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Scheitern der „Neuordnung“

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NATIONALSOZIALISTISCHE POLENPOLITIK 1939-1945. Von Martin Broszat. Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Nr. 2. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1961. 198 Seiten. Preis 7.80 DM.

Zur Polenpolitik des Dritten Reiches gibt es eine Reihe von Einzeluntersuchungen, die vor allem von polnischen Forschungsstellen herausgegeben wurden. Um so begrüßenswerter ist das Werk von Martin Broszat, der schon durch zahlreiche Aufsätze und Vorträge als Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte in München international bekannt wurde. Das vorliegende Buch zeigt deutlich an Hand der bisher zur Verfügung stehenden Akten, wie die nationalsozialistische Polenpolitik zustande kam und welche Ideen Hitler dabei leiteten. Der Gedanke eines polnischen Reststaates, unmittelbar nach Kriegsbeginn noch möglich, wurde von den konservativen Kräften des Auswärtigen Amtes bis Mitte September 1939 vertreten, um außenpolitisch die Tür zu Verhandlungen mit den Westmächten offenzuhalten. Aber schon Hitlers Danziger Rede vom 19. September 1939 deutete darauf hin, daß „die endgültige staatliche Gestaltung“ der polnischen Gebiete „in erster Linie von Deutschland und der Sowjetunion abhinge“.

Der zweite Vertrag von Moskau vom 28. September 1939 schob die Behandlung Restpolens Deutschland zu, und in der Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939 wurde von Seiten Hitlers zwar noch einmal von der Herstellung eines polnischen Staates an die Adresse der Westmächte gesprochen, jedoch hatte er sich zu dieser Zeit schon weitgehend auf die Politik der Errichtung eines polnischen Restgebietes (Generalgouvernement) festgelegt. Auch einzelne Versuche polnischer Politiker, die :m Gegensatz zur Exilregierung noch glaubten, eine polnische Staatlichkeit aushandeln m können, wie der hochangesehene Sprecher einer prodeutschen Politik, Prof. Wladis-law Studnicki, scheiterten. Außenpolitik und mögliche Gewinnung des im deutschen Herrschaftsbereich verbliebenen polnischen Volksteiles mußten resignieren vor einer „Neuordnung“, die sich primär polizeilicher Mittel bediente (S. 18). DaTaus ergibt sich die weitere Untersuchung Broszats, der, ausgehend von der Aufhebung der Militärverwaltung in Polen, die einzelnen Phasen der Eingliederung in FoTm von Schaffung größerer Ost-Reichsgaue und des Generalgouvernements untersucht und dabei die einzelnen behördengeschichtlichen Besonderheiten ganz vorzüglich herausstellt.

Wie in allen besetzten Gebieten, sind die Faktoren der Besatzungsmacht in kaum übersichtlicher Verzahnung in ständigem Kleinkrieg um die eigene Macht verstrickt, wobei allerdines aus dem Kapitel über die personelle und organisatorische Struktur der deutschen Exekutive hervorgeht, wie stark das Obergewicht des Machtbereichs der SS und der Polizei war. Die verschiedenen Ordnunesversuche. aber auch An-siedlunesmaßnahmen blieben angesichts der unheilvollen AuOieutungs- und Niederhaltungspolitik Theorie. Dem geschlossenen polnischen Widerstand stand keine elastische und überzeugende deutsche Polenpolitik gegenüber, obgleich Frank seit Sommer 1943 angesichts der Ereignisse an den Fronten dringend bei Hitler Vorstellungen erhob. Nicht einmal die Anerkennung der polnischen Heimatarmee bei der Kapitulation des Warschauer Aufstandes am 2. Oktober 1944 nach völkerrechtlichen Normen vermochte in letzter Stunde die Versklavungsidee der Polen-politik iura Verschwinden zu brlnjen. Der

Verfasser schließt seine Untersuchung mit folgenden Sätzen:

„Hier wie in Hunderten anderer Fälle zerstörte die einfallslose Gewaltsamkeit Ansätze und Möglichkeiten einer wenigstens einigermaßen annehmbaren Gestaltung der deutschen Besatzungspolitik. Ungefüger Machtwille auf der Basis einer zynischen völkischen Weltanschauung kannte als Instrumentarium immer wieder nur die grobschlächtig vereinfachte Maßnahme'. Durch diese Sinn- und Formlosizkeit, die den Anfang, aber auch noch das letzte Kapitel deutscher Herrschaft in Polen bestimmten, wirtschaftetViu dif t nationalsozialistische Polenpolitik nicht nur sich selbst zugrunde^flfie ^'^erwirtschaftete auch den historischen Rechtsgrund deutscher Stellung im Osten.“

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