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Seelsorge im Umbruch

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Der Congressus historiae Slavicae Salisburgen-sis, der Mitte dieses Jahres in Salzburg stattfindet, wird wieder die Größe des Einflusses des Salzburger Erzstiftes auf den heutigen österreichischen Raum und darüber hinaus aufzeigen. Von der einstmaligen Größe ist nicht viel übrig geblieben. Salzburg ist neben dem Burgenland die kleinste Diözese Österreichs mit 415.000 Katholiken in 209 Pfarreien beziehungsweise Seelsorgestellen. Die jährliche österreichische kirchliche Statistik besagt, daß hinsichtlich des religiös-kirchlichen Lebens Salzburg eine gute Mitte einhält. Der durchschnittliche Besuch der Sonntagsmesse beträgt etwa 36 Prozent. In den letzten zehn Jahren sind etwas mehr als 3000 Katholiken aus der Kirche ausgetreten. Die Ursache war, soweit dies feststellbar ist, die Einforderung des Kirchenbeitrages, oder es sind einzelne Gläubige der Propaganda der Sektenapostel erlegen. Rund 2500 sind in der gleichen Zeit zur Kirche zurückgekehrt. Ungefähr 3 5.000 Andersgläubige leben im Raum unserer Diözese. Die pluralistische Gesellschaft macht sich in den Mischehen bemerkbar; es sind jährlich zwischen 120 und 130, die mit kirchlicher Dispens geschlossen werden. Im großen und ganzen darf man sagen, daß die religiöse Lage, nach außen betrachtet, ziemlich stationär geworden ist.

Industrie- und Reiseland

Dies besagt aber nicht, daß nicht viele religiöse Probleme vorhanden sind. Das Gebiet der Diözese war noch vor ein paar Jahrzehnten weithin Bauernland mit bäuerlich-bürgerlicher Kultur. Dem entsprachen auch die Mentalität des Klerus und die Formen des kirchlichen Lebens. Heute aber beträgt der Prozentsatz der bäuerlichen Bevölkerung nur noch 19,2 Prozent. Überall wurden starke Industrien aufgebaut, selbst in kleinen Dörfern arbeiten heute Fabriken. Vor allem aber ist das Gebiet unserer Erzdiözese zum Reiseland mit großem Fremdenverkehr geworden. All das stellt die Seelsorge — abgesehen von der allgemeinen Entwicklung der heutigen pluralistischen Gesellschaft — vor neue Probleme und Aufgaben.

Nur einige Fragen können herausgegriffen werden. Da macht uns die Frage der Pendler zu schaffen. Wir besitzen keine genaue Statistik in diesem Sinne. Durch die starke Streuung der Industrie im ganzen Land haben wir nur Tagespendler, die also am gleichen Tag hin- und zurückfahren. Die Entfernungen zwischen Wohn-und Arbeitsstätte liegen meistens unter 20 Kilometer. Am Arbeitsplatz sind die Leute für den Seelsorger nicht zu fassen, am Wohnort sind sie in Gefahr, den Anschluß an die Pfarre zu verlieren. Da aber die Pendler meistens aus kleineren, überschaubaren Orten sind, sind sie fast durchweg dem Seelsorger persönlich bekannt. So dürften sie durch den Besuch des Priesters und durch geeignete Standesseelsorge für die Wohnpfarre erhalten bleiben.

Wir haben keine großen Industriebetriebe. Die Verteilung auf Schülerbetriebe macht aber die Betriebsseelsorge nicht leichter. Der einzige freigestellte Arbeiterseelsorger des KAB kommt natürlich nicht durch. Wieder bleibt diese oft schwierige Arbeit der normalen Seelsorge und den Laienhelfern. Wünschenswert wäre ein freigestellter Betriebsseelsorger für die Gebiete in Salzburg-Stadt, Hallein und des Tiroler Unterlandes. Hätten wir genügend Priester, täte sich gerade in der Arbeiterseelsorge ein großes Tor auf; es sind sicher weithin religiöse Bedürfnisse vorhanden.

Durch das Wachsen der Industrie haben kleine Marktflecken sehr an Einwohnerzahl zugenommen. Eine verstärkte Besetzung solcher Seelsorgeposten wäre notwendig, ebenso der Bau neuer Kirchen. Teilweise konnte diesen Forderungen Rechnung getragen werden, wie etwa in Bürmoos und Lungötz. Manchen Wünschen kann aber die kleine Diözese nur allmählich gerecht werden, da ja zunächst für die rasch wachsenden Randgebiete der Landeshauptstadt durch neue Seelsorgeposten - und neue Gotteshäuser gesorgt werden muß.

Die größte Schwierigkeit liegt sicherlich, wie überall in Österreich, im Klerusmangel. Noch sind alle Pfarreien besetzt. Dies ist nur möglich, weil etliche auswärtige Priester zur Verfügung sfehen. 78 systematisierte Kooperatorenposten sind jedoch unbesetzt. Darunter sind auch solche, die einen Kaplan nicht unbedingt nötig haben und wo man durch Seelsorgehelfer das Auslangen finden kann. In anderen Pfarreien müßten aber neue Seelsorgeposten geschaffen werden, während man aber kaum den gegenwärtigen Stand an Seelsorgern aufrecht erhalten kann. Im letzten Jahrzehnt sind 109 Diözesan-priester gestorben und nur 62 Neupriester in die Seelsorge eingetreten. Wenn nicht viele Priester bis ins hohe Alter mit bewunderungswürdigem Eifer auf ihrem Posten ausharrten, würde manche Pfarrei ohne eigenen Seelsorger sein. Doch darf man auf eine allmähliche Besserung der Lage hoffen. Die nachwachsenden Kurse im Priesterseminar sind wieder besser besetzt, eine große Hoffnung bilden die Spätberufe aus der Katholischen Arbeiterjugend.

Unser Land ist Reiseland geworden. Der starke Fremdenverkehr hat kirchlich gesehen seine Vor- und Nachteile. Unsere Kirchen sind zu Zeiten des Fremdenverkehrs zum Bersten voll, man spürt dies nicht zuletzt am Klingelbeutel. Viele von den Einheimischen haben aber kaum mehr Zeit für den Kirchenbesuch. Auch der Bewältigung sittlicher Probleme, die durch den Fremdenverkehr entstehen, sind unsere Gläubigen oft nicht gewachsen. Hier muß man versuchen, die Gastwirte und die Vermieter, aber auch die ganze Pfarrgemeinde durch Kurse, Exerzitien, Pfarrtage und so weiter, „fremdenverkehrsreif“ zu machen. In Zusammenarbeit mit den zuständigen zivilen Stellen konnten die Seelsorger auf die Erhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, des Bade- und Barbetriebes, auf die Einhaltung der Sperrstunden, auf die Gestaltung der Heimatabende, einen starken Einfluß ausüben. Wichtig ist in dieser Hinsicht, daß katholische Aktivisten in der Gemeindestube und in den verschiedenen Organisationen, wie im Fremdenverkehrsverein, die Anliegen der Seelsorge tapfer vertreten. Günstig wirkt sich eine zeitlich richtige Ansetzung der Gottesdienste und deren gute Gestaltung aus. In der Stadt Salzburg hat sich ein Sondergottesdienst an Sonntagen für die Gasthausangestellten bewährt.

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