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REVUE IM AUSLAND

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„Wie die Achse geschmiedet wurde“ („Soundings“, Februar 1949). Unter diesem Titel betrachtet Douglas Woodruff die nunmehr edierten C i a n o-T agebücher der Jahre 1937/38

— jene der Jahre 1939 bis 1943 wurden bereits früher herausgegeben —, die ergänzt werden durch Cianos diplomatische Akten, die, aus deutschen Archiven stammend, nunmehr ebenfalls in London erschienen. Die hier aufgedeckten Tatsachen sind auch für Österreich von Interesse. Die Anbahnung der deutsch-italienischen Freundschaft nach dem Abessinienkonflikt ging viel langsamer und schwieriger, als vermutet wurde, vor sich. Das Haupthindernis waren: Österreich seine Überzeugung fest, „daß, wenn italienische Truppen Österreich zum Schutz der österreichischen Unabhängigkeit betreten würden, dann alle Österreicher, alle, mit den Deutschen gegen Italien gehen würden“.

— Im Oktober 1937 hatte bereits Mussolini Dr. Schuschnigg seine Unzufriedenheit wegen seiner allzu freundlichen Haltung gegenüber England und Frankreich zu verstehen gegeben, zudem hatte sich Franco bei ihm darüber beklagt, daß Österreich ihn nicht unterstütze. Franco selbst wird von Ciano anläßlich eines Besuches in Madrid, Juli 1939, als „ein einfacher, kluger Mann“ geschildert, der sehr kühl und sorgfältig seihe Überlegungen anstellt und nur die zunächst liegenden Dinge behandelt wissen will. Bei der Zusammenkunft Franco- Mussolini im Februar 1941 in Bordighera wiederholte Franco seine Bedingungen für einen Kriegseintritt Spaniens an der Seite der Achse: Deutschland müsse die Garantie für die gesamte Lebensmittelversorgung Spaniens auf Jahre hinaus übernehmen. Das war unannehmbar. Ende 1941 erklärt Göring: Aus Mangel an Lebensmitteln seien die russischen Kriegsgefangenen in den deutschen Lagern gezwungen, sich selbst aufzuessen und „was ernster ist, sie haben sogar einen deutschen Posten aufgegessen“. — In der Folgezeit gelang es den klugen Spaniern, sowohl Mussolini als auch Hitler solange hinzuhalten, bis es für beide zu spät war...

Der führende Artikel der Pariser Wochenzeitschrift „O e d i p e“ (11. Februar 1949) befaßt sich mit der „Forderung der Stunde“: „Nur dieAllianzderMacht und des Geistes wird den Herrschaftswillen der Sowjets zurückdämmen können.“ Dies sei die Aufgabe Europas in der gegenwärtigen Situation: im ewigen Kampf der Freiheit gegen die Diktatur müsse sich heute dier europäische Geistigkeit mit der Macht Amerikas verbünden und den Sowjets fest entgegentreten. Der Krawtschenko-Prozeß in Paris zeige, wie weit sich die Sowjets bereits vorwaigten. Im Herzen Europas unternehmen sie es, mit nach ihrer Methode abgeri:h- teten Zeugen und Justizverfahren aufzu- marechieren. — Wenn Europa Amerika nichts anderes als Bündnisgabe, anzubieten habe als seine Schwäche, dann sei es selbst schuld an seinem Untergang.

Der Leitartikel von R a z 6 n y Fe („Madrid“, Nr. 611, Jahrgang 34) befaßt sich mit den Beziehungen zwischen Spanien und Südamerika. Spanien hat vor kurzem ein Abkommen mit Argentinien abgeschlossen, das der Förderung der spanischen Einwanderung in Argentinien dienen soll. Dieses Abkommen wird begrüßt, es wird damit eine große Tradition ruhmvoll fortgesetzt. Wichtiger aber erscheint unserem Leitartikler noch etwas anderes: die Verbreitung des spanischen kulturellen und geistigen Einflusses in Südamerika. Spaniens politische Weltmacht und Weltgeltung war auf eine kurze Sternstunde seiner Geschichte beschränkt. Heute könne Spanien sich in einer Welt, die in ihren Grundfesten erbebt, nur Ansehen verschaffen durch ein unbeirrbares Festhalten an den ewigen geistigen Werten. Wichtiger noch als die Einwanderung der Körper sei deshalb die Einwanderung des Geistes, des ewigen spanischen christlich-humanistischen

