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REVUE IM AUSLAND

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In der englischen Zeitschrift „T h e Listener“ (Nr. 993 vom 5. Februar) versucht Clifton Utley unter dem Titel „Eine Revolution im amerikanischen Denke n“, dem europäischen Publikum die Einstellung der amerikanischen Öffentlichkeit zum Marshall-Plan zu erklären. Vor den beiden Kongreßkomitees hätten sich in den letzten Wodien sowohl die Vertreter der Urfternehmer (der „National Association of Manufacturers“ N.A.M.) wie die beiden Gewerkschafts- v.erbände (der A.F.L. und des C.I.O.), der Amerikanischen Legion, der Veteranen, der Farmer und anderer Organisationen, kurz, die Vertreter der überwiegenden Mehrheit des amerikanischen Volkes für den Plan ausgesprochen. Warum dann dies endlosen Diskussionen?

,,Die erste Antwort ist, glaube ich, die, daß der Marshall-Plan tatsächlich eine Revolution in unserem amerikanischen Leben darstellt. Ich meine damit nicht die betreffenden Summen, obwohl sie gewiß nicht unbeträchtlich sind. Was revolutionär und ein so vollständiger Brudi mit unserer Vergangenheit ist, ist die Tatsache, daß wir -ans in Friedenszeiten ganz wohlüberlegt dazu entschließen, dauernden Anteil an europäischen und Welt- angeiegenheiren zu nehmen. Der Marshall- plan im technischen Sinn wird nur durch vier Jahr in Kraft sein, aber die Entscheidung, die wir treffen, ist unwiderruflich. Sie mögen einwenden, daß uns Amerikanern nichts anderes übrigbleibt, daß Tatsadien und Ereignisse uns zu dieser Entscheidung zwingen. Einverstanden. Und doch, wenn ein Entsdiluß gefaßt werden soll, der, gemessen an unserer Vergangenheit, so revolutionär ist, ist es vielleicht natürlich, daß wir uns gründlich darüber aussprechen. Die fort und fort dauernde Diskussion, die ihnen oft ab eine endlose Wiederholung des Selbstverständlichen erscheinen mag, ist vor allem Erwachsenenerziehung unseres Volkes und vom Standpunkt unserer Politiker, der Kongreßmitglieder und Senatoren, eine Art von Versicherung. Die Kongreßmitglieder wissen, daß die Führer von fast allen unseren nationalen Organisationen, die vor den Kongreßkomitees aussagten, von der Notwendigkeit des Marshall-Plan es überzeugt sind. Sie wissen auch, daß gegen die verschiedenen Führungen von seiten der Mitgliederschaft keine sichtbare Auflehnung zu erkennen ist. Doch sind die Kongreßmitglieder keineswegs überzeugt davon, daß dieser Anschein von schweigender Zustimmung des Volkes auf tatsächlichem Verständnis beruht. Sie fürchten, daß, wenn sie den Marshall-Plan annehmen, ohne daß dieses Massenvemändnis erreicht ist, dies später ernste politische Konsequenzen haben könnte.“

Außerdem versuchten isolationistisch eingestellte Politiker, die den Plan zwar nicht direkt anzugreifen wagten — führt Clifton Utley weiterhin aus —, der Annahme immer wieder Hindernisse in den Weg zu legen. Nachdem der in diesem kalten Winter angesichts der hohen Ölpreise gemachte Vorschlag, den Export von Heizöl im Rahmen des Marshill-Planes zu verhindern, abgelehnt worden sei, hätten die Gegner des Planes die Kürzung der Summe mit dem Hinweis auf die Gefahr einer inneramerikanischen Inflation angestrebt. Doch habe der Plan seine stärkste Stützung durch die Nachricht von Bevins Vorschlag einer westeuropäischen Union erhalten, einmal wegen der trad’tio- nellen Vorliebe der Amerikaner für die Idee der Union, dann aber als ein Anzeichen für den Willen der Europäer, sich selbst zu helfen.

In der eben an uns gelangten Järiner- mmimer 157 der indischen Zeitschrift „The New Review“ behandelt G. Bandyo. padhyay eine für das nun freie indische Staatswesen lebenswichtige Frage: „D a s Verhalten der öffentlichen Beamte n“. Die neue Freiheit erfordere eine grundlegend neue Einstellung zum öffentlichen Dienst. Dabei müsse man folgende, der britischen Verwaltung eigene Tugenden — deren Wesen eingehend untersucht und an praktischen Beispielen erläutert wird — in die indische Bürokratie übernehmen: Pünktlich, keit — angesichts des mangelnden indischen Zeitgefühls vielleicht das schwierigste, doch zugleich wichtigste Problem, Pflichtbewußtsein, das Bewußtsein, ein Diener des Volkes zu sein und zugleich die Einsicht in die Würde jeder, auch der geringsten Arbeit im öffentlichen Dienst. Der Verfasser sagt:

„Da ich zuerst und vor allem Inder bin, habe ich keine Absicht, Indiens Sache und Indiens Ansehen zu schmälern, aber ich würde bewußt meinem Land einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich, der ich gewisse Fehler und Mängel unseres Nationaldurakters kenne, nicht versuchen würde, sie meinen Landsleuten in ihrer wahren Perspektive zu zeigen, besonders in diesen schicksalhaften Tagen- des Oberganges... Klimatisch ist Indien sehr verschieden von europäischen Ländern. In der Nähe des Äquators gelegen, ist es ein heißes Land, und ein heißes Land hat meist eine Atmosphäre von Lethargie, Indolenz und

