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Rohstoffbezug und Produktivität

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Die Steigerung der einzel-und gesamtwirtschaftlichen Produktivität ist heute als Forderung — wenn auch leider noch aicht so allgemein als Tatsache — zu einer Binsenweisheit geworden, über die zu sprechen fast müßig ist. Hingegen kann nicht oft genug auf die ganz verschiedenen Wege hingewiesen werden, auf denen eine Produktivitätssteigerung erfolgen kann, und die gemeinsam zu beschreiten den höchsten erreichbaren Erfolg bringen würde.

Das Problem der Produktivitätssteigerung ist eben so mannigfaltig, daß es Immer nur möglich ist, eine Facette herauszugreifen, und es ist nur naheliegend, daß dabei jene Facetten, die nicht so deutlich in die Augen springen, leicht übersehen werden. Ein solcher Ausschnitt aus dem Gesamtproblem ist der Zusammenhang zwischen Produktivität und Rohstoffbezug

Die übliche Definition von Produktivität als Produktion pro Arbeiterstunde führt naturgemäß dazu, die so notwendige Produktivitätssteigerung nur vom P -eich dei eigentlichen Fertigung zu erwarten. Dabei vergißt man aber, daß d&#171;r V&#171;r-gl&#171;l<h von P &#171;äuküooaonawä&#171; und aufgewendeter Arbeits?&#171;lt mtr ftodwBctlvitätsstetgerung darstellt, da* es aber neben dieser noch viel&#171; andere Betriebs und damit Pro-duktivitätskennziffern gibt, oder mit anderen Wor'en: daß di&#171; Gesamtproduktivität eines Betriebes (oder im übertragenen Sinn auch der gesamten Wirtschaft) nicht allein davon abhängt, bis zu welchem Grade die arbeitsparende Fertigung gediehen ist.

Besonders deutlich würde dies, wenn man den Versuch unternähme die Produktion einmal mit der Zahl der Stunden zu vergleichen, die der Arbeiter anwesend war, und zum anderen mit jener der Stunden, die er tatsächlich arbeitete. Die Differenz wird ganz gewaltig sein, und zwar nicht nur wegen der Ruhe- und Erholungspausen, die der Arbeiter unbedingt braucht und durch deren Einschaltung zur richtigen Zeit und in angemessener Länge seine Gesamtleistung sogar gesteigert wird, und auch nicht nur wegen der Zeit, die für Zurichtearbeiten, für das Heranholen und Wegtragen des Werkstückes usw. verwendet wird. Zieht man nämlich von der Anwesenheitsdauer dt&#171; Zeit der Ruhepausen und jene der Nebenarbeiten ab, dann gelangt man noch immer nicht zur Fertigungszeit im engsten Sinn, denn es bleibt noch ein Faktor, mit dem wir uns hier beschäftigen wollen: die erzwungeneUntäUg-keit, also der Mangel an Arbeltsmöglichkeit

Derartige Totzeiten, di&#171; in jedem Fall die Produktivität der Gesamtarbeitszeit verringern, sind in manchen Betrieben unvermeidlich. Das gilt vor allem für Handels- und Dienstleistungsbetriebe, also in Wtrt-schaftsbereichen mit direktem Kunden verkehr Hier kann dem Ubelstand. der einer mangelhaften Kapazitätsausnutzung gleichkommt, such durch di&#171; best&#171; Terminplanung nicht abgeholfen werden B&#171;i Produk-Uonsbetriebea im engeren Sinn sollten aber derartig&#171; Totzeiten nicht auftreten, wenn sie auch bei größeren Störungen im Rhythmus des Auftragseingang&#171;&#171; kaum gänzlich vermieden werden können.

Davon streng xn trennen sind aber Jen&#171; Totzeiten, dd&#171; bei voll ausgelasteter Betriebskapazität dadurch auftreten, daß der Nachschub von zu bearbeiteten Werkstücken nicht funktioniert. Abgesehen von einer fehlerhaften Betriebsorganisa-tlon wird die Ursach&#171; In so gut wie allen Fällen darin zu suchen sein, daß in der Belieferung mit Rohstoffen oder Halbzeug Stockungen eintreten, die durch das Rohstofflager nicht in ausreichendem Maße abgefangen werden können. Wo immer aber Arbeiter untätig herumstehen, weil es ihnen an Arbeitsmöglichkeit gebricht, ' oder Maschinen abgeschaltet werden müssen, obwohl auf die fertige Ware schon ein Abnehmer wartet, entstehen Produktivitätseinbußen, die, genau genommen nie wieder eingeholt werden können; die Stunde, die der Arbeiter in erzwungener Untätigkeit verstreichen lassen muß, ist privatwirtschaftlich wie volkswirtschaftlich ein ebenso unwiederbringlicher Verlust wie die Stunde, die ein&#171; Maschine nicht läuft, denn der technische Fortschritt macht eine Maschine, die nicht bis zu ihrer vollen Leistungsfähigkeit ausgenutzt wurde, genau so erneuerungsbedürftig wie eine ständig auf vollen Touren laufende. Unmittelbar aber türmt jede solche Totzeit, sei sie nur eine Stockung in einer kleinen Abteilung oder ein vor der GesProduktion, unproduktiv&#171; Kotten auf: die Wiederingang-•etzung der Maschinen erfordert zusätzliches Feuerungsmaterial oder übermäßige Energiezufuhr, es laufen neue Rüst- oder Zurichtzeiten auf, andere Kosten wie Löhne, Gehälter, Beheizung, Beleuchtung müssen bei Betriebsstockungen weiter gedeckt werden usw.

