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Schwedens Balanceakt

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Amerikanische Zeitungen widmeten dem jüngsten Besuch des schwedischen Regierungschefs Olof Palme in Moskau weit mehr Aufmerksamkeit als dem erst kurz vorher abgeschlossenen Besuch Palmes in den USA. Zum Teil ist das verständlich: Während sich der amerikanische Präsident hartnäckig geweigert hatte, sich auch nur zu einer Geste der Höflichkeit bereitzufin-den, und sein Außenminister viel Mühe darauf verwandte, den privaten Charakter des Gespräches mit Palme zu betonen, verlängerten Kossygin und Gromyko die Dauer der Gespräche von vier auf acht Stunden und ließen es sich nicht nehmen, ihren Gast sogar während eines Besuches auf den Fernsehturm zu begleiten und ihn dort zwei Stunden lang zu unterhalten!

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Amerikanische Zeitungen widmeten dem jüngsten Besuch des schwedischen Regierungschefs Olof Palme in Moskau weit mehr Aufmerksamkeit als dem erst kurz vorher abgeschlossenen Besuch Palmes in den USA. Zum Teil ist das verständlich: Während sich der amerikanische Präsident hartnäckig geweigert hatte, sich auch nur zu einer Geste der Höflichkeit bereitzufin-den, und sein Außenminister viel Mühe darauf verwandte, den privaten Charakter des Gespräches mit Palme zu betonen, verlängerten Kossygin und Gromyko die Dauer der Gespräche von vier auf acht Stunden und ließen es sich nicht nehmen, ihren Gast sogar während eines Besuches auf den Fernsehturm zu begleiten und ihn dort zwei Stunden lang zu unterhalten!

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Es war bei diesem Besuch von vornherein klar, daß die Mitgliedschaft Schwedens in der EWG und die Frage einer europäischen Friedenskonferenz die Hauptdiskussionspunkte bilden würden. Schweden sucht einen Anschluß an die EWG, doch will es unter keinen Umständen seine Politik der Bündnisfreiheit im Frieden und der Neutralität im Kriegsfall aufgeben. Man glaubt in Stockholm immer noch, daß auch unter diesen Vorbehalten eine engere Bindung an die EWG möglich sein müsse. Darüber, ob es für Schweden geboten sei, in die EWG einzutreten, bestanden offenbar bis zum Schluß der Moskauer Gespräche starke Gegensätze. Das geht sogar auch aus dem Kommunique hervor. Beim Besuch Kossygins in Schweden im Jahre 1968 hatte es noch geheißen: „Während der Gespräche, die in einem Geist von Wohlwollen und gegenseitigem Verständnis stattgefunden haben...“ Im Juni 1970 sprach man dagegen von „ ... einem Geist von Aufrichtigkeit und gegenseitigem Verständnis““. Das bedeutete doch wohl nur, daß man sich unverblümt die Wahrheit gesagt hat oder das, was man dafür hält. Vom Wohlwollen war keine Rede mehr! Alle inoffiziellen Hinweise lassen darauf schließen, daß Palme in Moskau das Lebens- und Selbstbestimmungsrecht der kleinen Staaten gegenüber den Großen ebenso unmißverständlich vertreten hat wie zwei Wochen vorher in den USA. Von dem Dänen Baunsgaard weiß man, daß er sich in den USA — trotz Aufforderung von amerikanischer Seite! — nicht so weit vorgewagt hat. Palme mußte allerdings auch hinnehmen, daß Nixon keine Zeit für ihn hatte und daß er von einer Gruppe vom Gewerkschaftsboß Cleason befehligter Hafenarbeiter mit Beschimpfungen überschüttet wurde. Möglicherweise haben die amerikanischen Demonstrationen gegen Palme dazu beigetragen, den Ton der Gespräche in Moskau etwas zu mildern.

Auch in der Frage der europäischen Sicherheitskonferenz ist man nicht genau derselben Auffassung: Zwar hat Palme der Notwendigkeit einer solchen Konferenz in Moskau zugestimmt, wenige Tage vorher hatte jedoch der Präsident des schwedischen Reichstages dem Präsidium des dänischen Folketinget mitgeteilt, daß man in Stockholm zur Zeit „nicht besonders interessiert“ an der Abhaltung einer solchen Konferenz sei. Diese Antwort bedeutete auch einen Rückschlag für die Konferenzbemühungen des dänischen Sozialdemokraten Jens Otto Krag. Aufmerksamkeit erregte auch das Gespräch Palmes mit dem Botschafter Nordvietnams in Moskau, an dessen Seite ja der frühere Bildungsminister Palme in Stockholm gegen den amerikanischen Krieg in Vietnam protestiert hatte. Doch nichts spricht dafür, daß Palme sich als Friedensmakler betätigen wollte. Dagegen kamen mit Sicherheit die geplanten humanitären Hilfsaktionen für Nordvietnam auf die Tagesordnung. Die Beendigung des Krieges selbst war und ist weiterhin eine amerikanische Angelegenheit.

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