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Schisma in China?

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„Wir müssen die politischen und wirtschaftlichen Bande mit dem Vatikan zerschneiden und nur soweit gehorchen, als es die Gesetze der Kirche verlangen. Wir können dem Vatikan nicht gestatten, die Religion zur Verschwörung und Zersetzung gegen unser Land zu gebrauchen … Die Katholiken müssen unter Führung der Kommunistischen Partei entschlossen den Weg dea. Sozialismus gehen.”

Diese Ausführungen unterscheiden sich eigentlich kaum von den üblichen Parolen vblks- chinesischer Festredner. Neu ist an ihnen lediglich, daß sie aus dem Munde eines katholischen Erzbischofs stammen, der lange für seine Romtreue im Kerker „gebüßt” hatte. Darum sind sie im Grunde nicht nur bedauerlich, sie zeigen vielmehr, in welches Stadium der chinesische Kirchenkampf bereits getreten ist.

Selbstverständlich begann diese Entwicklung nicht erst mit den ersten unerlaubten Bischofsweihen im April vergangenen Jahres. Schon die sogenannten „drei Autonomien” von 1951 zeigten klar den neuen Weg. Sie setzten gerade dort an, wo die wunden Punkte der „Chinamission” lagen. Die Missionen (aller christlichen Konfessionen) hatten seit der Jahrhundertwende ja nur zu sehr unter dem Schutz der ausländischen Exterritorialrechte gestanden, die den chinesischen Stolz kränken mußten. Das Neue China hat diese Exterritorialverträge gekündigt und dabei auch den Grundbesitz der Missionen konfisziert. Mit den anderen Ausländern, gegen die sich das Ressentiment der Chinesen richtete, haben die ausländischen Missionäre China verlassen müssen. Und viele einheimische Chinesen sahen vom chinesischen Standpunkt tatsächlich wie „Kollaborateure” aus. Die drei Autonomien der Leitung, der Finanzverwaltung und der Verkündigung schienen so, oberflächlich besehen, nur einigen alten Uebeln abhelfen zu wollen. Aus Mangel an einheimischen Kräften mußte die Chinamission nun einmal weitgehend von „Ausländern” getragen werden, aus Mangel an eigenem Kapital mußte sie vom „Ausland” unterstützt werden, und da vielfach noch keine endgültigen ethnologischen und religionswissenschaftlichen Forschungsergebnisse Vorlagen, war eben auch die Glaubensverkündigung noch zu sehr mit abendländischen Kulturelementen verquickt.

Die Verkündigung der drei Autonomien ging daher mit dem üblichen Theaterdonner in Szene. Man plante sogar einen eigenen chinesischen Papst, aber beide Kandidaten lehnten ab. Der Apostolische Administrator von Tientsin wies sogar aus dem Gefängnis das Ansinnen zurück, obwohl man ihm die Freiheit versprach, und der Erzbischof von Nanchang erwiderte auf alle Anfragen, die katholische Kirche könne nur einen Papst haben, und zwar den von Rom. Die chinesischen Katholiken verhielten sich im übrigen völlig passiv, und selbst die berüchtigten Terroraktionen des Jahres 195 5, die einige Tausend (unter ihnen Bischof Kung von Schanghai, die Seele des organisierten Widerstandes) ins Gefängnis brachten, führten nicht zum Ziel. Die Bewegung der drei Autonomien war also trotz der Besorgnis, die sie selbst in Rom anfänglich hervorgerufen hatte, nicht recht zum Zuge gekommen.

Aber es war ja nicht das Ziel der kommunistischen Machthaber, die Kirche zu schließen. Man sprach daher nicht mehr von den drei Autonomien, sondern von der sogenannten „Patriotischen Vereinigung”, die schon 1954 angekündigt worden war. Sie wollte die Autorität, des Heiligen Vaters unter gewissen Einschränkungen anerkennen. Die neue Parole lautete darum nur: „Das Vaterland lieben und den Imperialismus bekämpfen; gleichzeitig Vaterland und Kirche lieben,”.

Sie fand mehr Anklang. Nach drei vorbereitenden Tagungen kam es am 17. Juli 1957 zum ersten großen Kongreß, der bis zum 1. August in Peking tagte und angeblich von 241 Katholiken — darunter zwölf Bischöfen und siebzig Priestern — besucht wurde. Viele von ihnen sollen nur gezwungen gekommen sein. Nach offiziellen Quellen haben sich auf dieser Versammlung drei Tendenzen abgezeichnet: eine „beschränkte Minderheit von Priestern”, die die sofortige Aufnahme von Beziehungen mit Rom verlangt hätten; zahlreiche Laien, die eine weitgehende Autonomie von Rom wünschten, und schließlich „gewisse Bischöfe und einige einflußreiche Priester”, die vor allem auf eine liberalere Haltung der Regierung gegenüber der Kirche drängten.

Wie immer sich die Diskussionen in einem solchen Gremium abgespielt haben mögen, das Resultat, das Radio Peking am 2. August durchgab, lautete jedenfalls: Lösung aller politischen und wirtschaftlichen Bindungen an dfen Vatikan; jedoch werden die chinesischen Katholiken in dogmatischen und sittlichen Fragen dem Vatikan gehorchen!”

