachrichten über Priesterernennungen und Erkrankungen, über Priesterweihen und Firmungen verbreiten, ja er darf sogar kirchliche Nachrichten aus dem Ausland übernehmen. Denn niemand liest sie, außer seinen geistlichen Abonnenten. Die Kirche verfügt über keine wirksamen Presseorgane, sie erteilt die Sakramente, aber sie kann keinen Rat geben, wie der katholische Ungar die täglichen Probleme des Lebens meistern soll. Die Kirche darf eine Institution für Sonntag vormittag sein, sie hat aber nach dem Willen der Kommunisten im Alltag, am Arbeitsplatz, am Zeitungsstand nichts zu suchen. Sie muß schweigen.

Einer der letzten noch bis zuletzt aktiven katholischen Publizisten in Ungarn, Hauptmitarbeiter der beiden noch bestehenden katholischen Zeitschriften, der Wochenschrift „Uj ember“ und der Monatsschrift „Vigilia“, Vid M i h e 1 i c s, wurde Anfang November verhaftet. Die beiden Zeitschriften werden, seitdem sie nach der Revolution im Sommer wieder zugelassen wurden, zensuriert. Ihre Auflagen wurden stark gedrosselt. Die katholische Buchproduktion in Ungarn beschränkt sich auf die Bibel und einige Bücher für den Religionsunterricht. In der Diözese Pees durfte im vergangenen Jahr ein Heft über Kardinal Newman in einigen tausend Exemplaren erscheinen. Niemand weiß, warum gerade dieses Werk erscheinen durfte und so viele andere nicht. Der staatliche Buchverlag hat vor kurzem von drei Ausländern und zwei Ungarn, Katholiken, je ein Buch herausgegeben. Diese sind: Heinrich Boll, „Wo warst Du, Adam?“, Graham Greene, „The Quiet American“ und Francois Mauriac, „Natterngezücht“. Die zwei Ungarn heißen Läszlö Passuth und György Rönay.

Aus dem Westen kommt so gut wie kein Presseerzeugnis nach Ungarn herein. Zeitschriften am wenigsten. Bleibt also der Rundfunk, vor allem Radio Vatikan und die deutschsprachigen katholischen Sendungen von BBC. (Ob die Leiter dieser Sendungen wissen, welche Funktion ihre Arbeit im Leben der ungarischen Katholiken erfüllt?)

Im Mai vergangenen Jahres kehrte der jetzt siebzig Jahre alte Erzbischof von Kalocsa, Jözsef G r ö s z, aus der Verbannung zurück, kurz, nachdem der Erzbischof von Eger, Gyula C z a p i k, gestorben war und seine Nachfolge im Vorsitz der Bischofskonferenzen zur Frage stand. Erzbischof Grösz gilt als Mensch von tiefer Humanität und sozialer Gesinnung. Er ist fest in seinen Entschlüssen, ist aber auch bereit, wenn es ihm richtig erscheint, ehrliche, tragbare Kompromisse zu schließen. Er wurde 1951 in einem großen Schauprozeß wegen angeblicher staatsfeindlicher Tätigkeit zu langjähriger Kerkerstrafe verurteilt. Seit seiner

Rückkehr lastet auf seinen Schultern die Verantwortung für Millionen von Katholiken in elf Diözesen. Als Vorsitzender der Bischofskonferenzen steht er heute an der Spitze eines Bischofskollegiums, dessen Mitglieder, mit einer Ausnahme, alle bereits über siebzig Jahre alt sind.

Der Stuhl des Erzbischofs von Eger steht heute leer. Auch für den verstorbenen Erzabt von Pannonhalma wurde noch kein Nachfolger gewählt. Der griechisch-unierte Diözesanbischof Miklös D u d ä s lebt seit einem Jahr in einem Schweizer Sanatorium für Tuberkulosekranke. Der Bischof von Vac, Jözsef P e t e r y, und der Bischof von Veszprem, Bertalan B a d a 1 i k, leben in der kleinen Ortschaft Hejce, nahe der tschechoslowakischen Grenze, in Verbannung, der erstere seit über vier Jahren, der zweite erst seit diesem Sommer, nachdem er sich geweigert hatte, die von der Regierung erzwungene Protesterklärung der Bischöfe gegen die Behandlung der Ungarnfrage vor den Vereinten Nationen mit zu unterzeichnen. Der Weihbischof von Szekesfehervär, Imre K i s b e r k, ist Pfarrer in einem Dorf, da er vor sechs Jahren den Eid auf die kommunistische Verfassung nicht leisten wollte. Sein Diözesanbischof, Lajos S h v o y, ist 78 Jahre alt und schwer krank. Er erlitt im September 1957 während einer Verhandlung mit Vertretern der Staatlichen Kirchenbehörde eine Herzattacke, von der er sich noch nicht

erholt hat. Schließlich befindet sich Kardinal Mindszenty seit über einem Jahr im Gebäude der amerikanischen Gesandtschaft in Budapest. So haben heute sechs Diözesen von den irisgesamt elf in Ungarn keinen Oberhirten. Die restlichen fünf, meist alten, kranken Bischöfe haben gegenüber den Mächtigen des Landes einen schweren Stand.