Geistes, in Südamerika. Während, wie der Autor klagt, Millionen Gelder für andere propagandistische Aktionen verausgabt werden, wird das spanische Buch im Ausland noch viel zu wenig gefördert — es gilt nicht als gängige Handelsware. Zudem hätten, so wird entschuldigend erklärt, die ausländischen Buchhändler nicht genügend Dollar... Unterdessen erlebe aber Südamerika eine Invasion kommunistischer, antichristlicher und spanienfeihdlicher Bücher. — Die Entfaltung eines gegen diese innere Vengiftung gefeiten, seelisch gesunden Klimas sei nur möglich durch einen regen kulturellen Austausch geistiger Güter. In diesem Sinne seien ehestens alle Maßnahmen zu ergreifen, die der Förderung des spanischen Buches in Südamerika dienlich sein können. Auf diese Weise vermöge Spanien einen wichtigen Beitrag zur sittlichen Festigung der Welt zu leisten.

Nahezu ohne eigenen Kommentar gibt Robert d’H a r c o u r t (im Februarheft der „Etüde s“) einen erschütternden Bericht über die junge Generation in Deutschiah d, der sich auf persönliche Erfahrungen — Gespräche und Briefwechsel mit jungen Deutschen — stützt und dokumentarischen Charakter besitzt. „Verwirrung und Entmutigung, diese beiden Worte charakterisieren vielleicht am besten den seelischen Zustand des jungen Deutschen von heute. Er lebt im Klima der Verbitterung. Verbitterung gegen die Besatzungsmacht, Verbitterung gegen jene seiner Mitbürger, die einen Modus vivendi mit dem Sieger suchen und sich eine Zusammenarbeit in den Kopf gesetzt haben, deren Unmöglichkeit jeder Tag aufs neue beweise." „Sie wollen uns ausrotten.“ Das ist die feste Überzeugung dieser jungen Deutschen! „Deutschland wird systematisch ausgeplün— dert. Das deutsche Volk ist ein Volk ohne Zukunft.“

Angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen, politischen und moralischen Zerrüttung erscheint die Vergangenheit „in immer rosige, rem Lichte“. Sehnsucht nach der Diktatur — und nach Waffen. — In einem baldigen Krieg wird es wenigstens für die Heere entlassener Offiziere, Soldaten und mittelloser Studenten Beschäftigung, Ordnung, ein geregeltes Leben geben: Im Sold der (West-) Alliierten. Von den Besatzungsmachten sind am verhaßtesten die Russen, dann aber kommen gleich die Franzosen, „deren Besatzung von der Bevölkerung als sehr bedrückend empfunden wird“. Frankreich werden „destruktive Pläne ®u Deutschlands Unschädlichmachung“ vorgeworfen.

Der Haß gegen die Okkupanten wendet ich aber schnell auch gegen die eigenen Mitbürger. Ungeheure „seelische Verwüstungen“ werden hier offenbar. Während bei der Generation unter 35 Jahren Verzweiflung, Bitterkeit und eschatologische Strömungen vorherrschen, erscheint jene über 35 durch die Jagd nach der Futterkrippe, durch bedenkenloses Sichverkaufen an den jeweiligen Machthaber, durch Zynismus und Skeptizismus charakterisiert. — Die geistigen Interessen dieser Generationen? Am gesuchtesten sind Abenteuer- und Detektivromane, das politische Werk hat keinen Erfolg. Die Jugend zumal sucht das „Leichte“t im Kino, in der Literatur; „sie sucht nicht eine Nahrung, sondern eine Ausflucht". Von ernsteren Werken werden noch am ehesten gehaltvolle Reises childerumgen verlangt. — D’Harcourt schließt seinen Überblick mit einigen Bemerkungen über die christliche Jugend. Diese steht oft in Gefahr, einem eschatologischen Pessismimus zu verfallen. „Sie lebt in der Familiarität des Abgrundes.“

Ein junger Student schreibt: „Diese Welt zerfällt. Der Westen befindet sich in Agonie. Auf dieser Erde gibt es für mich keine

Hoffnungen mehr." — Was für jeine gewaltige Aufgabe stellt diese Jugend ihren Erziehern! D’Harcourt zögert nicht, diesen „unermüdlichen Arbeitern eines besseren Deutschland von morgen" seine Bewunderung auszusprechen, er schließt mit den Worten eines derselben: „Man muß diese Jungen bei der Hand nehmen und sie sanft, liebend und geduldig in das Aufgabenfeld jedes Tages führen und ihnen dergestalt den Lebensmut und das Vertrauen in die eigene Jugend wiedergeben..."

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