6766484-1968_37_03.jpg
Digital In Arbeit

Rutscht der CV nach links ab?

Werbung
Werbung
Werbung

Auf der Bühne des Theaters ist es wichtig, daß der Akteur am Schluß einer Szene, eines Akts oder des ganzen Stücks, einen eindrucksvollen Abgang hat; vor allem dann, wenn ein weiterer Auftritt folgen soll.

Auf der Bühne des studentischen Lebens und der Politik war die Selbstauflösung des CV im Dritten Reich, im Jahre 1935, ein Aktschluß. Zwar wurde nachher, in unserer Zeit, der Vorhang noch einmal hoch

gezogen; aber der CV in Deutschland ist nie mehr auf jene achtunggebietende Höhe der Leistung und des Erfolgs gelangt, auf der er in den langen Jahren zwischen Ludwig Windthorst und Heinrich Brunning gestanden ist.

Auch der CV der dreißiger Jahre hatte es mit einer Zeitwende und mit einer Art Revolution im Lande zu tun. Die Revolution war dei Durchbruch des Nationalsozialismus zur Macht; die Zeitwende ereignete sich bei den Anschlägen der Volksfront und des Faschismus auf die Demokratie. Es geschah dem CV, was im Zuge der damaligen Zeit zu liegen schien und was das Gesetz dei Revolution befahl: die Übernahme der nationalsozialistischen Weltanschauung in Artikel I der Satzung des CV; die Einführung des Führerprinzips; die Statuierung eines Arierparagraphs und der Ausschluß der an Führer und Reich verräterischen Verbindungen in Österreich Eine neue Verbandsführung mußte dazu die tiefsten Fundamente des CV ausgraben oder sprengen: das Katholizitätsprinaip, das Duellverbot, das Freundschaftsprinzip, das der nationalsozialistischen Kameraderie geopfert wurde. Bis zuletzt hat der im Dritten Reich tätige Führer des CV angeordnet, bei Wähler und Volksentscheiden müßten di

Manner des CV für die NSDAP stimmen, wollten sie nicht ihren Burscheneid (den sie einmal ganz anderen Grundsätzen geschworen hatten) brechen. Man hat die Revolution, nachdem sie über die Dämme geschlagen hatte, mitgemacht, abe: diese Revolution hat ihr spät geborenes Kind gefressen.

Auch damals war man mit eine: neu orientierten Kirche in eine neue Zeit gegangen. Nachdem dii Fuldaer Bischofskonferenz im Mär: 1933 den Graben zwischen Kirchi und Nationalsozialismus eingeebne hatte, schien auch für den CV keil Grund mehr dafür vorhanden zi sein, das rein kirchenrechtlich unc nicht im Gewissen begründete Verbot der Zugehörigkeit von CVen zur NSDAP, zuletzt 1932 in München erneuert, aufrechtzuerhalten.

1938 in Österreich

1938, drei Jahre nach dem Endi des CV im Dritten Reich, fand de: nächste Aktschluß auf der öster reichischen Bühne des Geschehen statt. Bekanntlich sind die öster reichischen Verbindungen nach 193: nicht in die neue Zeit übersiedelt Sowenig sie nach all dem, was der Katholiken im Deutschen Reid widerfahren ist, in ihrer Resistance überheblich sein wollten, so weni; haben sie bis zuletzt mit dem herr sehenden Zeitgeist ihren Frieden ge macht; auch dann nicht, als mit de Zeit selbst die sogenannten besse ren Demokraten in West und Os damit anfingen, mit Hitler ihren Frieden und ihre Abkommen zu machen Der CV in Österreich ist 1933 nich auf Grund kirchlicher Gebote ode: Verbote aktiv in der Abwehr geworden; und ebensowenig war nad 1938 für die Masse seiner Angehörigen das kirchlicherseits versucht Appeasement mit dem in Österreich an die Macht gekommenen Hitleris- mus maßgebend. Was heute vielfacl vergessen wird, ist die Tatsache, dat es in den ominösen Fragebogen de: Umbruchsjahres 1938 für einet Österreicher keine folgenschweren Bejahung gegeben hat als das Jt in den Spalten Jude, Freimaurer CVer. Der harte Kem der CV-Ge- meinschaft in Österreich ist durd die Verfolgungen in der Zerstreuung der Jahre 1938 bis 1945 fester geworden. Aber die Feindschaft zu den neuen Herren verwischte mit dei Zeit alte Gegnerschaften. In dei ersten Zeit; des CV war die Gründung einer CV-Verbindung ein Aufbegehren gegen den kulturkämpferischen Liberalismus der Ära Bismarck und Beust gewesen. Jetzt nach 1938, kam mit der Handhabung eines ius commercium auch der Gebrauch eines ius connubii im Umgang mit Gesellschaftskreisen, die sich in mehrfacher Hinsicht eint interessante Freizügigkeit leisteten

Der Weg zurück

Und mehr: 1936, kurz vor dem Aktschluß in Österreich, wirkte die Tatsache erschütternd, daß im Spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) viele Katholiken angesichts der Alternative: Volksfront oder

Franco-Spanien zum erstenmal den Bündnisfall mit den radikalen Linkssozialisten und Kommunisten, deren militanter Atheismus nicht zu übersehen war, entschieden bejaht und auf „die anderen Katholiken“ geschossen haben. In den Enklaven der katholischen Hochschulgemeinden der Naziära hat man Bernanos, Maritain und Mauriac gelesen, katholische Gegner der politischen Rechten Spaniens im Bürgerkrieg; die Katholiken, die nicht in diesem literarischen und politischen Horizont standen, blieben unverständlich und uninteressant.

Auf der Lagerstraße des KZ des Dritten Reiches ist später ein Weg für die gemeinsame Heimkehr der feindlichen Brüder nach Österreich gefunden worden. Diese nach 1945 oft zitierte Formel hat August Maria Knoll so aufgelöst, daß in dem Gespräch der Feinde unter den dramatischen Umständen der von allen erduldeten Verfolgung so etwas wie eine Lossprechung der Sieger vom 12. Februar 1934 stattgefunden hat. Tatsächlich datieren seit dieser Zeit viele und haltbare Lagerkamerad

schaften, die Angehörige des CV mit Sozialisten und Kommunisten verbinden. Karl Frick stellt fest, daß das „Umdenken hinter Stacheldraht“ auch in den Kriegsgefangenenlagern in der Sowjetunion stattgefunden hat. Er erwähnt den österreichischen Assistenzarzt Franz Finstermann. Finstermann, Senior der Austria Wien im Wintersemester 1937 38 und bei einem Zusammenstoß mit nationalsozialistischen Parteigängern in der Umbruchsnacht schwer verwundet, hat sich zu denen im Lager bekannt, die offen für „entscheidende Veränderungen in der österreichischen Politik gegenüber der Vorkriegszeit“ eingetreten sind. Nun hat die KPÖ nach 1945 ihrerseits keine entscheidenden Veränderungen in ihrer Einstellung zum CV in Österreich vorgenommen: aber sie hat Öffnungen instand gehalten, wo diese von Angehörigen des CV aufgemacht worden sind. Zum Beispiel von dem Grazer Universitätsprofessor Josef Dobretsberger, früher Sozialminister in der Ära Schuschnigg.

In den Beziehungen zur SPÖ wurde bemerkenswert, daß der Sekretär der Vorarlberger Arbeiterkammer, Dr. Pontesegger, Ende der vierziger Jahre unter den ersten Angehörigen des CV gewesen ist, die in der politischen Öffentlichkeit der

Zweiten Republik entschieden für die Politik der SPÖ eingetreten sind. Pontesegger war seinen Weg zu Ende gegangen: Schon in der Zeit zwischen dem Berchtesgadner Abkommen und dem 11. März 1938

hatte er ein offensives Bündnis der Regierung mit den illegalen Sozial- demokraten, eine Ziehung nach links, verlangt. August Maria Knoll hat 1950 noch einmal jene Beziehung des CV zu den politischen Parteien formuliert, deren Anwendung bereits um 1933, damals angesichts des Nationalsozialismus, von verhängnisvollen Folgen begleitet gewesen war. Nach der Anschauung Knolls stünde der CV jeder politischen Partei wahlwollend gegenüber, welche Prinzipien des CV im öffentlichen Leben „bekundet und beurkundet“. Diese Formel hat anfangs der dreißiger Jahre jenen CVern die Wege zum Nationalsozialismus geebnet, die auf dessen Bekenntnis zu einem sogenannten positiven Christentum reflektierten, auf die Gegnerschaft zu materialistischen und individualistischen Ideologien, auf die Gegnerschaft zu den traditionellen Feinden des CV unter den Liberalen, Sozialdemokraten und Kommunisten.