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Die Gewaltmaßnahmen der Regierung Kädär sind meistens aus ihrer defensiven Haltung heraus zu erklären und tragen durchweg den Charakter der Improvisation, was ihre Gefährlichkeit selbstverständlich nicht schmälert, sondern eher vergrößert. Im Sommer dieses Jahres wurde bekanntlich das Todesurteil gegen einen katholischen Priester gefällt, und es wurden 15 Budapester Seminaristen verhaftet, unter der Beschuldigung, daß sie päpstliche Rundschreiben, welche die ungarischen Ereignisse zum Gegenstand hattei, Verbreiteten. Sie wurden bis jjieute noch nicht vor Gericht gestellt.

Zu den neuen Methoden der ungarischen Polizei gehört das sogenannte „Einsammeln“. Vor kritischen Tagen, also vor Nationalfeiertagen oder etwa vor dem Jahrestag der Revolution, werden tausende Menschen, unter ihnen auch viele Priester, für einige Wochen eingesperrt. Es kommt auch vor, daß mit solchen Verhaftungen die Bischöfe unter Druck gesetzt werden sollen. Vor dem 15. März, der

früher in Ungarn als nationaler Feiertag galt, wurden im Bischofspalais von Veszprem alle Personen, mit Ausnahme des Bischofs selbst, für die Dauer einer Woche verhaftet, um den Bischof dazu zu bringen, daß er die Protesterklärung gegen die Behandlung der Ungarnfrage vor den Vereinten Nationen unterschreibe. Da dieser dazu trotzdem nicht bereit war, wurde er ebenfalls verhaftet und nach Hejce deportiert. Es kam in einigen Fällen auch vor, daß Pfarrer „eingesammelt“ wurden. Nach ihrer Freilassung fanden sie durch das Staatliche Kirchenamt eingesetzte „Administratoren“ in der Pfarrei, Priester, die während der Revolution wegen Zusammenarbeit mit den Kommunisten oder wegen gewöhnlicher Delikte suspendiert worden waren.

Die während der Revolution aus den Gefängnissen befreiten Priester wurden, die

Kranken und die Alten ausgenommen, seither wieder in die Gefängnisse eingeliefert. Eingekerkert wurden auch kirchliche Personen, die während der Revolution gegen den Kommunismus offen auftraten. Nach zuverläßlichen Schätzungen befinden sich heute in Ungarn etwa 100 bis 150 Priester und Ordensleute im Gefängnis. In diesem Sommer wurden*“ für Priester unteT anderem in der Diözese Szom-bathely Exerzitien abgehalten. Da mehr Priester zusammenkamen, als angemeldet waren, drang in der Nacht mit Maschinenpistolen und Gummiknüppeln bewaffnete Polizei in das Bischofspalais, die Priester wurden zusammengetrieben und mußten, in Nachtgewändern an der Wand stehend, die Beschimpfungen des Offiziers anhören.

Unter diesen Umständen mutet es seltsam

aus Galanta“ (1933). In jenen Jahren ging Bartök einen anderen Weg: ihn interessierte vor allem die gemeinsame Wurzel und die aus ihr resultierende Verwandtschaft der balkanischen Musikdialekte. Bartöks Forschungen gingen, während sich sein eigener Stil immer persönlicher und unerbittlicher gestaltete, gewissermaßen in die Breite, bis in die Türkei und nach Nordafrika. In seiner letzten Schaffensperiode suchte und fand Kodäly den Anschluß an das große musikalische Erbe des Westens und schrieb sein „Budapester Tedeum“ (1936), die Orchestetvariationen über „Der Pfau ist aufgeflogen“ (1939), das „Concerto“ (1939) und die „Missa brevis“ (1945).

Von der gleichen Bedeutung wie sein Schaffen als Komponist und Volksliedforscher wurde für Ungarn Kodälys musikpädagogische Tätigkeit. Er hat eine ganze Generation von Musikern herangebildet, schrieb Lehrbücher für Volksschulen und hat es nach dem zweiten Weltkrieg durchgesetzt, daß in den ungarischen Grundschulen Musik ebenso zum Lehrplan gehört, wie der Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen. Für die neugebildeten Schul- und Liebhaberchöre schrieb Kodäly eine große Zahl von Werken, die wie Volkslieder gesungen werden und mit denen sich der Kreis seiner für das eigene Land und die Welt so überaus segensreichen und anregenden Tätigkeit schließt. Heute lebt der 75jährige als Leiter der Staatlichen Musikhochschule in Budapest, verehrt von seinen Schülern und Freunden im In- und Ausland. Viele Künstler haben Anlaß, ihm für Hilfe in schwerster Zeit dankbar zu sein.

