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Bevölkerungswachstum und Kirche

Die französische Wochenschrift „Ti-moignage Chrftien“ enthält in ihrer Nummer vom 17. Juni (258) einen Artikel Von Georges Naidenoff „Die Bevölkerungsbewegung wirkt gegen die Kirche“, der eine sehr ernste Mahnung enthält.

„Pater Pierre Charles, der große belgische Missiologe, ein kluger und ideenreicher Statistiker, hat eine Entdeckung gemacht, die uns für immer ernüchtern muß. Er hat folgende kleine Rechnung aufgestelLt: es hat 19 Jahrhunderte gebraucht, um der Welt 400 Millionen Katholiken, sagen wir 405 Millionen, zu geben. Aber es haben 19 Jahre genügt, in denen vor unseren Augen die Bevölkerung der Welt um 400 Millionen Nichtchristen zugenommen hat. Tatsächlich ist die Bevölkerung des Erdballs in 19 Jahren um 500 Millionen gewachsen. In 19 Jahren hat sich die soziale Biologie, der Lebenstrieb der Menschheit — wenn ich mich so ousdrücken darf —, gegen die christliche Welt gerichtet. Das Mißverhältnis zwischen denjenigen, die der Kirche angehören, und denen, die ihr nicht angeboren, nimmt tatsächlich von Jahr zu Jahr zu. Gewiß sind auch religiöse Völker, wie Holland, Spanien, Kanada und andere, noch sehr kinderreich. Aber zum Ausgleich dafür betreiben als christlich geltende Völker, wie England, Frankreich und Skandinavien, die Geburtenkontrolle und den Kindermord in solchem Maßstalj, daß der Gesamtzuwachs der Christenheit gering ist. Wir freuen uns mit Recht über die bemerkenswerte Verbesserung der Geburtenstatistik in Frankreich. Wir freuen uns darüber um so mehr, als diese Fruchtbarkeit vor allem in den christlichen Familien zu finden ist und eine sozusagen biologische Wiedergeburt des christlichen Frankreich verspricht. Doch warum müssen wir in den Perspektiven, unter denen wir das Problem betrachten, eine neue Enttäuschung bereiten? Betrachten wir einige nichtchristliche Länder.

Indien hatte 1941 389 Millionen Einwohner, 1947 432 Millionen. Seine Bevölkerung hat also trotz einer furchtbaren Hungersnot, die 3 Millionen Menschen getötet hat, in weniger als zehn Jahren um 40 Millionen Einwohner zugenommen, das heißt um die Gesamtheit der Bevölkerung von Frankreich. Ohne bis nach Indien zu gehen, betrachten wir ein Territorium, das einen integrierenden Bestandteil der Union franęaise bildet: Nordafrika. Im Jahne 1920; 11,300.000, 1930: 13.200.000, 1940: 16,500.000; 1950 wird die Zahl 21,000.000 betragen. In diesem Tempo wachsend, wird Ftanzösisch-Nordafrika fast sicher 1960 2£ Millionen Einwohner zählen und 1980 wahrscheinlich 40 Millionen (ebensoviel wie Frankreich selbst).

Diese Ziffern erfüllen uns mit Melancholie. Einige werden sich trösten: ,Aber das ist uns au verdanken, unserem Frieden, unserer Hygiene, daß die nordafrikanische Bevölkerung so wunderbar zu wachsen vermochte.’ Man muß aber doch fest9cellen, daß dieselbe Hygiene, derselbe Frieden, die auf die Bevölkerung von Nordafrika so glückliche Wirkungen ausgeübt hat, keine auf die Bevölkerung des Mutterlandes auszuüben vermochte, wo der Lebensstandard so eindeutig höher ist und die wirtschaftlichen Möglichkeiten, selbst unter den Ärmsten, unendlich günstiger sind als bei den Arabern.“ Der Verfasser schließt seinen düsteren Überblick mit der Feststellung, daß von dem jährlichen Geburtenüberschuß von zwanzig Millionen die gesamte Christenheit höchstens ein Viertel beanspruchen kann und daß in den Ländern mit dem großen Bevölkerungszuwachs, die zugleich die gegebenen Missionsländer wären, die christlichen Minderheiten nicht im gleichen Maßstab der Gesamtbevölkerung zunehmen.

