6638159-1957_28_02.jpg
Digital In Arbeit

SCHWESTER MARIA

Werbung
Werbung
Werbung

Vor einigen Tagen ist in Kärnten eine tapfere Frau gestorben: Schwester Maria Stromberger. Niemand in ihrer näheren Umgebung wußte, daß mit der hochgewachsenen, grauhaarigen, sehr zurückgezogen lebenden Frau ein großer Mensch, eine Bekennerin Oesterreichs von uns ging. In ihrer Heimat ist das Wirken von Schwester Maria, außer ihren Freunden und Gefährten, nur einem kleinen Kreis von Menschen bekannt! '' ’

Schwester Mariä war während des Krieges als Krankenpflegerin im SS-Revier des Konzentrationslagers Auschwitz, diesem grausigen Inferno von Leben und Sterben, eingesetzt. Die Methoden der SS konnten ihr, die stets mit offenen Augen durchs Leben ging, nicht lange verborgen bleiben. Mit dem Erkennen des „Betriebes“ hatte sie aber auch bereits ihre Stellung bezogen, die sie in der Folge konsequent einhielt, allen Gefahren zum Trotz.

Ihre rein dienstliche Aufgabe war es, die erkrankten SS-Leute von Auschwitz zu betreuen. Aber Schwester Maria stand vom Beginn ihres Wirkens in Auschwitz auf der Seite der Häftlinge und hat in all den Jahren, in denen sie in Auschwitz Dienst machte, unzähligen Häftlingen geholfen und vielen das Leben gerettet. Dieser Einsatz wiegt um so mehr, als sie genau wußte, was ihr Schicksal sein würde, wenn auch nur der Schatten eines Verdachts von einer unerlaubten Verbindung mit den Häftlingen auf sie gefallen wäre. Vor dem Fenster ihres Zimmers ragten die Kamine der Krematorien empor. Fast täglich konnte sie den Geruch verbrannten Fleisches aus den Gaskammern von Birkenau verspüren. Sie wußte um den Exekutionsblock ebenso wie um die qualvollen Verhörmethoden bei der politischen Abteilung.

Ihre Arbeit brachte es mit sich, daß sie laufend mit den Häftlingen des Kommandos im SS- Revier zusammenkam. So wurde es ihr möglich, für zusätzliche Menage zu sorgen, die an die verhungerten und entkräfteten Häftlinge, ohne Wissen der SS, ausgegeben wurde. Sie besorgte Medikamente und Stärkungsmittel aus der SS- Apotheke, die von den Häftlingen ins Lager geschmuggelt und dort für ihre erkrankten Kameraden verwendet wurden. Im Häftlingskrankenbau fehlte es ja an den dringendsten Arzneien. Ein Herzstärkungsmittel oder eine Flasche Lebertran konnte bei den in Auschwitz herrschenden Bedingungen die Rettung eines Menschenlebens bedeuten.

Aber Schwester Maria ging über solche menschenfreundlichen, für sich allein schon mit großen Gefahren verbundenen Hilfeleistungen weit hinaus. Sie beteiligte sich aktiv an der Tätigkeit der illegalen Widerstandsgruppe des Lagers, an deren Spitze der gegenwärtige polnische Premierminister Cyrankiewicz und der Oesterreicher Burger (letzterer wurde 1944 hin-

gerichtet) standen. Auch hier leistete sie wertvolle Hilfe, vermittelte Korrespondenzen und Kontakt mit der Außenwelt und leistete, selbst wenn sie auf Urlaub fuhr, Kurierdienste.

Schwester Maria ist zeit ihres Lebens keiner Partei nahegestanden. Sie war überzeugte Katholikin. Als solche hatte sie in Auschwitz erkannt, daß man gegenüber Krieg und Totalitarismus nicht neutral sein kann und darf. Und so ging sie ihren Weg, den sie gehen mußte.

Nach 1945 wurde, Maria Stromberger von ihren ehemaligen Kameraden in verschiedenen Ländern eingeladen. Insbesondere ihre polnischen Freunde haben sie immer wieder gebeten, nach Polen zu kommen und sich dort niederzulassen. Sie hatten sich verpflichtet, für sie entsprechend zu sorgen, danken ihr doch viele ihr Leben. Allein Schwester Maria lehnte ab. Sie begründete dies damit, daß sie ihre kranke Schwester, die ihrer Pflege bedürfe, nicht allein lassen, könne. Die Schwester selbst war nicht reisefähig. Mit ihr hätte sie nicht fahren können. Vor allem aber war Schwester Maria nicht bereit, ihre Heimat Oesterreich dauernd zu verlassen. Hierher gehöre sie und da wolle sie bleiben. Hier ist sie nun gestorben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung