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Schatten - und ein wenig Licht

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In der letzten Zeit haben sich wieder einige Dinge in Südtirol ereignet, die bezeichnend für die Handhabung der Gesetze hier sind.

Nach einer letzten Meldung ist in der Gemeinde Gsies im.j Pusterfal ein neues Stellenvermittlungsamt geschaffen worden. Als Bewerber für dieses Amt traten mehrere Südtiroler, aber aucft ein Italiener, und zwar der frühere Karabiniere Cierzo Pasquale auf, und diesen Posten erhielt natürlich dieser einzige Italiener. Ei ist bezeichnend, daß bei den Gemeindewahlen im Herbst 1956 in der Gemeinde Gsies 880 Wahlberechtigte waren, wovon 816 Edelweißstimmen, zwei Stimmen die damalige Liste des Tiroler Volksverbandes bekamen, also insgesamt 818 Tiroler Stimmen gegen 31 italienische

Stimmen, also um 787 Stimmen mehr deutsche als italienische Wähler vorhanden waren, wobei noch zu bedenken ist, daß die italienischen Stimmen den dort stationierten Kanabiniieri; Finanzieri und Lehrpersonen des Tale gehörten und wahrscheinlich auch die Stimmen der italienischen Mitglieder der Wahlkommission dazugezählt werden können, da Im ganzen Gsieser Tale, bestehend aus den Ortschaften St. Martin, St. Magdalena und Pichl, keine ortsansässigen Italiener zu finden sind.

Der Vorgang bei der Verleihung dieses Stellenvermittlungsamtes spielte sich — wie im übrigen auch in anderen Gemeinden, wie zum Beispiel Sand in Taufers — folgendermaßen ab: Die Stelle wurde zur öffentlichen Bewerbung ausgeschrieben. Es konnten sich alle Staatsbürger der Republik Italien darum bewerben; natürlich erhielt der italienische Bewerber von vornherein mehr Punkte und gelangte auf diese Weise auch in den Besitz der ausgeschriebenen Stelle. Die Folge davon ist natürlich, daß dieser italienische Amtsleiter des Stellenvermittlungsamtes italienische Bewerber bevorzugt und für die deutschsprachigen Bewerber so gut wie keine Aussicht besteht, durch dieses Stellenvermittlungsamt eine Anstellung oder eine Arbeit zu bekommen.

Man muß diese aus dem Alltag gegriffene und unscheinbare Methode der Stellenvergebung genauer untersuchen und man wird dann verstehen, daß die Arbeitslosigkeit bei den deutschsprachigen Bewohnern Südtirols sich immer mehr und mehr ausbreitet, da die Schlüsselstellungen in den Arbeitsvermittlungsämtern fast ausschließlich von Italienern besetzt sind. Die bekannte Zahl von 3000 Arbeitslosen, die im Ausland Arbeit suchen müssen und die sich von Jahr zu Jahr steigert, ist durch diese Methode entstanden, und es ist leider zu befürchten, daß sich diese Zahl im Laufe der nächsten Zeit durch diese Methoden verdoppelt und ver-drelfttdht 1* & nsnoMsqirbJ hm: mistianr!

Dabei gehen die Italiener von dem im ersten Augenblick recht harmlos scheinenden Standpunkt aus, daß sämtliche Staatsangehörige der italienischen Republik einschließlich der deutschen Minderheit in Südtirol gleich behandelt werden, was den Buchstaben des Gesetzes nach ja auch richtig ist. Daß der Pferdefuß dahinter steckt, daß die rund 250.000 Südtiroler gegenüber den rund 50 Millionen Italienern von vornherein im Nachteil sind, da dieselben immer mehr Punkte erhalten als die Südtiroler, wird wohlweislich verschwiegen.

Auf diese Weise ist es zu verstehen, daß 90 Prozent des Personals der öffentlichen Krankenhäuser, rund 80 Prozent des Personals der öffentlichen Verkehrsbetriebe (Autobuslinien, Straßenbahnen, Straßenarbeiter) Italiener sind, die Anzahl von italienischen Briefträgern in rein Tiroler Gemeinden immer größer wird, ganz abgesehen von den Polizeiämtern in den Städten Südtirols, die mit italienischem Personal besetzt werden. Sobald ein Italiener eine Anstellung hat, ist es für ihn zu einer Wohnung in einem der immer neu entstehenden Volkswohnhäuser nicht sehr weit.