Gestützt auf diese Kompromißformel haben Wilhelm Wolf und Oswald Menghin (beide Angehörige der Regierung Seyß-Inquart), Taras Borodaykiewicz, Walter Trnik (Liquidator der VF nach 1938), Anton Fellner (Redakteur der ö. Beobachter) und andere die Öffnung nach rechts gefunden, um sich jenem rasch vorstoßenden Rechtsradikalismus anzuschließen, der den anscheinend nur in Abwehr erstarrten und wenig zeitaufgeschlossenen CV überholte. Mit der fortschreitenden Diskriminierung des auch von den Nazis so bezeichneten politischen Katholizismus durch offizielle kirch

liche Kreise und durch die sich bereits in der Ära 1933 38 herausbildende Mentalität der späteren Katholischen Aktion in Österreich wurde schließlich jene religiös-weltanschaulich orientierte Gegnerschaft, die der Reihe nach der Liberalismus, der Nationalismus, die Sozialdemokratie, die Nazis und die Kommunisten gegenüber der weltanschaulichen Position des CV unterhalten haben, auf eine mehr oder weniger parteipolitisch rele

vante" Unterscheidung reduziert. In dem Maße, in dem diese religiösweltanschaulichen Gegner des CV ihrerseits scheinbar dazu übergingen, in der Öffentlichkeit bald das eine, bald das andere Prinzip des CV (niemals die innere Geschlossenheit der Prinzipien) als das ihre herauszustellen, wurde die Knoll'sche Formel für viele CVer praktikabel; die

legendäre Gesinnungsgemeinschaft der CVer begann da und dort zu zer- bröseln.

Provokation im Verbandsorgan

Dazu kam, daß nach 1945 so etwas wie eine Wiedereinsetzung des CV in den vor 1938 in Österreich gewesenen Zustand seiner Struktur und Funktion geschah. Es gab damals

Absichten, die im Umkreis um den damaligen Vorsitzenden des CV- Beirats (Heinrich Drimmel) und Ernst Marboes verlautet wurden; ersterer schied anfangs der fünfziger Jahre aus der Verbandsführung aus, Marboe verstarb viel zu früh. In der darauffolgenden Ära Hermann Withalms (Vorsitzender der Altherrenschaft) und Eduard Cha- loupkas (Vorsitzender des Beirates) schien aber die Gewähr für eine sehr Zielgerade Entwicklung gegeben zu sein. Und doch geschah es gerade in dieser Zeit, zum Teil aus äußeren Ursachen, daß die Jungen von dem System der in sich geschlossenen Gesinnungsgemeinschaft abrückten, um sich die in mehrfacher Hinsicht brauchbare Knoll'sche Formel im Sinne eines Sowohl-Als-auch zurechtzulegen.

Der CV-Beirat war niemals ein Machtinstrument oder ein Führungsapparat des Verbandes, sondern ein Knotenpunkt, von dem aus eine gewisse Ordnung in den geistigen Beziehungen der Jungen und Alten geschieht. Zuerst wurde der Beirat 1921 auf der Cartellversammlung in Linz von den CV-Reformern aus der Frontgeneration gefordert; angesichts der altstudentischen Traditionen aus der Zeit vor 1914. Der damalige Beirat ging personell zum Teil aus dem Beirat für die Verbandszeitschrift „Academia“ hervor; anfangs der sechziger Jahre wiederholte sich dieses Experiment noch einmal. Das, was in der Sprache der heutigen Jungen das Establishment der Verbandsorganisation ist, existiert im Beirat und in der Verbandsführung weiter. Die Revolte der Minorität unter den Jungen geschieht im Redaktiansstab der mit einem ganz neuen Make-up versehenen „österreichischen Academia“. Dort haben sich die sehr auf Unruhe bedachten „Jungtürken“ der beginnenden sechziger Jahre nach und nach versammelt. Nicht zuletzt jene, die in ihren eigenen Verbindungen das Los des Propheten im

eigenen Land erfahren mußten. Die Malaise bei dem Ganzen ist, daß die Studierenden, so wie eh und je, ihre Verbandszeitschrift kaum in die Hand nehmen, während unter den Alten Herren oft gerade jene lesebeflissen sind, die sich durch die ihnen ungewohnte neue Schreibweise ihres traditionellen Verbandorgans immer aufs neue pro-

voziert und zur Stellungnahme herausgefordert fühlen. Es hat also die von den Jungen gewollte Provokation gezogen. Und doch entstand bisher kein verwertbares Spannungsgefälle. Für diese Konfrontation der Jungen mit den Alten fehlt die anerkannte, gemeinsame, geistige Instanz mit der dazugehörigen Sprache. Die Konstellation bekommt zuweilen eine verzweifelte Ähnlichkeit mit dem allerorts auftretenden Konflikt der Philister mit den Beatniks.