an, wenn offizielle Sprecher der Regierung, wie dies in einer Rede am 9. August Erziehungsminister Gyula K ä 11 a i tat, zum gegenseitigen Vertrauen zwischen Kommunisten und Nicht-kommunisten auffordern. Die katholische Wochenschrift „Uj ember“ griff den vom Minister vertretenen Gedanken der „ehrlichen freundschaftlichen Kritik“, zu der dieser die Nichtmarxisten aufforderte, auf und schrieb am 18. August, daß der Platz, wo solche Diskussionen begonnen werden könnten, nur ein nichtkommunistisches Presseorgan sein könnte. „Uj ember“ verfüge aber wöchentlich bloß über vier Seiten und die Auflagezahl sei zu gering. Auf diesen Artikel des „Uj ember“ kam niemals eine Antwort...

Ende Mai 1957 wurde nach langwierigen Verhandlungen ein Beschluß des Bischofskollegiums über die Teilnahme der Katholiken in der Friedensbewegung veröffentlicht. Der kryptokommunistische „Friedensausschuß katholischer Priester“ wurde gleichzeitig aufgelöst und ein neues Organ, „Opus pacis“, gegründet, dessen Vorsitz Erzbischof Grösz mit mehreren Bischöfen übernahm. Irt seiner Eröffnungsrede gab der Erzbischof den Wunsch der Bischöfe bekannt, „Opus pacis“ aus jeder politischen Diskussion herauszuhalten. Er wies ferner nachdrücklich auf den inneren Zusammenhang zwischen „Friede“ und „Gebet“ hin. Die neue Gründung wurde von vielen Katholiken begrüßt, weil man in ihr den ersten Anfang eines realpolitischen Kompromisses zwischen Kirche und Staat sah. Es schien so, als ob die Kommunisten die sogenannten Friedenspriester, die sich in den vergangenen Jahren als willenlose Werkzeuge der jeweiligen Politik des Kremls erwiesen und in ihren kirchlichen Schlüsselpositionen — als Generalvikare, bischöfliche Kanzleidirektoren — viel Schaden angerichtet haben, endlich fallen gelassen haben, um dafür mit dem ganzen Klerus zusammen für eine echte innere Befriedung zu arbeiten. Diese Hoffnungen erwiesen sich jedoch als trügerisch. „Opus pacis“ sollte nach Absicht der Kommunisten einfach ihrer Propaganda dienen. Anfang Dezember wurde schließlich einer der bekanntesten „Friedenspriester“, Titularabt Bela Mag, als geschäftsführender Direktor an die Spitze der Organisation gestellt. Die sogenannte Friedensbewegung erwies sich einmal mehr einfach als Handlangerin der kommunistischen Politik.

Die Lage der führenden sogenannten „Frie-denspriester“ ist nach wie vor ungeklärt. Sie wurden während der Revolution aus ihren gehobenen Stellungen entfernt. Der Heilige Stuhl bestätigte diese Veränderungen und stellte für jene, die dabei Widerstand leisten, Exkommunikation in Aussicht. Als die Regierung Kädär sich stark genug fühlte, setzte sie bei den Bischöfen durch, daß einige von den Friedenspriestern als „Kirchendirektoren“ neue Posten erhielten. Am 7. September verbot der Heilige Stuhl in einem neuerlichen Dekret dem ungarischen Klerus jede politische Betätigung. Die drei Friedenspriester, die Mitglieder des ungarischen Parlamentes sind, mußten ihr Mandat zurücklegen. Sie werden jedoch gegenwärtig von kommunistischer Seite gezwungen, ihr Mandat zu behalten, was ihre Exkommunizierung ipso facto nach sich zieht.

Obwohl Ministerpräsident Jänos Kädar in der Regierungserklärung vor einem Jahr betonte, daß Religionsausübung Privatsache sei, ist die Regierung seither offensichtlich bestrebt, die alte Ordnung, die völlige Abhängigkeit der Kirche vom Staat, wiederherzustellen. Der

Religionsunterricht wurde am Jahresanfang freigegeben, Ende März jedoch wieder von schikanösen Bedingungen abhängig gemacht. Das staatliche Kontrollorgan, das sogenannte Staatliche Kirchenamt, sieht es nicht gerne, wenn die Priester ihre seelsorgerischen Aufgaben ernst nehmen. Solche Priester werden versetzt, andernfalls entlassen. Viele Priester müssen jährlich ihr Tätigkeitsfeld wechseln. Aus diesen Gründen und weil immer weniger junge Menschen den Priesterberuf wählen, droht in Ungarn Priestermangel.

So muß die Kirche auch in Ungarn unter schweren Bedingungen ihren heiligen Auftrag unbeirrt zu erfüllen suchen.

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