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Schröder und die Affäre Kroll

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Schröder stand schon vor seiner Ernennung zum Außenminister in dem Ruf, sowohl zu Berlin und zur Berlin-Frage, wie in den anderen außenpolitischen Problemen eine sehr realistische Haltung einzunehmen. Es war zu erwarten, daß er damit einmal mit einem Teil der CDU-Fraktion in Konflikt geraten werde, die an einer starr alle Verhandlungen mit den Russen ablehnenden Haltung festhielt. In den der Amerikareise folgenden Wochen hielt sich Schröder, man möchte fast sagen demonstrativ, zurück. Seine selbständige, von Brentano abweichende Haltung stellte er erneut auf der Genfer Abrüstungskonferenz im März unter Beweis, als er seinem sowjetischen Kollegen Gromyko einen Höflichkeitsbesuch abstattete. Dieser Schritt rief in den Kreisen Bonns Unbehagen hervor, die kurz vorher die Abberufung des wegen seiner guten Kontakte gty Chruschtschow beargwöhnten deutschen Botschafters in Moskau, Kroll, erreicht hatten. Die Haltung Schröders in der Affäre Kroll ist nicht ganz klar, wie überhaupt der Eindruck vorherrscht, daß der neue Chef des Auswärtigen Amtes in seiner Dienststelle noch mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.

Die Lage Schröders wird dadurch noch schwieriger, weil seine Gegner sehr wohl wissen, daß sie mit ihren Ansichten bei Konrad Adenauer mit Verständnis rechnen können. Zu den vielen Versäumnissen, die diesem Kabinett noch nach sechs Monaten den Charakter einer Übergangslösung geben, gehört es. daß Adenauer es bisher versäumt hat, für Schröder einzutreten und ihm damit auch in seinem Amt die unbedingt nötige Autorität zu geben. Wer Adenauers Vorliebe für die Außenpolitik kennt, hält es für nicht ausgeschlossen, daß dieses Versäumnis nicht zufällig ist. Die unsicheren Verhältnisse im Auswärtigen Amt, die offenbar jeder Intrige Tür und Tor öffnen, haben in Amerika zu wachsender Verärgerung geführt, die zu einem ersten Höhepunkt kam, als in der Woche vor Ostern eine geheime Mitteilung des amerikanischen Außenministeriums über den von Außenminister Rusk stammenden Entwurf in die deutsche Presse gelangte, der zur Grundlage des Gesprächs mit dem russischen Botschafter in Washington über die Berlin-Krise dienen sollte. Es blieb unwidersprochen, daß hinter dieser Intrige, die in Amerika scharfe Reaktionen auslöste, Heinrich von Brentano stand, der grundsätzliche Bedenken gegen den amerikanischen Entwurf hatte. Für die eigenartige Situation in Bonn spricht, daß diese handfeste Intrige, mit der die amerikanisch-russischen Verhandlungen empfindlich gestört wurden, zu keiner Untersuchung führte. Die Reise Brentanos nach Amerika und die von Minister Krone und einigen Abgeordneten der CDU öffentlich geäußerten Bedenken über die jüngst erkennbar gewordene neue amerikanische Taktik in den Berlin-Verhandlungen lassen allmählich die Frage aufkommen, wer in Bonn eigentlich für die Außenpolitik zuständig ist. Nimmt man die Vorgänge um

Botschafter Kroll und diese Vorfälle zusammen, so ergibt sich das wenig erfreuliche Bild einer von Brentano angeführten Fronde, die offenbar mit allen Mitteln die amerikanischen Verhandlungen mit Rußland stören will.

Außenminister Schröder, der sichtlich sehr viel realistischere Ansichten darüber hat. was Westdeutschland Amerika zumuten kann, ist dadurch in eine wenig beneidenswerte Lage gekommen. Sicher hat er gut getan, vor seinem Besuch in Athen bei Adenauer in Cadenabbia Station zu machen, um so einer späteren Desavouierung seiner Haltung bei der NATO-Außen-ministerkonferenz vorzubeugen. Mit seinen in Athen abgegebenen Erklärungen stellte er sich, wenn auch in vorsichtigen Formulierungen, auf der Seite von Rusk, der betonte, daß nichts unversucht gelassen werden darf, was di« Krise entschärfen und die Verhandlungen zwischen den beiden Großmächten wieder in Gang bringen kann.

