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Schwerterklirren gegen Säbelgerassel ?

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Bei einem Treffen der Grenzschutzabteilung Golani in der alten Kreuzfahrerstadt Akko rief David Ben Gurion, der alte Pionier des Zionismus und Ministerpräsident des Staates Israel, den Truppen zu: „Wenn feindliche Araber unser Land angreifen sollten, so werden wir sie in ihrem eigenen Land niederringen.“ Dieser Satz fiel kurz vor der Ausbootung des Außenministers Moshe Sharett und enthält das Programm der neuen Außenpolitik Israels, die nun Golda Meyerson anvertraut worden ist.

West und Ost kümmern sich gleicherweise wenig um Israels Sicherheitsbedürfnis. Von der Organisation der Vereinten Nationen, die so schwach ist, um nicht einmal die Formel durchsetzen zu können, daß ein von ihr seinerzeit hei beigeführter Waffenstillstand zum Frieden führen solle, wird hier nichts erwartet. Der Satz des Ministerpräsidenten und Verteidigungsministers bedeutet: Drohung gegen Drohung; israelisches Schwertergeklirr gegen arabisches Säbelrasseln; Verzicht auf gute Ratschläge- der Westmächte, sofern sie nicht von Taten begleitet sind. Aba Eban, der israelische UNO-Vertreter, hat erklärt, auf die Vereinten Nationen könnten keine Hoffnungen mehr gesetzt werden; er ist einem Rufe des Regierungschefs nach Jerusalem gefolgt, um als Berater im Außenininisterium zu wirken. Das Versagen von Moshe Sharett, wenn von einem solchen gesprochen werden kann, liegt in seinem bisherigen Festhalten am Glauben an die Westmächte: seine Meinungsverschiedenheiten mit Ben Gurion rühren daher, daß dieser die Sicherheit des Staates als wichtigste Aufgabe ansieht und von der Außenpolitik verlangt, diese Sicherheit allenfalls mehr zu berücksichtigen als lächelnde Freundschaft mit Großmächten, die sich zu nichts verpflichten wollen.

Daß Sharett zum Rücktritt genötigt worden ist, bedeutet einen israelischen Protest an die Adresse dieser Mächte. Der Mann der Mäßigung mußte gehen, weil er trotz seiner Politik von den Vereinigten Staaten keine Waffen und trotz der Ostblock-Waffenlieferungen an Aegypten keinen besseren Schutz für sein Land erhielt. Das Werben der Westmächte um die arabische Gunst, ihr dauerndes Retirieren vor arabischen Mehr- und Mehrforderungen hat den seit langem siedenden Kessel der israelischen Außenpolitik zur Explosion gebracht. Die neue Politik wird namentlich von den jungen Leuten unterstützt, die Ben Gurion innerhalb der letzten Jahre im Büro des Ministerpräsidenten und im Büro des Verteidigungsministeriums unterzubringen verstanden hat: sie dürfte aber auch die Unterstützung der Oppositionsparteien rechts der Regierung, nämlich der „Allgemeinen Zio-nisten“ und der kämpferischen „Cheruth“, finden, indes gewisse Hoffnungen der mit zwei Ministern in der Regierung vertretenen linksextremen Mapam sich wegen der stürmisch araberfreundlichen Sowjetpolitik kaum rechtfertigen lassen.

Was könnte Israel von Moskau erwarten? Der sowjetische Außenminister Schepilow führte in Kairo vier Unterredungen mit Nasser, besuchte Damaskus und Beirut, lud einen arabischen

Würdenträger nach dem anderen in die Sowjetunion ein — kurz, die Araberfreundschaft wird auf höchsten Touren betrieben. Anderseits sind in Israel gewisse Nachrichten eingetroffen, die besagen, Schepilow verlange von den Aegyptern, das Kriegsgeschrei gegen Israel müsse aufhören, v/eil es sich mit dem sowjetischen „Friedenswillen“ nicht in Einklang bringen lasse. Es heißt sogar, Schepilow habe auf den ägyptischen Ministerpräsidenten Nasser eingeredet, mit einer großen Aktion zu beginnen, die die öffentliche Meinung der Araberstaaten auf eine tatsäch-' liehe Anerkennung des Staates Israel vorbereitet: Aegypten möge zwar nicht die im Solde des amerikanischen Imperalismus stehenden Zioni-sten, aber ein „neutrales“, dem westlichen Einfluß entzogenes Israel akzeptieren. Welchen Gefahren die israelische Außenpolitik bei solchen sowjetisch-ägyptischen Absichten gegenüberstehen würde, ist noch nicht abzusehen. Man kann aber vermuten, daß die Araber, wenn überhaupt, nur über ein Israel mit dem Territorialumfang der UNO-Resolution von 1947 zu reden bereit wären, das heißt mit einem Staat, der um ein Drittel kleiner wäre als es der heutige Staat ist. Daß Israel derartigem Ansinnen beipflichten könnte, ist undenkbar.

Bisher ist auch nicht die geringste sowjetische Geste erkennbar: Schepilow hat vielmehr Jerusalem in seinem Nahost-Reiseprogramm bewußt gemieden. UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld hoffte seinerseits, in Moskau seine Nahostideen vorzutragen. Aber können diese die Billigung der Sowjetunion finden? Hammarskjöld glaubt, daß Aegypten den Suezkanal im Austausch für eine israelische Gegenleistung, nämlich den Rückzug der Israeltruppen aus der Nizanagegend, südlich Gaza, zu öffnen bereit wäre; er wiegt sich in der Hoffnung, Aegypten werde den Waffenstillstand in Zukunft einhalten und sogar zu einem Abkommen mit Israel zu haben sein, weil es sich von den Russen irregeführt sehe. Die Irreführung bestehe darin, daß Moskau dem ägyptischen Ministerpräsidenten zu verstehen gegeben habe, er solle China raschest anerkennen, weil eine UNO-Waffenlieferungsspierre' beschlossen werde und er dann nur von China, als Nichtmitglied der Vereinten Nationen, die benötigten Waffen werde erhalten können: dadurch stehe indes die Wirtschaftshilfe der Amerikaner für Aegypten in Frage.

Golda Meyerson wird ihr besonderes Augenmerk dem Gleichgewicht der Waffenlieferungen schenken. Mit moralischer Stärke allein geht es im weltlichen Bereich nicht, wo sehr materielle Diesseitsmächte eingesetzt werden. Da Polen den Aegyptern zwei Minenleger geliefert hat, ist es Israel gestattet worden, zwei Zerstörer (Jahrgang 1946) von Großbritannien zu kaufen. Sollte die Sowjetunion noch zwei Unterseeboote an Aegypten spenden, so wäre Großbritannien einmal mehr mit seiner Nahostpolitik überrundet, weil Unterseeboote zu Waffenschmuggel an die Zyprioten verleiten würden. Diese letete Ueberlegung zeigt Israel, daß es im Nahostspiel noch Ueberraschungen geben dürfte.

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