Grundsätzliches um die Bodenreform

„Orientamenti Social i“, die Halbmonatsschrift des „Istituto Cattolico di Attivita Sociale“ in Rom, bringt einen Artikel von Attilio Parlagreco über „Die Diskussion um die Agrarreform“, welche die Haltung der verschiedenen Gruppen und Parteien zur geplanten Agrarreform aufzeigt. Zunächst wird der Widerstand des Großgrundbesitzes geschildert, der mit dem Hinweis auf die Erschütterung des Eigentumsbegriffes, die technisch-finanziellen Schwierigkeiten, die Möglichkeiten einer Lösung des Problems durch das freie Spiel der Wirtschaftskräfte und durch die Beschränkung auf einige besonders zurückgebliebene Gebiete die ganze Reform abzubiegen sucht. Ihnen stehen als Anhänger der Reform die Verbände der den Boden selbst bewirtschaftenden Eigentümer, die katholischen und die freien Landarbeitergewerkschaften gegenüber.

„Die Haftung der politischen Parteien. — Die historischen Republikaner: Sie sind für die Agrarreform, soweit diese der Bildung eines Bauernbesitzes Antrieb verleiht, der nach der Lehre Mazzinis das .Optimum’ darstellt, da er die Verbindung von Kapital und Arbeit in einer Hand ermöglicht. Sie sind für eine auf den verbundenen Kriterien des Ertrages und der Oberfläche beruhende Begrenzung.

Die Sozialistische Arbeiterpartei (Saragut): Sie sind nach den bisher in der ,Umanitä’ erschienenen Bemerkungen schwankend. Sie erklären sich als Gegner der Bildung eines bäuerlichen Besitzes und schlagen kollektive Formen der Betriebsführung vor, wie zum Beispiel Pflichtkonsortien der Betriebsführung bei den neu zu schaffenden Landeigentümern ..

Die Sozialkommunisten sind für eine absolute Höchstgrenze des privaten Grundbesitzes und für die Überlassung des ganzen darüber hinausgehenden Bodens an die Arbeiter, die dessen Bewirtschaftung einzeln oder gemeinschaftlich übernehmen sollen.

Der Artikel führt dann auch noch die Meinung technischer Fachleute an und betont, daß die Ertragssteigerung, so sehr sie erhofft wird, nicht das einzige oder wichtigste Kriterium der geplanten Reform darstellt, sondern daß der soziale Aspekt im Vordergrund steht. Die „Schaffung eines soliden und koordinierten bäuerlichen Besitzes“ ist das eigentliche Ziel. So vertreten die Verbände des kleinen Grundbesitzes, der christlichen und der freien Landarbeitergewerkschaften die tatsächlichen Ansprüche der italienischen Landbevölkerung.

„Sie bewegen sich auf einer Linie des per- sonalistischen Fortschrittes, soweit sie diese Ansprüche vertreten, und wollen die Reform vorantreiben und begleiten durch die Schaffung von solidem und ertragsreichem kleinem und mittlerem Landbesitz, der auf der tatsächlichen Würde und Freiheit der menschlichen Person beruht, versichert und gewährleistet durch die ökonomisch-soziale Autonomie. Zwischen diesen Betrieben muß der Geist einer ländlichen Gemeinschaft herrschen, der die Zusammenarbeit verlangt und moralisch erzwingt, nicht aber der einebnende Kollektivismus, der die Persönlichkeit des gottgeschaffenen Menschen selbst erstickt.“

Einsatz und Familie

„M asses ouvriere s“, die Monatsschrift der französischen Arbeitermission, bringt eine Artikelserie von G. Pierre- Puysegur S. J. über „D i e menschliche und geistige Ausgeglichenheit der Familie“, in deren Rahmen im Juniheft die Wirkung des „en- gagement“ (des sozialen und politischen Einr Satzes) auf das Gleichgewicht der Familie untersucht wird. Der Verfasser erzählt dabei unter anderem den Fall eines Ehepaares, da zehn Jahre miteinander verheiratet war, sich doch, obwohl sie ihre gesamte Freizeit miteinander verbrachten, irgendwie fremd blieb und die richtige Einheit erst fand, als sich beide in der christlichen Arbeiterbewegung einsetzten, obwohl sie jetzt viel weniger Zeit füreinander hatten.

„Aber icbi kenne auch — leider — diese kommunistische und jenes christliche Heim, dessen Gleichgewicht durch den Einsatz gestört.

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