Immerhin schweigt sich die rote Presse über die Zahl der Priester aus, die dem Kongreß ihre Zustimmung gegeben haben sollen. Auch scheint die Schlußresolution ohne Mehrheitsbeschluß angenommen worden zu sein, da bereits viele Teilnehmer den Kongreß verlassen hatten. Trotzdem brachte man ein Komitee von 150 Katholiken zusammen, die sich bereit erklärten, die „Patriotische Vereinigung der chinesischen Katholiken (KPV)” in ganz China einzuführen. Den Vorsitz soll der Erzbischof von Mukden übernommen haben, der sich auf einem der Zwangskongresse zu- den Worten hinreißen ließ, die wir eingangs zitierten.

Auf dieser Linie wurde nun weitergearbeitet. Schulungskurse in verschiedenen größeren Städten trommelten Priester und Ordensleute zusammen, um sie gründlich umzuerziehen. „Täglich drei Sitzungen. Jede dauert zwei Stunden. Das reicht, um einen Menschen verrückt zu machen”, schrieb ein Priester nach Hongkong.

Der zweite Programmpunkt sind die Lokalkongresse der KPV, die genau das gleiche Ziel wie die Schulungskurse haben. Bis März vergangenen Jahres sollen nach rotchinesischen Meldungen 4000 Personen, darunter 111 Bischöfe öder Bischofsvertreter und 1300 Priester, teilgenommen haben.

Wo aber Zwangskurs und Kongreß nicht wirkten, griff man zum bewährten letzten Mittel aller Diktaturen, zur Verhaftung. Allein um Weihnachten 1957 wurden vier chinesische Bischöfe oder deren Vertreter verhaftet:

Eine schismatische Kirche (sie war ja schließlich von Anfang an das Ziel) kann aber nicht ohne Bischöfe bestehen. China hatte vor der kommunistischen Machtübernahme für die rund drei Millionen Gläubigen 143 Bischöfe. Die Ausländer unter ihnen sind inzwischen alle ausgewiesen wprden oder in den Gefängnissen zugrunde gegangen. Von den 25 Einheimischen sind acht im Gefängnis, fünf jetzt nach einer Gefängnisstrafe wieder frei und elf frei, aber überwacht.

Leitartikel in verschiedenen chinesischen Zeitungen ließen die Spannung langsam steigern. Aip 13. April 1958 kam es dann zum entscheidenden Sehlagj Bischof-Li Tao-nąn -von-Pü-Chi weihte in der Kathedrale von Hankow zwei Franziskaner „unter genauer Befolgung der überlieferten Riten der katholischen Kirche” zu Bischöfen. Man hatte vorher in Rom angefragt, doch das Gesuch war ausdrücklich abgelehnt worden, da nach,Kanon 329 §2 und 332 § 1 des Codex Juris Canonici nur der Papst nach freiem Ermessen Bischöfe ernennen kann. Die Rechtslage war also klar, und die beiden „Bischofskandidaten” waren eigens durch römische Schreiben darauf hingewiesen worden. Trotzdem sollen bis heute 15 Bischöfe unerlaubt konsekriert und weitere 32 Bischöfe gewählt worden sein.

Kann man deshalb bereits von einem Schisma sprechen? Vor der Verkündigung der Enzyklika „Ad Apostolorum Principis” vom 29. Juni 1958 war man vielfach abgeneigt. Auch diese letzte Enzyklika Pius’ XII. gebraucht den Ausdruck Schisma nicht, kennzeichnet aber die Sache, um Priestern und Gläubigen zu zeigen, wohin der Weg führt. Anderseits mißt sie der Frage der Indoktrination und Personzerstörung eine große Bedeutung zu, und das mit Recht. Denn Kanon 1325 §2 sagt ausdrücklich, daß nur der ein Schismatiker ist, der sich grundsätzlich weigert„ dem Papst als dem Oberhaupt der Kirche oder den mit ihm vereinigten Bischöfen unterworfen zu sein.

Wer will also bei den Zwangsmethoden der Kommunisten von einer grundsätzlichen Weigerung sprechen? So lehnte z. B. Msgr. Li zunächst jede Konsekration standhaft ab und erklärte öffentlich: „Wenn ich zwei Seelen hätte, würde ich eine opfern und diese Weihe vornehmen, aber ich habe nur eine-, die ich retten will, und nie werde ich diese Weihe vornehmen, ohne dazu die Ermächtigung Roms erhalten zu haben.” Nach acht bis zehn Tagen (und Nächten?) ununterbrochener Indoktrination tat er allerdings am Weißen Sonntag, was er noch zu Ostern entschieden abgelehnt hatte. Aehnlich geheimnisvoll sind die Vorgänge um die anderen Kon- sekratoren, wie Erzbischof Pi von Mukden und Bischof Chao von Sienshien.

Wer will über sie den Stab brechen? Wenn man also im Moment mit der Bezeichnung „Schisma” auch noch sehr vorsichtig sein muß, auf längere Zeit gesehen wird man große Sorgen haben müssen.

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