Nun gibt es in der jetzigen Zeit kaum noch eine von katholischen Studenten geleitete Zeitung, in der nicht von der in Gang befindlichen Revolution (die ältere Generation sprach in ihrer Zeit von der Zeitwende) die Rede wäre. Die Zeitschrift „Convergence“, Organ der Internationalen Bewegung katholischer Studenten Pax Romana ist voller Aufsätze über Geist und Technik der Revolution samt den Nachweisen, wie sehr katholische Studenten in allen Ländern daran Anteil haben.

Dialog statt Prinzip

Vieles ist ungeklärt und unerklärlich. Viele junge Menschen, auch CVer, glauben den Sinn des Aufstandes des Vietkong zu verstehen, während der Zweck des Terrors der kommunistischen Partisanen ihren Augen unsichtbar bleibt. Sie begrüßen die von einzelnen Kommunisten geforderte Meinungsfreiheit über verschiedene Wege zum Ziel des Kommunismus wie ein verheißungsvolles Rot der Freiheit und übersehen, daß sie selbst mit ihrer geistigen und seelischen Verfassung in dieser Freiheit für Kommunisten keinen Platz und noch weniger die Freiheit für ihre Meinung hätten. Man kokettiert mit den Praktiken der amerikanischen Bürgerrechtskämpfer, Sit-in, Teach-in usw., rezipiert aber zugleich die Politologie jenes Establishment in den USA, das von eben diesen Bürgerrechtskämpfern zum Umsturz bestimmt wird. Waren einmal die „Vier Prinzipien des CV“ für seine Angehörigen tabu und in unangreifbarer Feme, so sind sie heute für viele Junge die auswechselbaren Inventarstücke ihrer zahlreichen Dialoge, manchmal auch nur noch Rastplätze für jene, die, wie man meint, nicht mehr umdenken oder neudenken können.

© Das Katholizitätsprinzip, Pivot des CV, ist bei vielen so etwas wie Religiosität ohne Kirchlichkeit, eine Existenz hart an der Grenze des Deismus. Die lebhafte und im Grunde ergebnislose Auseinandersetzung über die Frage, ob auch evangelische Christen in die Verbindungen aufgenommen werden sollen, hat weniger den Sinn für die neue Gemeinschaft aller Christen gezeitigt, als vielmehr das Experiment einer katholischen Gemeinschaft ohne konkrete katholische Lebensform bloßgelegt

• Das Prinzip Pflege der Wissenschaft, einmal in harten Auseinandersetzungen mit dem liberalen Schlagwort von der „voraussetzungslosen Wissenschaft“ erfaßt, schwimmt im Mahlstrom des Positivismus, so wie dieser vor allem in methodischer Hinsicht von zahlreichen Hochschullehrern aus Kreisen des CV entschieden doziert wird.

• Das Vaterlandsprinzip, Preis und Opfer der „faschistoiden Generation der dreißiger Jahre“ wird von einem vagen europäischen Internationalismus aus den Angeln gehoben; wertvolle Teile der Kulturtradition fallen durch das weitmaschige Netz des technokratischen Denkens.

• Und da ist die Freundschaft, die Gemeinschaftsform, die den Inhalt trägt; einmal laut „Arbeiter-Zeitung“ der „Kitt des CV, den man spürt, aber nicht sieht“; heute der karge Ertrag sporadischer offizieller Veranstaltungen. Dabei ist es so, daß die Gegner des Comment längst ihre eigenen Probleme haben und gar nicht mehr dazu kommen, die Form der Vergangenheit mit der einer schöneren Zukunft auszutauschen. Denn anstatt der schwer gerügten Bierherrlichkeit entstand der Konsum der hard drinks, da und dort schon der Drogenkonsum; an Stelle der bei Rektorsinaugurationen zuweilen unerwünscht gewesenen Chargierten müssen es sich die akademischen Behörden gefallen lassen, daß ein Wurzelsepp vom Typ des Kommunarden Teufel die Aufwartung macht oder ein Sit-in die Inaugurationsfeier konkurrenziert; und was sind schon die ausgesuch

testen hors d'oeuvres des couleurr studentischen Comments, verglichen mit der Ausstattung eines Noncon- formisten aus einem veritablen Co- Existence-Bagel-Shop.