Müßiggang. Aber wenn wir in einer neuen Ordnung mit den Strötaungen der Welt Schritt halten wollen, wenn wir wollen, daß unsere Existenz als eine große Nation mit dem reichen Erbe einer glorreichen- Vergant genheit in der Welt anerkannt whd, dann müssen wir alle Lethargie, Indolenz und Müßiggang abshütteln und uns einem Geist des Pragmatismus zu wenden, der Wunder wirken wird. Um den größten Weisen des modernen Indiens, Swami Vivekananda, zu zitieren: .Arbeit und Gottesdienst sollen Zusammengehen ‘...“

Unter dem Titel „D ie verzweifelte Botschaft von Jean-Paul Sartre“ setzt sich D. Mondrone S. J. in der „C i v i 11 ä C a 11 o 1 i c a“ vom 7. Februar mit den literarischen Werken des Wortführers des französischen „Existentialismus“ auseinander, die in Italien einen noch viel stärkeren Widerhall fänden als in Frankreich selbst. Allerdings führte die Sympathie für diese Werke fast nie zu einer Nachahmung seiner nur ihm eigenen Technik, da ein solcher Versuch unweigerlich in die Nähe des Plagiats führen würde.

Diese literarischen Werke aber seien nichts anderes als das „Kleingeld“, in das Sartre seine philosophischen Ideen für ein breiteres Publikum ummünze. Der konsequente Atheismus der Sartreschen Philosophie wirke sich auch in diesen literarischen Werken aus, die dem Menschen keinen Ausweg und keine Lösung bieten. So sei auch die Freiheit Sartres keine Schwinge, mit der sich der Mensch "emporhebt, sondern eine Verurteilung.

„Für Sartre sind alle Versuche — legt der Autor dar —, einen Ausweg zu finden, nur Träume, die in übler Absicht konstruiert wurden, damit der Mensch sich selbst betrügen könne: Er geht aber nur von Zusammenbruch zu Zusammenbruch, bis er zum lerzten, zum Tod kommt, jenseits dessen nur das Nichts ist, das wahre Ziel, nach dem das Sein strebt, Orest nennt seine errungene Freiheit eine .wertvolle Last', ein Gewicht, unter dem er gebückt einhergeht. Da er von einem zerstörenden Bewußtsein ausgegangen ist, kommt er schließlich — und es konnte nicht anders sein — zur Erringung einer Freiheit, die zum Zusammenbruch führt.“

Wie in der Philosophie, so führt auch in den literarischen Werken Sartres die athe-

istische Ausgangsposition durch unendliche Greuel schließlich zur Verzweiflung und ins Nichts.

„Und Sartre vertritt damit den letzten Akt der Tragödie einer ganzen Epoche einer progressiven Abirrung des Denkens, einer Auflösung des Gewissens und einer verzweifelten Vergötzung des Absurden. Wenn man den Glauben und das Licht, das sich über das Geheimnis des Menschen und des Weltalls ausbreitet, über Bord wirft, dann hält man alle

Glühwürmchen für Laternen, dann werden alle Spitzfindigkeiten annehmbar, alle Torheiten, die mit erlesenen, doch leeren Haarspaltereien zubereitet sind, erscheinen als Blitze der Wahrheit. Im Grunde wiederholt Jean-Paul Sartre nur die tragische Erfahrung Adams: an das verführerische

Wort der Schlange zu glauben, daß sich der Mensch auf einem anderen, ja entgegengesetzten Weg vergöttlichen kann als auf dem von Gott vorgezeidine'.en."

Die von den Oxforder Germanisten her- eusgegebene Zeitschrift „The Gate, International Review of Literature and Art in English and German“ (I, Nr. 4) bringt eine Novelle des österreichischen Dichters Franz Nabl, „Der Vogel Tscheap“, und im Anschluß daran eine eingehende Würdigung dieses „Stillen im Lande", der heute als Drei-

undsehzigjähriger in Graz lebt, durch Erwin Ackerknecht. Nach einer eingehenden Analyse der beiden großen Romane Nabls „Der Ödhof“ und „Die Ortliebschen Frauen“, geht Ackerknecht auf den naheliegenden Vergleich mit Stifter ein, dgr wohl auch gefährlich sei, da er der dramatischen wie der humoristischen Seite des zeitgenössischen Dichters nicht gerecht werde. Wohl aber zeigten seine Werke — und hier gerade auch

„Der Vogel Tscheap" — das innige an Stifter gemahnende Verhältnis zur „Welt des Bildes“, zur Natur in Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt.

„Und mit der Erkenntnis dieses Verwofeen- seins haben wir schließlich in der Tat die tiefste Wurzel seiner Weltinnigkeit, seiner Weltfrömmigkeit erfaßt. Mit ihr reicht er in jene geheimnisvollen Gründe aller wirklichen Schöpferkraft im Gesamtgebiet menschlichen Kunstschaffens hinab. Für eine Lebensleistung, die in ihr verwurzelt ist und die zugleich die ihr gemäßen Ausdrucksmittel beherrscht, braucht uns nicht bange zu sein. Sie wird die Köpfe und Herzen finden, die aus ihr Lebenshilfen verschiedener Art, Erbauung und Vertiefung ihrer Menschenbeurteilung, Trost und guten Mut gewinnen können.“

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