Die Situation verlangt eine Klärung wer künftig für den Kurs der Außenpolitik in Westdeutschland verantwortlich sein soll, Außenminister Schrödei oder sein übereifriger Vorgänger Brentano. Es bleibt abzuwarten, wie Adenauer das Durcheinander in seinen Kabinett und im Auswärtigen Ami lösen wird. Sicher fällt es ihm nichi leicht, die ihm besonders nahestehenden Herren Krone und Brentano zui Ordnung zu rufen. Eine andere Lösung ist aber kaum vorstellbar, es sei denn Adenauer ließe Gerhard Schröder fallen So bedauerlich dies wäre, so wäre es doch immerhin noch eine annehmbarer« Lösung als Rivalitätskämpfe zwischei ihm und Brentano, die auf Kosten dei außenpolitischen Seriosität der Bundes republik gingen. Allerdings ist es zwei felhaft, ob Amerika eine Rückberufuni Brentanos hinnehmen würde, der in letzten halben Jahr viel von seinen Ruf eingebüßt hat. ein fairer Mann zt sein. Der frostige Empfang, den ihn Präsident Kennedy angedeihei ließ, dürfte gezeigt haben, daß mai dort für den Intriganten nicht vie übrig hat. Ganz offenbar hat es aucl Schröder verstanden, die Amerikane und insbesondere Außenminister Rusl für sich einzunehmen.

Im Grunde geht es hier um mehr al eine Personalentscheidung. Der Aus tritt von Bucerius, die Entscheidung ii der Affäre Kroll und die Störmanöve gegen die amerikanisch-russischei Verhandlungen liegen auf einer Linie die besonders in den hinteren Reihei der CDU/CSU ihre Anhänger hat. Mai kann diese in Westdeutschland nich selten anzutreffende Haltung ruhig al Unfähigkeit bezeichnen, das Vorgehe! derer zu verstehen, die durch neui Ideen versuchen, aus der unfruchtbare!

und gefährlichen Kampfsituation de Ost-West-Konflikts herauszukommen. Ganz abgesehen davon, daß Westdeutschland sich eine solche Haltung in seiner außenpolitischen Situation nicht leisten kann, ist sie auch innenpolitisch außerordentlich gefährlich, weil sie an eine Voraussetzung rührt, auf der demokratisches Denken beruht: die Möglichkeit, auch eine andere Ansicht, die man nicht teilt, gelten zu lassen. Wie lange sich Kennedy Störmanöver dieser Art bieten lassen wird, bleibt abzuwarten. In Inneren aber ist es höchste Zeit, darauf hinzuweisen, daß neue Wege zu suchen und neue Ansichten zu entwickeln nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht jedes Politikers in einer Demokratie ist. Nur in der Diskussion kann ja der einzigartige Vorteil der Demokratie zum Tragen kommen, durch Abwägen aller Argumente die beste Lösung zu finden. Gerade die CDU/CSU könnte bei Konrad Adenauer Wandlungen feststellen, die offensichtlich auf ein Neudurchdenken der politischen Situation beruhen. Im Ver-

: ketzern von Ansichten, in Störmanövern und ähnlichem offenbart sich nur ein Geist, von dem die Welt hofft, daß

; ihn Westdeutschland endlich überwunden hat.

Insgesamt gesehen aber ist es höchste Zeit, daß der braungebrannte und gut erholt aus Cadenabbia zurückgekehrte Bundeskanzler die Zügel wie-. der in seine Hand nimmt. Scheint der große alte Mann doch der einzige zu sein, der in Bonn und in seiner Partei i Ordnung schaffen kann. Was • seine Anwesenheit auch aus diesem Kabinett i der unausdiskutierten Kompromisse zu ' machen versteht, zeigte die Etatdebatte i Mitte April. Hier zeigte sich das Kabi-, nett das erstemal als festgefügtes i Team, das bereit ist, die auf es zukom-i menden Probleme, auch wenn sie un-: populäre Entscheidungen verlangen, zu-: lösen. Um so bedauerlicher ist der in i aller Öffentlichkeit erfolgte Zerfall der i Meinung auf dem so heiklen Gebiet i der Außenpolitik.

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