Was ist überhaupt in dem ganzen gegenwärtigen Gehaben der jungen Menschen krasser Ulk und outrierte Provokation und was geistiger Aufruhr? Hier in Österreich, wo sich die einen bei dem Ausbleiben der Exzesse in einer Insel der Seligen wohlfühlen, die anderen im Rückstau einer abseitigen Provinz zu tot ärgern, ist das nicht immer genau zu unterscheiden. Aufruhr und nicht bloße Provokation geschieht dort, wo ein „radical change in the principles, opinions, sentiments and affections“, stattfindet oder stattgefunden hat.

Wenn zum Beispiel in einer traditionsreichen Verbindung mit einer durch hervorragende Prominenz ausgestatteten Altherrenschaft eine große Zahl von Befragten die gleichzeitige Mitgliedschaft zu CV und SPÖ bejaht, dann ist das „radical change in opinions“. Wenn Hochschulpolitiker in der neugegründeten Hochschülerpartei von einer „progressiven Mitte“ ausgehen, dann ist klar, wohin dieser Progreß, der keine politische Rechte mehr wahrhat, gehen wird; das ist change in principles. Und wenn an dem Tag, an dem an der Universität Wien die Fahne des

Vietkong gehißt worden ist, die anwesenden CVer nur die Staffage der neutralen Zuschauer abgegeben haben, dann ist in einer Stunde wie dieser nicht nur eine neue opinion sondern eine veränderte Position signalisiert worden.

So wie in vielen Verbänden haben auch im CV junge Menschen eine Selbstinterpretation an Hand' des „Spiegels“ des Herrn Augstein, in den Diskussionen über die Neue Sozialdemokratie des Herrn Nenning und im Zerrspiegel der 3 M (Marx, Mao, Marcuse) gesucht. Der katholische Verband teilt darin das Los der Kirche im Übergang, deren junger Klerus vielfach den Unglauben der anderen schont, indem er einen eigenen mit einer seltsamen Mimikry hervorkehrt.

Marcuse am Convent

In der kleinbürgerlichen Geistesverfassung großer Teile der westlichen Welt ist jetzt noch einmal Marx der Prophet auf getaucht; agiert Marcuse als dessen Interpreter in die moderne Sprache; droht das „Schwert des Marxismus“, Mao Tse-Tung. War in den zwanziger und dreißiger Jahren das Bild des im Ruhrkampf gefallenen CVers Albert Leo Schlageter für die Jungen Symbol des kompromißlosen Kampfes gegen die Machtordnung der Sieger von 1918, dann tragen jetzt nicht wenige die Bilder Ho Tschi

Minhs und Ches wie Kampfabzeichen. Die Jugend weiß, daß sie sich durch ihre Profite aus Wohlstand und Sekurität kompromittiert hat und sie will sich rechtfertigen; entweder durch den Auszug aus der sie umgebenden Welt oder durch deren innere Zerstörung.

Diese Welt ist in den letzten 100 Jahren nicht aus dem Christentum entstanden, sondern als dessen versuchte Widerlegung. Es kann nicht Aufgabe des CV sein, die letzte Wache von gestern zu schieben. Daher geht es bei ihm nicht um die Vereinigung des Exodus, sondern um dessen Orientierung. Es ist dabei ganz unwichtig, was aus der Vorstellung des jungen Marx hätte werden können; angesichts dessen, was ist, bleibt das wichtig, was aus der Lehre des jungen Christus wird. Das Unbehagen mit der Welt ohne Gott braucht sich niemand bei Herrn Marcuse einzulesen; es ist ohne dessen Analysen da. Und seit sich der Steinerne Gast, der die Setzlinge des Frühlings 1968 zertreten hat, neuerdings vor unserer Tür niedergelassen hat, ist uns mit frommen Sprüchen aus der Mao- Bibel nicht geholfen.

Auch der CV kann die ganzen Irrtümer der Linken von gestern nicht mit den halben Irrtümern der Linken von heute kompensieren. Er muß aus der Negation in eine Position finden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung