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Sicher und sparsam

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Wie stellt sich ein Fahrer, der seit Jahren einen Mercedes 190 D fährt, zu den letzten Dieseltypen der Daimler Benz AG.? Der Schreiber dieser Zeilen hatte schon vor dem zweiten Weltkrieg Gelegenheit, mit den Vorgängern der heutigen Mercedes-Personenwagendiesel zu fahren. Es waren damals recht rauhe Gesellen, aber immerhin, sie waren sparsam im Verbrauch, sehr wirtschaftlich und sie waren vor allem die Wegbereiter einer Entwicklung, die wir heute nicht mehr missen möchten. Vor etwa 15 Jahren kamen die 180 D auf den Markt, aus ihnen entwickelten sich die stärkeren 190-Modelle und aus diesen wiederum die nunmehrigen Typen 200'D und 220 D. welche in der ,,Neuen Generation“ die untere Stufe des Stuttgarter Programme bilden und sich speziell in Österreich großer Beliebtheit erfreuen.

Das Mereedes-Benz-Zentralbüro für Österreich stellte uns für den Besuch des Genfer Salons einen 220 D zur Verfügung. Der Wagen wurde in Salzburg übernommen, die Anfahrt nach Salzburg erfolgte mit unserem ehrwürdigen 190 D (Baujahr 1961), und so waren die Vergleichsmöglichkeiten schon dadurch unmittelbar gegeben, daß man sich innerhalb kurzer Zeit von einem Wagen auf den anderen umstellen mußte. Es bedarf natürlich einer gewissen Zeitspanne, bevor das gelingt, einiges gefällt am neuen Wagen sofort und wird als echter Fortschritt empfunden, an andere Unterschiede muß man sich erst gewöhnen und einige wenige Details sind sogar als befremdend empfunden worden.

Um mit dem Positiven zu beginnen: Was uns beim „alten“ Wagen immer noch ärgert, die ungeschickte Anbringung des Lichtschalters in der linken äußersten Ecke des Armaturenbretts, ist beseitigt worden. Jetzt ist der Sehalter leicht zugänglich und sichtbar montiert. Das rote Lämpchen am Armaturenbrett, welches bei angezogener Handbremse aufleuchtet, ist ein Fortschritt, ebenso wie der Tageszähler am Tachometer. Die verschiebbaren Kleiderhaken, die Drehknöpfe für die Ausstellfenster, Haltegriffe an den Türen, der geschickt angebrachte, leicht zugängliche Außenspiegel, die sofort ansprechende Behei-zungs- und Belüftungsanlage, das Einschlüsselsystem, das alles sind Annehmlichkeiten, die man dankbar vermerkt, hingegen hatten wir einige Mühe, uns an das amerikanische System der „Handbremse“ zu gewöhnen: Diese Feststellbremse wird mit dem Fuß betätigt, der Hebel lädt geradezu dazu ein, betätigt zu werden, wenn man aussteigt, er liegt im Blickfeld knapp neben den Angeln der linken Tür, gelöst kann er spielend leicht werden, indem man einen Knopf am Armaturenbrett zieht und doch können wir nicht umhin, diese Lösung nicht als besonders glücklich zu betrachten, es wäre denn, man hätte ein automatisches Getriebe im Wagen. Das Anfahren am Berg, in der Fahrschule mit Mühe erlernt und erst im Laufe von einiger Praxis zur Vollkommenheit entwickelt, spielt sich bei dieser Art der Anbringung der Handbremse ganz anders ab und kann nie so fein dosiert werden, wie mit einer richtigen Handbremse, besonders wenn der Motor kalt ist. Routinierte Fahrer bekommen zwar den Trick bald heraus, aber umlernen müssen sie eben doch.

