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Ruf nach dem Kulturattache

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Wer auf einem Globus das Territorium Österreichs sucht und schließlich mit der Bleistiftspitze das winzige Fleckchen zwischen dem 45. und 50. Breitegrad umkreist, mag sich wohl wundern über die unverhältnismäßig große Popularität eines Landes, dessen politische und wirtschaftliche Potenz in einer Zeit der Weltreiche und Machtblöcke, für die öffentliche Meinung ebenso wie für die Staatsmänner dieser Kategorien bedeutungslos und uninteressant erscheinen muß. Die Erklärungsversuche von der großen und noch heute einflußreichen Vergangenheit bis zum bekannten neuralgischen Punkt im Herzen Europas werden nicht ausreichen, und man wird schließlich jenes Wort bemühen müssen, das nur deshalb zum Schlagwort geworden ist, weil es offiziellerseits nur zu oft als solches ins Treffen geführt wurde, ohne daß man die nötigen Konsequenzen daraus gezogen hätte, es ist das Wort von der kulturellen Großmacht Österreich.

Zumindest vom Standpunkt der Publizität Österreichs in der Welt besteht es zu Recht; denn mit Ausnahme zeitbedingter grotesker Umstände, wie die der noch immer andauernden vierfachen Besetzung, ist es nahezu ausschließlich die kulturelle Atmosphäre, die immer wieder die Achtung und die Sympathie der Weltöffentlichkeit erweckt. Bereist man als Österreicher das Ausland oder trifft man mit ausländischen Besuchern zusammen, so ist man gar bald in ein lebhaftes Gespräch über Musik, Konzerte, Opernaufführungen, über Literatur, Bücher und Theater, über Kunstsammlungen und Wissenschaften gezogen. Und das, was von Osterreich allgemein erwartet wird, sind weniger politische Eskapaden und wirtschaftliche Großleistungen, sondern Geist und Seele, Wissenschaft und Kunst. Daher nehmen auch ausländische Gäste das Anblasen eines neuen Hochofens und das Funktionieren des Parlaments mit freundlichem und höflichem Kopfnicken zur Kenntnis, während sie nach dem Besuch eines Philharmonischen Konzerts, einer gelungenen Opernautführung, nach einer Besichtigung der Wiener Sammlungen oder nach einem gemütlichen Beisammensein mit österreichischen Künstlern, Dichtern und Wissenschaftern geradezu mit fliegenden Fahne n i n das österreichische Lager übergehen, meistens fÜT immer für dieses Land und seine. Mentalität gewonnen.

Oftmals wurde schon die Frage gestellt: was geschieht nun, um dieser bekannten Tatsache Rechnung zu tragen, was kann geschehen, diese Wirksamkeit nicht nur zu erhalten, sondern noch weiter zu erhöhen und auszubauen. Im Hinblick auf das österreichische Kulturleben selbst wurden hier schon viele wertvolle Anregungen gegeben, wobei mit Recht immer wieder darauf hingewiesen wird, daß nicht allein die Pflege der Tradition, sondern auch die der neuen gegenwärtigen Kräfte notwendig ist. Aber davon soll hier nicht gesprochen werden, vielmehr davon, wie die Aüs-strahiungskrah des geistigen und kulturellen Lebens Österreichs in alle Welt erhalten und. gesteigert werden kann. Dies ist Sache eines aktiven Kulturaußendienstes. Und hier gibt es wohl noch viel zu wirken und zu verbessern. .

Man wird nicht so weit gehen und — wie es andere Kleinstaaten bereits praktizieren — gleich . den Platz des österreichischen Repräsentanten in einem anderen Land selbst für eine Persönlichkeit des Kulturlebens beanspruchen, aber es wäre von entscheidender Wichtigkeit, allen maßgeblichen österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland eine wirklich in allen Kulturdingen versierte und möglichst selbstschöpferische Persönlichkeit zu attadiieren; dies nicht nur mit der Aufgabe der Intensivierung des Kulturaustausches, sondern audi der «der Reputation, denn es wirkt oft desillusionierend und ernüchternd, ja geradezu befremdlich, als Vertreter eines weltbekannten Musenlandes einen ledernen Patron vorzufinden, und wäre er ein noch so trefflicher Verwaltungsjurist. Es dürfte nicht vorkommen, an einer österreichischen Gesandtschaft nicht sofort erschöpfende Auskünfte über zeitgenössische Literatur, Musik und bildende Kunst, über die aktuelle Buch- und Filmproduktion oder über die Leistungen der wissenschaftlichen Institute zu erhalten. Im Gegenteil, es dürfte nie bei einer bloß aus schriftlichen Unterlagen oder lexikalischen Werken geschöpften Information bleiben, sondern es müßte darüber hinaus ad hoc der lebendige Kontakt angeregt und praktisch in die Wege geleitet werden. Ein derartiger aktiver Kultur dienst könnte sicherlich sehr bald mannigfaltige Erfolge aufweisen, nicht allein im Hinblick auf erhöhte Publizität, sondern auch auf die tatkräftige Förderung und Unterstützung der österreichischen Künstler und Wissenschafter. Es ist bekannt, wie viele Möglichkeiten bisher in dieser Richtung ungenützt blieben. Die ausländischen Rundfunkgesellschaften wären hier gleichermaßen heranzuziehen, wie der Film und die Television, die kulturellen Revuen und Publikationen, die Gesellschaften und Vereinigungen, die Universitäten, die großen Verlage, die wissenschaftlichen Institute und Stiftungen.

Es ist nahezu unmöglich, einen derartigen internationalen Kulturförderungsund Austauschplan ferngelenkt zu steuern. Es ist unbedingt notwendig, daß in jedem Land, mit dem ein solcher Kontakt aufgenommen werden soll, eine Person die Durchführung übernimmt und persönlich die entsprechenden Fäden knüpft. Sie müßte dann auch durch eigene Initiative und mit viel Einfallsreichtum die sich ergebenden praktischen Anregungen realisieren. Welch ein weitverzweigtes Betätigungsfeld könnte so der österreichischen Kunst und Wissenschaft erschlossen werden I

Es gibt keine Großmacht, die nicht ihre Repräsentanten im Ausland besitzt, die kulturelle Großmacht Osterreich braucht sie auf kulturellem Gebiet ebenso wie jede militärische und politische auf dem ihren. Für den Nachwuchs unserer Auslandsvertretung wird der Typus des reinen Politikers immer mehr an Bedeutung und Gewicht verlieren, was wir brauchen, sind hervorragende Wirtschafts- und Kulturpolitiker. Nur eine Zusammenarbeit von nach Möglichkeit im praktischen Wirtschafts- und Kulturleben bereits bewährten Kräften, nicht von einseitig geschulten Verwaltungstheoretikern, wird die geistige und kulturlle Großmachtstellung Österreichs tatsächlich realisieren und die Kräfte unseres Landes auf seine eigentlichen großen Aufgaben innerhalb der Kulturgemeinschaft der Völker konzentrieren. Die Aufgaben, die fernab von Macht und Machtkonstellation in den Bereichen der beständigen Werte des Geistigen zu, suchen sind.

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