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Rumuniens Alleingang

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Solche zwiespältige Wertung konnte in Osteuropa, wo die Bevölkerung überall proisraelisch fühlte und die Regierungen proarabisch redeten, nur in Rumänien praktische Folgen haben. Auch hier jedoch mehr aus Taktik als aus Einsicht. Bukarest hatte von Anfang an beide Kriegführenden zur Feuereinstellung aufgefordert und die Frage nach dem Angreifer offengelassen. Schon am 1. Juni hatte Parteichef Ceausescu vor Offlzierschülern sibyllinisch bemerkt, ein Krieg zwischen Israelis und Arabern würde weder den einen noch den anderen, sondern nur dem „internationalen Imperialismus“ nutzen. Als Partner des sowjetischen Bündnissystems mußte Ceausescu bei der Moskauer Gipfelkonferenz befürchten, daß die Sowjetunion jede gemeinsame Aktion zugleich zum Disziplinierungsversuch ausnützen würde. Umgekehrt ging Tito als bündnisfreier Teilnehmer des Treffens ein solches Risiko nicht ein, ja er erschwerte durch seine Unterschrift die Möglichkeit, daß Sanktionen gegen Israel etwa militärischen Charakter annehmen könnten.

Den Rumänen widerstrebte es auch, daß die Moskauer Erklärung nur vom „gerechten Kampf“ der Araber, von ihrem schließlichen Triumph und von Hilfe gegen Israel spricht, jedoch entgegen allen Koexistenzthesen kein Wort über nötige Verhandlungen, über eine friedliche, die Rechte beider Seiten respektierende Lösung. Daß freilich Moskau solche Diplomatie im Sicherheitsrat und über die heißen Drähte nach Washington und Paris durchaus betreibt, daß die militante Erklärung nur für die arabische Seele und das revolutionäre Alibi bestimmt ist — das wissen auch die Rumänen. Doch derlei Doppelzüngigkeit ist ihrem puritanischen Parteichef zuwider. Und so formulierte er nach der Rückkehr aus Moskau ein eigenes Dokument, das sidh mit den Arabern solidarisch erklärt, ohne Israel zu verurteilen, und einen Verhandlungsfrieden im Nahen Osten fordert.

Auf dieser Linie bewegten sich seit Anfang des Konflikts auch die meisten westlichen Kommunisten, die es sich längst nicht mehr leisten können, sowjetische Agitationsschablonen unbesehen zu übernehmen. Für eine „Sicherung der Existenzrechte Israels“, nicht nur der Araber, haben sich die italienische, französische, österreichische, britische und dänische KP vom ersten Augenblick der Krise an ausgesprochen — und nicht ohne Anlaß. Der chinesische Regierungschef Tschu En-lai hatte aim 6. Juni an Marschall Schukeiry, den chinesisch gelenkten und ausgerüsteten Befehlshaber der „palästinensischen Befreiungsarmee“ in den Gazastreifen telegraphiert: „Israel ist ein Produkt der imperialistischen Politik... Heute gibt es ausgezeichnete Bedingungen für den antiimperialistischen Kampf.“ Das Organ der französischen Maoisten, ,,Le Communiste“, hatte noch offener Schukeirys Ankündigung einer „Vernichtung des Staates Israel“ begrüßt. Und es war wohl kein Zufall, daß Schukeiry nach der Waffenruhe in Sinai und Jordanien sogleich in Damaskus auftauchte, um von dort Syrer und Israelis zum letzten Gefecht zu hetzen. Diese Zusammenhänge werden von westlichen Kommunisten gesehen. „Wenn wir die arabische Befreiungsbewegung unterstützen, dann ohne die Forderungen eines verzweifelten Nationalismus zu billigen wie etwa die nach Zerstörung Israels“, sagte der Sprecher der italienischen KP im römischen Senat. „Chauvinismus bleibt Chauvinismius. Auch wir sind gegen den Heiligen Krieg“, schrieb das italienische KP-Blatt „Rinascita“.

KPÖ: Kompromißbereitschaft

Der österreichische KP-Chef Franz Muhri, der manches aussprechen kann, was seine ungarischen, tschechischen und polnischen Genossen (mit denen er eng verbunden ist) nur denken, forderte am Tage nach dem Moskauer Gipfeltreffen den „allseitigen Verzicht auf territoriale Forderungen“. Es habe sich gezeigt, daß „Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und religiöser Fanatismus einen Nährboden für den Krieg darstellen und daher von allen Seiten bekämpft werden müssen.“ Und in einer Analyse des KP-Organs „Volksstimme“ vom 10. Juni heißt es: „Israel stellte die Lage so dar, als ob das israelische Volk von Vernichtung bedroht wäre; dieser Eindruck wurde durch unqualifizierte Drohreden arabischer Führer verstärkt“ Eine Namensliste von Nazikriegsverbrechern in ägyptischem Staatsdienst, von Leuten, die auf sowjetischen und polnischen Auslieferungslisten stehen, wurde am 8. Juni vom Wiener jüdischen Dokumentationszentrum vieröffentlicht und tat so in übriges, die westlichen Kommunisten auf „Objektivität“ zu sitimmen. Kompromißbereitschaft von israelischer und arabischer Seite forderte am 11. Juni das dänische KP-Organ „Land og Folk“, während die KP Israels am 10. Juni die sowjetischen Vorwürfe gegen Israel heftig zurückwies. Die israelischen Kommunisten, deren Partei seit 1965 in eine arabische und jüdische Fraktion gespalten ist (wobei Moskau mehr die jüdische unterstützte), hatten sich am ersten Tag des Krieges in einer Erklärung „hinter das ganze Volk“ gestellt.

Das billige Schema von den guten Fortschrittlichen und den bösen Imperialisten hat im Nahen Osten versagt Denn warum auch hätte sich Israel der Gefahr eines Selbstmordes aussetzen, warum hätte der Westen seine Ölversorgung gefährden, warum der Osten einen Weltkrieg riskieren wollen? Marx und Lenin geben darauf keine Antwort — und Mao eine falsche.

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