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Sind Automobilrennen sinnvoll?

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Die OSK als oberste österreichische Sportkommission für den Kraftfahrsport hat eine mutige Tat gesetzt: Automobilrennen werden erst dann wieder zugelassen werden, wenn die Sicherheitsmaßnahmen und die baulichen Voraussetzungen der Rundkurse und Bahnen so sind, daß eine klaglose und ungefährliche Abwicklung solcher Veranstaltungen gewährleistet sind. Das Verbot der OSK betrifft nicht SpeedwayVeranstaltungen, Motorradrennen und Rennen von Beiwagenmaschinen. Von In?. Alfred B u b e r I

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Die OSK als oberste österreichische Sportkommission für den Kraftfahrsport hat eine mutige Tat gesetzt: Automobilrennen werden erst dann wieder zugelassen werden, wenn die Sicherheitsmaßnahmen und die baulichen Voraussetzungen der Rundkurse und Bahnen so sind, daß eine klaglose und ungefährliche Abwicklung solcher Veranstaltungen gewährleistet sind. Das Verbot der OSK betrifft nicht SpeedwayVeranstaltungen, Motorradrennen und Rennen von Beiwagenmaschinen. Von In?. Alfred B u b e r I

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Um den Sinn der vielumstrittenen Motorrennen begreifen zu können, muß man sich in die Anfänge der Kraftfahrt mit ihren heute viel zuwenig beachteten Gegebenheiten, Bedingungen und Schwierigkeiten versenken. In den ersten Jahren nach der Erfindung des Automobils mußte dieses überhaupt erst einmal beweisen, daß es ebensoviel aushiclt wie die Kutsche. Schon damals begegnen wir den ersten Autorennen, in denen das Benzinautomobil über den Dampfwagen und das Elektromobil den Sieg davonträgt. In der Folge tragen schwierige Wertungsfahrten, Rallys und Rennen zur Förderung und Findung des richtigen Materials entscheidend bei. Bis dahin hatte es keine Maschine gegeben, die außer durch ihre eigentliche Funktion auch noch dadurch außerordentlicher Beanspruchung unterzogen worden war, daß sie ich selbst in Bewegung befand, diese Bewegung verhältnismäßig schnell war und dabei die Unebenheiten der Straße überwunden werden mußten. Es trat ein völlig neuer Materialverschleiß auf, dem damals nur mit Hilfe der praktischen Erprobung entgegengewirkt werden konnte. Motorsportliche Veranstaltungen waren in den ersten Jahrzehnten der Kraftfahrt demnach notwendig und beeinflußten ihre rasche Entwicklung maßgeblich.

Heute jedoch sind die Forschungsergebnisse durch Automobilrennen gegenüber der Sensa-tionsmacherei weit in den Hintergrund getreten. Wenn man bedenkt, daß Daimler-Benz, die älteste Automobilfabrik der Welt, die vom ersten Automobilrennen im Jahre 1891 in Paris an ständig Rennen beschickte, sich aus diesem heute sehr problematischen Sport zurückgezogen hat, dann läßt das tief blicken. Das Werk gibt an, es benötige sämtliche im Rennwagenbau blockierten Facharbeiter und Spezialisten, also qualifizierte Arbeitskräfte, für die Serienfertigung. Die wirkliche Begründung für diesen Schritt dürfte jedoch in der dort gewonnenen Erkenntnis zu suchen sein, daß wissenschaftliche Erkenntnisse technischer Art durch Rennen nur noch spärlich zu gewinnen sind, so daß sie den zur Haltung einer eigenen Rennabteilung erforderlichen Aufwand in keiner Weise lohnen. Daß heute Firmen ohne Rennabteilung ebensogut bauen wie jene mit, beweisen vor allem die amerikanischen Automobilfabriken, aber auch in Deutschland Opel, VW, Ford usw. Diese Werke denken überhaupt nicht daran, sich an Wertungsfahrten oder gar an Rennen zu beteiligen. Und wenn, wie etwa Lloyd, einmal in Montlhery mit einem 300-ccm-Fahrzeug Rekordfahrten durchgeführt werden, so nur deshalb, damit die Werbeabteilung schlagkräftige Argumente zur Verfügung hat

Rennen sind bei den heute möglichen Geschwindigkeiten halsbrecherische Veranstaltungen, die in peinlicher Weise an Gladiatorenkämpfe erinnern und zum überwiegenden Teil zur Befriedigung der Sensationsgier der Zuschauer gefahren werden. Der vernünftig denkende Mensch, der außerdem die Gefahren kennt und weiß, was alles passieren könnte, lehnt dies Spiel mit dem Tod ab. Das moderne Rennen ist eine sportliche Veranstaltung, die nicht nur für die Mitwirkenden größte Gefahren birgt, sondern — wie es nun bereits des öfteren und immer häufiger der Fall ist — auch die Zuschauer auf das äußerste gefährdet.

Man ist heute in den Konstruktionsbüros an Hand von genügend Material und Erfahrungswerten in der Lage, einem Fahrzeug jene Eigenschaften zu geben, die man ihm geben will: Lebensdauer, Straßenlage, Verbrauch usw. Konstruktiv lassen sich diese Faktoren heute bereits am Brett sehr genau bestimmen. Jene Gegebenheiten, die nicht rechnerisch, sondern nur empirisch festgehalten werden können, werden in den Fahrversuchsabteilungen mit Hilfe der

Praxis so ausgefeilt, daß sie der Gesamtkonstruktion vollwertig eingegliedert werden können. Wie genau man heute Fahrzeuge bereits im Konstruktionsbüro zu fertigen versteht, ist vielleicht am besten daraus ersichtlich, daß beim FK 1000, einem Lieferwagen der Ford-Werke, der geschätzte Wert ganze 8 kg weniger betrug, als sich dann beim fertigen Fahrzeug herausstellte. Dabei wurde diese Schätzung als absolut danebengegangen angesehen und löste im Werk eine ganze Reihe von Auseinandersetzungen aus! Denn für gewöhnlich differieren solche Schätzungen meist nur um ein bis eineinhalb Kilogramm!

Das gleiche gilt natürlich auch für die Zubehörindustrie. Die Reifenindustrie etwa ist heute in der Lage, Reifen für alle Verwendungszwecke so zu fertigen, daß kaum irgendwelche Beanstandungen erfolgen. Ebenso liegen die Verhältnisse in der Vergaser-, Kraftfahr-Elektro-Industrie usw. Heute ist der Autobau keine Glücksache mehr, sondern eine fundierte Wissenschaft. Materialerprobungen werden heute weitestgehend in Laboratorien durchgeführt, und wenn dies nicht möglich ist, dann werden die effektiven Straßenversuche nach ganz gewissen Gesetzmäßigkeiten und Richtlinien in eigenen Werkprüfgeländen, die für diesen Zweck ausgewählt sind, so durchgeführt, daß man zu unbedingt einwandfreien Ergebnissen gelangt.

Rennabteilungen sind heute für eine Automobilfabrik eine Belastung, die sich auf die Preisgestaltung der gesamten Produktion dieser Firma auswirken müssen, denn einen Rennstall zu besitzen, bedeutet, Millionen für dessen Führung freimachen zu müssen.

Man sieht also, der rein technisch-wissenschaftliche Wert einer Rennabteilung wie eines gefahrenen Rennens ist heute durchaus problematisch. Wenn sie dennoch gefahren werden, so im allgemeinen nur deswegen, um für eine

Firma einerseits Werbe- und Verkaufsargumente in die Hand zu bekommen, anderseits dem Publikum eine Sensation zu bieten, für die es oft nicht nur Eintritt, sondern manchmal mit dem Leben bezahlen muß.

Oesterreich ist durch die eingangs erwähnte Verfügung mit gutem Beispiel vorangegangen. Aber auch das Ausland wird heute oder morgen bestimmte Rennen, wie sie heute gefahren werden, verbieten. Wir wollen hier durchaus nicht gegen Rennen an sich polemisieren, sondern ausschließlich gegen solche, die gefährlich und zwecklos sind. Gegen vernünftig ausgesteckte Wertungsfahrten ist nichts einzuwenden. Hier müßte nur größter Wert darauf gelegt werden, daß die Teilnehmer wie auch die Zuschauer durch die Streckenwahl nicht gefährdet, hingegen aber an die Geschicklichkeit des Fahrers und die Robustheit des Materials entsprechende Anforderungen gestellt werden. Solche Wertungsfahrten sind nicht nur für den Zuschauer interessant, sondern bieten auch dem Motorsportler etwas, ohne daß er an Gesundheit und Leben gefährdet würde.

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