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Religionsfreiheit in Jugoslawien?

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(Unter Benützung des Artikels „Liberta religiosa in Jugoslavia" von F. Cavalli S. J. in „La Civiltä Cattolica“, Heft 2447 vom 7. Juni 1952, Rom, p. 459—474. Zitate zwischen Anführungszeichen aus genanntem Artikel wörtlich übernommen, der übrige Text in sinngemäßer freier Übersetzung und Ergänzung. — Der Übersetzer.)

„Wie alle kommunistischen Regimes, bemüht sich auch das Jugoslawiens, den Klerus zu seinem aktiven Förderer auf politischem und sozialem Gebiet zu machen, indem es gleichzeitig darauf hinweist, daß, wenn er schon nicht selbst aktiv mitarbeiten wolle, so wenigstens passiv an der Verwirklichung der marxistischen Ideologie — zumindest auf religiösem und moralischem Gebiet — mitzuwirken habe." Selbst Marschall Tito macht aus dieser Tatsache kein Geheimnis, da er in einem Gespräch am 11. Mai dieses Jahres sehr offenherzig erklärte:

„Ich möchte unsere katholischen Priester darauf aufmerksam machen — es gibt unter ihnen sehr, sehr viele, die nichts als Rom sehen —, daß sie alle für uns (welche Stellung sie auch in der kirchlichen Hierarchie bekleiden mögen) nicht die Interessen des eigenen Volkes verteidigen und sich ihnen anschließen, und daher Agenten einer ausländischen Politik sind, deren Machinationen wir nicht dulden können. Ihr seht, Genossen und Genossinnen, daß auch die Kominform des Nordens ihre Agenten in unserem Hause vermehren möchte, wir aber nehmen sie fest; ebensowenig werden wir den Kominformisten aus Rom gestatten, Gleiches zu tun. Ich betone, daß jeder Bürger unseres Staates — welchen Beruf und welches Bekenntnis er auch haben möge —, vor allem die Pflicht hat, den Interessen seines Landes und seines Volkes zu dienen .. .1“

Noch weniger läßt eine Äußerung des Marschalls an Deutlichkeit zu wünschen übrig, die er Dezember 1949 zu einer Gruppe von slowenischen Priestern machte:

„Wir haben uns jetzt von Moskau freigemacht; warum haben Sie sich noch nicht von Rom getrennt?"

Und das Regime weiß, wo es die katholische Kirche, die „im Generalangriff gegen alle religiösen Bekenntnisse in Jugoslawien...“ die Ehre hat, „den Frontalangriff zu erleben“ (F. Cavalli), am empfindlichsten treffen kann: in ihren Schulen, Seminaren, Universitäten und katholisch-theologischen Fakultäten. Acht Seminare wurden vom Staat bereits konfisziert, eine größere Anzahl weiterer Seminare befindet sich bereits zum Teil in staatlicher Hand. Das Kleine Seminar von Zagreb muß ein Spital in seinen Mauern beherbergen, das Große das jugoslawische „Rote Kreuz", im Großen Seminar von Laibach wohnen Familien, in dem von Spalato (Split) hat sich ein Militärlazarett einquartiert...

Ein übriges zu alledem tut die Presse, die sich immer wieder bemüht, die Seminare und Fakultäten zu „Zentren subversiver Bewegungen gegen die Absichten der Volksregierung" zu erklären und eine „fortschrittliche Erziehung für die Alumnen“ zu fordern. „Bisher wurden die jungen Menschen ... von 5er Kirche gesammelt und in einer außerordentlich großen Zahl Kleiner Seminare herangebildet, um sie den Einflüssen der Staatsschule zu entziehen. Heute jedoch müssen sie bis zu einem Alter von fünfzehn Jahren die Staatsschule besuchen (das ist bis zur vierten Mittelschulklasse)... Und hier erhebt sich eine furchtbare Frage für die Bildung neuer Priestergenerationen: wie viele dieser jungen Menschen werden der harten und täglichen Prüfung standhalten und zu ihrer Zeit den Weg zu den Seminaren finden ...?"

Dieselbe wirtschaftliche und moralische Notlage trifft auch den Klerus selbst. Die Regierung entfernt — von der Presse machtvoll unterstützt — nicht genehme Geistliche ohne jede Begründung (so etwa den Bischof von Skoplje, Msgr. F. Cekada), sie verurteilt etwa den bischöflichen Sekretär F. Mervec, dem zur Last gelegt wird, Rosenkränze und Heiligenbilder verkauft zu haben, was ihm drei Monate Gefängnis und beiden Geistlichen 50.000 Dinar Geldstrafe einbringt. „Slovenski Porocevalec“ vom 5. Oktober 1951 schreibt unter anderem: „...der Kurat Veselic von Marcovci... machte seinen Einfluß auf Tumverein- und Leichenbestattungsmitglieder ged-

tend; eine zwar lächerliche Anschuldigung, die ihm aber fünf Jahre Kerker eintrug ... Der slowenische Pfarrer von Brezice, Franz Klasine, der 1941 großmütig das Schicksal seiner nach Deutschland deportierten Gläubigen geteilt hatte, wurde samt seinem Kaplan im Oktober 1951 ,auf Volkswillen' aus seiner eigenen Pfarre verjagt...!"

