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ROBERT SCHUMAN / ABSCHIED VON EINEM GROSSEN FREUND

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Wollten die Römer einen ihrer Staatsmänner besonders ehren, erhielt er den Titel: Vater des Vaterlandes. Die öffentliche Meinung Europas verlieh diese Auszeichnung nur ein einziges Mal, und zwar an Robert Schuman, den Schöpfer des nach ihm benannten Planes. Er war der langjährige Ministerpräsident und Außenminister Frankreichs nach dem Krieg, der den säkularen Gegensatz zwischen dem deutschen und französischen Volk beseitigte. Darüber hinaus schuf er die Grundlagen des modernen Europas, auf denen die EWG aufbauen konnte.

Es bedeutete Mut, viel Mut, im November 1947 die Leitung der französischen Regierung zu übernehmen. Ein allgemeiner Generalstreik sollte die Machtübernahme der Kommunisten vorbereiten. Der Bürgerkrieg klopfte an die Tore des Landes, das Chaos stand bevor. Da hörte der Schreiber dieser Erinnerung — der glauben darf, die Zuneigung und wohl auch Freundschaft des großen Verstorbenen genossen zu haben — die ruhige Stimme des eben ernannten Ministerpräsidenten. Fern jedem Pathos und hohler Demagogie, versuchte Robert Schuman, die Leidenschaft zu beruhigen. Er appellierte an die Vernunft, und aus dem bescheidenen Abgeordneten wurde im Schmelztiegel dieser Machtprobe der Staatsmann, der in weitgehendem Maße die Geschicke Nach- kriegseuropas bestimmte.

Ein zweites Mal bewies Robert Schuman Zivilcourage, als er am 9. Mai 1950 dem besiegten Deutschland die Hände reichte. Auch damals muß man in Paris gelebt haben, um die ganze Größe dieses Wagnisses abschätzen zu können. Die Niederlage 1940, die Besetzung durch Deutschland mit ihren üblen Nebenerscheinungen hatten in Frankreich tiefe Wunden hinterlassen. Im Gegensatz zu 1918, als dieser Haß verewigt werden sollte, sah Schuman, beraten von dem ihm wesensfremden Wirtschaftsfachmann Monnet, die Vision eines geeinten Europas vor sich. Nicht nur einmal wurde er des Verrates bezichtigt. Doch er folgte unbeirrt seinem Gewissen, wußte er ja als Sohn der Grenze, daß die ständigen Bedrohungen aus dem Nachbarlande nur durch Zusammenarbeit und Freundschaft beendet werden können, ln den christlichen Demokraten Adenauer und De Gasperi fand er die kongenialen Partner, die gemeinsam ein abendländisches Europa aufbauen wollten, das nicht, wie die Gegner vielfach tadelten, „ein Objekt des Vatikans“ werden sollte.

Robert Schuman war überzeugter Katholik, ln der Toleranz seines Denkens zählte er zu jenen Christen, die zum politischen Ausgleich und zur Schaffung eines echten Friedens mahnten. Er gehörte nie zu den Blendern, den Intriganten, ln der Entschiedenheit und in der persönlichen Überzeugungskraft lag die Stärke seiner Persönlichkeit. Als Staatsmann wurde er wegweisend, obwohl er ein schlechter Redner war und es in keiner Weise verstand, Personen oder Gruppen taktisch auszuspielen. Denn er versuchte immer nur, durch ein echtes Konzept zu überzeugen.

Robert Schuman wurde am 29. Juni 1886 in Luxemburg geboren. Er stammte aus einer lothringischen Familie, die nach 1871 nicht im besetzten Land leben wollte. Er studierte in Bonn, Berlin und Straßburg und ließ sich 1910 als Rechtsanwalt in Metz nieder. 1919 erhielt er sein erstes Mandat als Abgeordneter und übernahm in der Folgezeit zahlreiche Funktionen im Parlament. Wie Churchill fühlte er sich zutiefst mit dem Parlament verbunden.

1940 ernennt Reynaud Robert Schuman zum Staatssekretär für das Flüchtlingswesen. In dieser Stellung wurde er von Petain übernommen, trat aber schon einige Wochen später zurück. Am 14. September 1940 wurde er von der Gestapo verhaftet. 1942 vermochte Schuman zu fliehen und verbarg sich bis zur Befreiung in Klöstern. 1945 kandidierte er mit Erfolg für das MRP, zu dessen Gründern er zählte. Er war mehrmals Ministerpräsident und blieb ununterbrochen vom September 1948 bis Dezember 1952 Außenminister, ln dieser Eigenschaft schuf er die hohe Behörde für Kohle und Stahl, war maßgebend an der Bildung des Europarates beteiligt und beeinflußte die Verhandlungen zur ' Bildung der NATO. Als Präsident des Straßburger Europarates seit 1958 hat Schuman in vielfältiger Weise die Integration Europas befruchtet. Im 78. Lebensjahr hat er nun sein Werk verlassen müssen, nachdem ihn ein schwerer Unfall schon seit dem Jänner 1961 von jeder Arbeit ferngehalten hatte.

Ein wirklicher Europäer, ein großer christlicher Demokrat ist von uns gegangen und in Ehrfurcht wird Europa eines Staatsmannes gedenken, dessen Ziel es war, die Einheit des Kontinents zu schaffen.

Robert Schuman galt auch als ein großer Freund Österreichs. Die Funktion unseres Landes im mitteleuropäischen Raum hat er immer gewürdigt. Auch zum Problem Südtirol hat er ausführlich im österreichischen Sinne Stellung genommen, und das als einer der ganz wenigen westlichen Staatsmänner nach dem Kriege.

Robert Schuman wird uns immer das Symbol eines echten christlichdemokratischen Politikers bleiben. Er kann allen Parteien, die sich in Europa zur christlichen Demokratie bekennen, ein Vorbild sein.

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