Notorisch sind aber auch die Folgen solcher Betriebsstockungen für nachgeschaitete Betriebe, die auf die Lieferung von Halbzeug oder Ersatzteilen angewiesen sind. Die Produktionsstockung bei einem Betrieb kann in besonders gelagerten Fällen eine ganze Kettenreaktion soteh widriger Folgen auslösen, und zur Produktivitätseinbuße beim ersten Betrieb kommen weitere Einbußen sekundärer Natur bei anderen Unternehmen.

Der laufend gesicherte Bezug von Rohstoffen und Halbfabrikaten erlaubt anderseits, die Rohstofflager in engen Grenzen zu halten. Dadurch wird weniger Kapital gebunden, das nunmehr direkt in der Fertigung eingesetzt werden kann, es wird — besonders bei sperrigen Gütern — weniger Lagerraum beansprucht, und die bei gesichertem Bezug freiwerdenden Räume können anderen Zwek-ken zugeführt werden, die Lagerorganisation wird einfacher und erfordert weniger Personal usw.

Gesamtwirtschaftlich fallen die Vorteile des gesicherten Rohstoffbezuges vielleicht noch stärker ins Gewicht, denn für den einzelnen Betrieb beschränken sich die Wirkungen auf einen mehr oder minder fühlbaren Produktion&#171;- und damit auch Einnahmenausfall und schlimmstenfalls auf den Verlust eine&#171; oder de&#171; anderen Kunden, der einen nicht rechtzeitig ausgelieferten Auftrag storniert, während in der volkswirtschaftlichen Rechnung die Gesamtschäden, die im Zuge einer solchen Kettenreaktion auftreten, summiert werden müssen. Nicht zu vergessen ist schließlich der Export, der in ganz besonderem Maße von pünktlicher Termineinhaltung abhängt Hier geht es unter Umständen nicht nur um den Ausfall eines einzelnen Exportgeschäftes und der damit verbundenen Deviseneinnahmen, Ja .nicht einmal bloß darum, daß wegen stornierter Auslandsaufträge der Import gekürzt werden müßte, sondern nicht zuletzt um die Gefahr, daß Österreich überhaupt in den Ruf kommt, ein unverläßlicher Lieferant zu sein. Besonders wo neue Exportmärkte erschlossen werden sollen, können die hoffnungsvollsten Zukunftschancen dadurch zunichte werden, daß die erste Order durch solche Produktionstockungen nicht termingemäß erfüllt werden kann.

Die Zusammenhänge zwischen regelmäßigem Rohstoff- und Halbzeugbezug und Produktivität sind also ganz offenkundig, sie sind aber derart, daß es nur zum geringsten Teil an dar einzelnen Unternehmung liegt, auf diesem Wege zu einer Produktivitätssteigerung zu gelangen. Selbstverständlich werden sich ein gut funktionierender Einkaufsapparat und der Aufbau eines Stockes von verläßlichen Lieferfirmen auch auf den Stand der Produktivität auswirken, die Ja nicht allein von der Fertigung abhängt. Selbst der bestgeschulte und höchstqualifizierte Stab von Einkäufern hilft aber wenig, wenn der benötigte Rohstoff aus dem Ausland bezogen werden muß und zu seinem Ankauf keine Devisen zur Verfügung stehen, oder wenn on sich uns els HaibtabrllLat landischer Rohstoff* bedarf. Bai der hohen AujlandsabhSnglgkeit der österreichischen Wirtschaft in bezug auf viele Rohstoffe, auf Kohle und auf diverse Halbfertig-waren tat dl&#171; Produktivitätssteigerung durch regelmäßigen Rohstoffbezug ein Faktor, der in der Regel außerhalb der Einflußmöglichkeir de&#187; Unternehmen&#171; liegt.

Damit gewinnt aber auch das ERP einen neuen Aspekt. Aus eigener Kraft wäre Österreich jahrelang nicht imstande gewesen — und ist e&#171; Ja bis heute nicht —, für den reibungslosen und stockungsfreien Import jener Rohstoffe und Halbfertigwaren zu sorgen, von deren geregelter Lieferung nicht nur die Produktion an &#187;tob,, sondern auch die Produktivität abhängt Die ERP-Lieferungen ermöglichen damit den österreichischen Betrieben über die Aufrechterhaltung und Steigerung der Produktion hinaus noch die Vermeidung von Produktivitäts-einboßen nfolge von stockender Rohstoffanlieferung und der dadurch bedingten erhöhten Lagerhaltung. Ohne ERP wäre die Anlieferung von Robstoffen — von der unzureichenden Höhe dieser Anlieferung ganz abgesehen — weit stockender erfolgt, insbesondere angesichts der Umständlichkeit und 'Schwerfälligkeit unseres Außenhandelsregimes. Es wird oiniger Anstrengung bedürfen auch hei verminderten ERP-Zuteilungen den seit Ausbruch des Korea-konfliktes ohnedies gestörten Rhythmus der Importe auszugleichen, um der gewerblichen Wirtschaft jenen geordneten und vor allem regelmäßigen Bezug von Rohstoffen und Halbfabrikaten zu ermöglichen ohne den jede Produktivitätssteigerung im Fertlgungsbere'ch selbst bald auf Grenzen stoßen müßte.

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