Die neuerliche Zuwendung von zweieinhalb Milliarden Lire für Volkswohnhäuser in Bozen, welche der Innenminister Togni allerdings als das „italianissimo Bolzano“ bezeichnet, obwohl die Wahlergebnisse ihm alles andere als recht geben, ist nur ein weiterer logischer Schritt auf diesem wohldurchdachten Weg zur Vollendung der Italienisierung Südtirols.

Von diesem Standpunkt aus muß man die Forderung der Südtiroler Landesregierung und der Südtiroler Bevölkerung überhaupt verstehen, wenn dieselben für Südtirol eigene Gesetze, welche den Gegebenheiten Südtirols angemessen sind, insbesondere im Hinblick auf die deutsche Bevölkerung, welche zum Leidwesen der Italiener immerhin bei den letzten Wahlen noch rund

61 Prozent der Stimmen in der Provinz Bozen aufbrachte, fordern, denn nur auf diese Weise kann für die deutsche Bevölkerung Südtirols ein richtiger Rahmen geschaffen werden, der auch auf gesetzlicher Basis die Gleichberechtigung der Südtiroler, welche so gern von Italien bei jeder Gelegenheit herausgestellt wird, in die Praxis umzusetzen vermag.

Immerhin, zwei erfreuliche Tatsachen sollen auch nicht verschwiegen werden: und zwar zwei Entscheidungen der italienischen Gerichte. Die eine betrifft einen Freispruch des Bezirksgerichtes Meran für zwei Tiroler Bauernburschen, die am Kriegerdenkmal einen Kranz mit rotweißer Schleife niederlegten. Natürlich sahen die übereifrigen Italiener darin eine Herausforderung des italienischen Nationalgefühls und machten sofort die Anzeige an das Gericht.

Der italienische Richter von Meran war allerdings aufgeschlossener und sprach die beiden Burschen frei mit der Begründung, daß die Farben Rot-Weiß die Farben der Provinz Bozen seien und sohin keine Veranlassung zu einem Einschreiten von seilen des Gerichts vorliege, weil durch diese Kranzschleifen in den Farben Rot-Weiß keine Verletzung' des ' italienischen Nationalgefühls zu erblicken sei.

Die andere Entscheidung, die vom italienischen obersten Gerichtshof in Rom (Kassationshof) im Sprengstoffprozeß gegen deutsche Südtiroler gefällt wurde, ist viel wichtiger und angesichts der Tatsache, daß diese Entscheidung vom obersten italienischen Gericht gefällt wurde, auch von besonderer Bedeutung.

Während nun der italienische Staatsanwalt Rocco den Südtiroler Burschen Mißachtung des ita'ienischen Nationalgefühls vorwarf, haben sowohl der italienische Verteidiger (Perego) als 4uch der deutsche Verteidiger, der jetzige Süd-riroler Senator Dr. Sand, mit ihren Ausführungen hervorgehoben, daß man von einem deutschen Südtiroler kein italienisches Nationalgefühl verlangen könne, denn die Südtiroler seien zwar Angehörige des italienischen Staates, aber deutscher Zunge, und es sei daher absurd, einem deutschen Südtiroler eine Straftat nach Art. 271 und 272 Strafgesetz vorzuwerfen, da eine Verschwörung gegen die italienische Nation in keiner Weise vorliege. Mit diesem Urteil sowohl des Kassationshofes als auch des Schwurgerichtshofes von Trient ist auch amtlich von zuständiger italienischer Seite ein Trennungsstrich zwischen Nation und Staatsbürger gezogen worden. Mit diesem Wahrspruch wurde auch offiziell anerkannt, daß die Südtiroler zwar italienische Staatsbürger sind, aber nicht Angehörige der italienischen Nation.

Die italienischen Heißsporne, vor allem die Neofaschisten und andere extreme Parteien, mögen sich diese Entscheidung der beiden italienischen Gerichte ins Stammbuch schreiben. Für die Südtiroler bilden diese beiden Entscheidungen einen kleinen Lichtblick. Es ist zu hoffen, daß nun auch in Zukunft weitere ungerechte Verurteilungen von Südtirolern unterbleiben werden.

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