„Prozessionen sind verboten ... Die so beliebten Pilger- und Wallfahrten ... sind auch heute noch nicht vor ungerechten und unangenehmen Maßnahmen sicher." So wurden „während des vergangenen Winters mehrere Priester zu fünf- bis zehntausend Dinar Strafe verurteilt, weil sie die Glocken geläutet und die Gläubigen zur Messe gerufen hatten und sie dadurch an ihrer Arbeit hinderten oder zu hindern suchten'.“ — Ein wilder Vandalismus zerstört in den Heimen Kruzifixe, Heiligenbilder und religiöse Zeichen, „wie sie in einem christlichen Lande verbreitet sind..."

Hinc sanguis incipit — hier beginnt die Leidensgeschichte des katholischen Jugoslawien. „Kaum war der Krieg beendet, als Hunderte von Priestern in einem furchtbaren Blutbad niedergemacht wurden, während man andere ohne die Spur eines Prozeßverfahrens verschwinden ließ..." 378 „Verschwundene", mehr als 200 im Gefängnis, oft keinerlei gesetzliches Verfahren, in anderen Fällen mit dreijährig und längerer „Verspätung". Bewaffnete Übergriffe, eine „wissende" und deshalb schweigende Polizei ... „In Bizelisko überfiel eine Bande Jugendlicher den 60jährigen Pfarrer ... Wohl intervenierte die Polizei, doch nur, um am folgenden Tag erklären zu können, daß ,der überfallene' als Feind der neuen Sozialordnung den gerechten Unwillen jener Menschen zu spüren bekommen habe, die an ihrer Verwirklichung arbeiten...!" Wie schrieb die „Borba" vom 22. Jänner dieses Jahres über die Gewaltmethoden Bulgariens gegen jugoslawische Staatsbürger, die der Spionage beschuldigt wurden? Die Methoden der Polizei seien „schrecklicher als jene zur Zeit der Inquisition und des finstersten Mittelalters" gewesen ... Und am Morgen des 20. Jänner überschütteten Attentäter Msgr. Vovk mit Benzin und zündeten die Kleider an! Nur der Geistesgegen wart, sofort die Überkleider abzuwerfen, verdankte der Monsignore sein Leben. Das Hafturteil auf zehn Tage erhielt für den Täter den Zusatz, er habe „unter dem gerechtfertigten Impuls des Aufruhrs gegen den reaktionären Klerus, den Volksfeind, gehandelt..."!

Auch der Erzbischof von Zagreb und Primas von Kroatien, Msgr. Ludwig S t e p i n ą c, sei hier nicht vergessen, denn selbst die gemilderte Behandlung kann das Unredit wider ihn nicht ungeschehen machen. Trotz Titos Äußerung, der Erzbischof sei „ein Verräter und Verbrecher gewesen und müsse daher noch sühnen", ist und bleibt „die Geste beschränkter Milde für den unschuldig Verurteilten keine Gerechtigkeit!“ (F. Cavalli 1. c.)4:

Vergessen sei hier auch nicht das Los des katholischen Volkes Jugoslawiens selbst. Es war immer dasselbe wie das seiner Priester; Studenten, die die Kirche besuchen, riskieren Prüfungsverweage- rung und Hochschulverweis — wie deren zweiunddreißig zu Maribor (Marburg) im März dieses Jahres! Für Staatsbeamte ist es so gut wie unmöglich, den religiösen Pflichten nachzukommen. — „Ein Soldat geht nicht in die Kirche", ist die Parole für das Heer.

„Das kommunistische Regime hat nicht nur das Gewicht seiner Ideen, sondern auch die Kräfte, über die der Staat verfügt, um sie in den Kampf zu werfen, jener Staat, dessen tyrannischer Herr es ist. Verwaltung, Schule, Presse, Radio, Justiz. Heer, Unternehmungen ..., sie alle müssen ihm als Waffen zur Verfügung stehen, wie sie seinem Gegner vollkommen untersagt sind..."! Sie mögen es hinausposaunen, daß die Kirche in Jugoslawien frei, absolut -frei sei; Marschall Tito möge in seinem Gespräch mit De Gasperi am 11. Mai dieses Jahres die katholische Kirche und den Vatikan als „die wahren Urheber der Zwistigkeiten" bezeichnen, die „einen allgemeinen Kampf gegen Jugoslawien entfachen" wollen; die Blutzeugen und Bekenner, die überfüllten Gefängnisse, die Landes verwiesenen, Verfolgten und „Verschwundenen , vom Gläubigen bis zum Erzbischof, reden eine zu deutliche Sprache, alle jene Gewalttaten, die „seit nunmehr sieben Jahren im kommunistischen Jugoslawien gegen die geheiligte Freiheit des Menschen und des Christen losgelassen werden“.

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