Die runden Instrumente liegen außerordentlich gut im Blickfeld, wir erinnern uns, daß es auch eine Type gegeben hat, in welcher die Tachometer wie bei einem Fieberthermometer anzeigten, diese weder schöne noch praktische Anordnung wurde glücklicherweise fallengelassen. Die Türen rasten in einigen Positionen ein und fallen daher nicht zu, was bei unserem 190 D aus dem Jahre 1961 nicht der Fall ist, ebenso gibt es nunmehr viel mehr und bessere Ablagemöglichkeiten, nicht nur am Armaturenbrett selbst, sondern auch in Fächern links und rechts vom Fahrer und Beifahrer und zwischen ihnen. Der Kofferraum ist beleuchtet, die Sitze leicht verstellbar. Speziell mit dem großen Gepäcksraum und dem sehr geräumigen Fahrgastraum ist der 220 D das ideale Fahrzeug für lange Fahrten mit großer Familie. Trotzdem ziehen wir das Gepäckabteil unseres alten Wagens vor, obwohl es etwas kleiner ist, weil wir das Gepäck nicht über eine Abschlußwand hinwegheben müssen, wie dies bei den neuen Karosserien der Fall ist. Beim früheren Typ kann man die Koffer leicht in den Raum hineinschieben.

Von einem Diesel erwartet niemand besonderes Temperament, hingegen Wirtschaftlichkeit, hohe Lebensdauer und Fahrkomfort. All das ist auch beim 220 D in reichem Maße vorhanden. Im Gegensatz zu früheren Typen haben die. neuen Mercedes Diesel eine überraschende Laufruhe erreicht. Nur beim kalten Motor macht sich das akustisch nicht gerade angenehme Nageln bemerkbar, ist einmal die richtige Betriebstemperatur erreicht, dann spürt man keinen Unterschied gegenüber einem Benzinmotor, wenn man von der Beschleunigung und der Spitze absieht. Rechnet man den sonstigen Fahrkomfort, die hervorragende Federung, die weich, aber zuverlässig und kräftig wirkenden Bremsen und die präzise Lenkung dazu, dann ergibt sich als Gesamteindruck, daß wir es mit einem Fahrzeug zu tun haben, welches auch weniger geübten Fahrern gestattet, selbst lange Strecken ermüdungsfrei und infolgedessen sicher zurückzulegen.

Wir selbst hatten bei der Rückfahrt außerordentlich schlechtes Wetter, der Scheibenwischer kam infolge starker Regenfälle überhaupt nicht zur Ruhe, in der Nacht gab es Nebel und trotzdem entstiegen wir dem Wagen nach einer Nonstopfahrt aus der Schweiz in Wien ohne die geringsten Ermüdungserscheinungen.

Die 220 D sind, abgesehen von der Motorleistung, der noch besseren Straßenlage, größeren Geräumigkeit und der viel eleganteren Ausstattung auch noch in manch anderer Beziehung den früheren Fahrzeugen sehr überlegen. Die Vergrößerung des Tankinhalts von 56 Litern auf 65, die Erweiterung der Kapazität der 12-Volt-Batterie von früher 84 auf nunmehr 88 Amperestunden, die Verwendung eines Drehstromgenerators, der auch im Leerlauf für eine bessere Aufladung sorgt, das alles sind bemerkenswerte Fortschritte. Nicht unibedeutend sind die Unterschiede in den Gewichten, die Karosserie ist schwerer geworden, der Radstand länger und so ergibt sich bei einem Trockengewicht von 1360 Kilogramm gegenüber früher ein Unterschied von 220 Kilogramm, doch wird die Leistung dadurch nicht beeinträchtigt, weil das Fahrzeug um rund zehn Pferde mehr leistet, 65 SAE-PS. Die Höchstgeschwindigkeit und das Steigvermögen in den einzelnen Gängen sind infolge der höheren Motorleistung und infolge sonstiger Verbesserungen angestiegen: Die Maximalwerte in den einzelnen Gängen betragen jetzt 33 Stundenkilometer für den ersten, 56 Stundenkilometer für den zweiten, 92 Stundenkilometer für den driten Gang, und in der Direkten wurde eine gestoppte Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern (Werksangabe 135 Stundenkilometer) festgestellt. Der Benzinverbrauch während der relativ kurzen Testfahrt (Autobahn und Stadtverkehr) belief sich auf 8,75 Ldlter pro 100 Kilometer.

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