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Rückkehr nach Rom

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Die Krankheit des Papstes liegt als dunkler Schatten auf der Bischofssynode, die am 29. September in Rom zu ihrer ersten Session zusammentreten wird. Es scheint, als ob diesem Papst, der die Last schwerster Verantwortung in einer Zeit zu tragen hat, in der sich in vielem das weitere Schicksal der Kirche entscheiden wird, auch die Prüfung von Schmerz und Krankheit nicht erspart bleibt. Man spricht von einer Operation im November.

Mit dieser Bischofssynode wird ein weiterer Abschnitt des Konzils verwirklicht werden. Viele meinen, die Bischofssynode sei überhaupt das entscheidendste Ergebnis des Konzils; von ihrem Start, von ihrem Ablauf, von ihrer Funktion werde es abhängen, ab das Werk der Reform der Kirche in Ansätzen stecken bleiben oder weitergeführt wird. Der Gedanke eines Bischofssenates, der in beratender Funktion an der Regierung der Weltkirche teilnehmen soll, entsprang gewiß einem Wunsch des Konzils. Daß dieser Wunsch aber Gestalt annahm und wie er Gestalt annahm, ist sehr wesentlich das Werk Papst Pauls VI. Nun trifft gewiß auf diese Bischofssynode das zu, was schon auf das Konzil zutraf: Ohne große Hoffnungen kann kein großes Werk begonnen werden; es gibt aber keinen größeren Feind realer Hoffnungen als illusionäre Erwartungen. Man darf auch die Bischofssynode nicht überfordern. Ihre erste Session wird keine spektakulären Ergebnisse bringen, es wird eher, so wie bei der ersten Konzilssession, ein Abtasten, ein Einüben und ein Einstimmen sein. Von den 197 Mitgliedern der Bischofssynode sind 135 von 95 Bischofskonferenzen gewählte Vertreter. Der gewählte Vertreter der österreichischen Bischofskonferenz ist der Innsbrucker Diözesanbischof Paulus Rusch. Der Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, gehört der Bischofssynode in seiner Eigenschaft als Präsident des Sekretariates für die Nichtgläubigen an. Die weiteren Mitglieder der Bischofssynode setzen sich aus Vertretarn der Ostkirche, aus Generaloberen der Orden, Kardinälen der römischen Kongregationen und Sekretariate sowie aus 25 vom Papst ernannten Mitgliedern zusammen.

Sind die Bischöfe, die sich Ende September in Rom zur Synode versammeln, noch dieselben Bischöfe, die das Konzil zu so einem überwältigenden Erlebnis gemacht haben? Ist ihre Begeisterung, ihre Dynamik, ihre Aufgeschlossenheit, ihre mutige Bereitschaft, sich einem neuen Bild der Kirche zu erschließen, es weiterzutragen, nicht vielfach einer Unsicherheit, einer ängstlichen Sorge gewichen? Und wenn dem so ist, wäre eine solche Wandlung nicht zu verstehen? Sie alle sind aus Rom voll Schwung und Begeisterung

zurückgekehrt. Aber in dem Maß der zeitlichen und räumlichen Entfernung vom Konzil und von Rom trafen die unmittelbaren Sorgen um die Verhältnisse in ihren eigenen Diözesen wieder in den Vordergrund. Was sie in der Heimat erlebten, mußte sie vielfach erschrecken. Es war wie bei einem Dammbruch. Zu lang schon hatten sich die Wasser gestaut, zu groß war der Druck innerhalb der Kirche geworden. Und als nun das Konzil manche Schleuse öffnete, da zeigten sich gelegentlich Risse in den Dämmen. Vielfach hatte man es verabsäumt, vorsorgliche Schutamauern zu errichten, um die Wasser, lebendige, strömende Wasser, in geordnete Bahnen zu lenken. Das weite Land drohte übersdwemmf zu werden. Ist es nicht begreiflich, daß viele Bischöfe versuchten, die Schleusen wieder zu schließen, die Löcher zu stopfen? Erzogen zur Verantwortung fühlten sie sich verantwortlich für jeden einzelnen Katholiken, verantwortlich für jede Tat, für jedes Wort und vor allem für jede Zeile in ihren Diözesen, denn auch sie sind vielfach Kinder einer Zeit, für die die Berichterstattung über ein Ereignis schwerer wiegt als das Ereignis selbst, immer in der Versuchung, die Schuld am Fieber dem Thermometer zu geben. Sie litten und sie leiden unter einer Verantwortung, die sie praktisch überfordert. Kein Mensch, auch kein Bischof, kann allein die Verantwortung für alles tragen. Die Bischöfe sehen sich auf der einen Seite den Worten und Taten einiger Schwarmgeister ausgesetzt, die durch ihre Maßlosigkeiten nicht nur das Werk der Reform diskreditieren, sondern den Boden der Kirche, den Glauben, vielfach bereits verlassen haben. Sie sehen sich anderseits einem massiven Druck gewisser reaktionärer Kreise gegenüber, die das Konzil und die Bischöfe fast der Häresie bezichtigen und — wie in Amerika — mit offenem Abfall drohen. Und sie müssen manchmal schier verzweifeln an der Lethargie eines katholischen Milieus, das von dem Konzil nicht berührt erscheint und in seinen altgewohnten Vorstellungen leben und sterben will. Ist es nicht begreiflich, daß sie in schwerster Sorge sind, daß ihnen manchmal Zweifel ankommen, ob das, was sie sehen, wirklich das ist, was sie und das Konzil gewollt haben? Jeder Zweifel aber am Weg des Konzils verstärkt erst recht die Unsicherheit im katholischen Volk.

Man kann Geschehenes nicht ungeschehen machen. Das Konzil ist ein irreversibles Faktum. Auch mit Beschwichtigen, Verschweigen und Nichtwahriiabenwollen läßt sich der atmosphärische Umschwung in der Kirche nicht begegnen. Er erfordert von uns allen — von den Bischöfen natürlich in erster Linde — Klarheit im Erkennen der Situation, so wie sie ist und nicht wie wir sie halben wollen, Nüchternheit den Visionen der Schwärmer, aber auch den Kassandrarufen und der Panik der Pessimisten gegenüber, Mut, im Dialog mitzureden, das Gute zu fördern und das Falsche zu berichtigen, an Gesprächen, auch an kritischen, teilzunehmen, nicht sie zu verhindern, und schließlich und endlich — nicht zuletzt, sondern vor allem anderen — Vertrauen, daß der, der die Kirche gestiftet hat, auch über ihr weiteres Schicksal wacht. Dann kann die Rückkehr nach Rom, zu der sich die Bischöfe jetzt durch ihre gewählten Vertreter anschicken, auf eine Rückkehr zum Glauben und zur Hoffnung des Konzils werden.

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