7102460-1995_17_05.jpg
Digital In Arbeit

Sind die „Modernisten” und die „Freimaurer” an allem Schuld?

19451960198020002020

Ungewöhnlich schnell handelte der Vatikan. Zwei Wochen nach der „profil”-Story bekam Kardinal Groer einen Koadjutor.

19451960198020002020

Ungewöhnlich schnell handelte der Vatikan. Zwei Wochen nach der „profil”-Story bekam Kardinal Groer einen Koadjutor.

Werbung
Werbung
Werbung

Beobachter sehen in dieser vatikanischen Handlungsweise einzig und allein den Willen des Papstes, von der Kirche weiteren Schaden abzuwenden und den bereits angerichteten zu begrenzen. Es gehört eigentlich zum Stil Roms, bei Angriffen auf Personen, wie sie.im Falle des Kardinals laut wurden, abzuwarten, zu beobachten und sorgfältig zu prüfen. So schien es auch bei der ersten Veröffentlichung im „profil” zu sein. Das Geständnis von Josef Hartmann war für die Kurie noch kein Grund, direkt einzugreifen. Lediglich der Automatismus „beobachten” wurde ausgelöst.

Angesichts des sehr diskreten und diplomatischen Nuntius in Österreich, Donato Scquicciarini, wäre dies auch ein Leichtes gewesen, um dann schließlich in Ruhe eine Entscheidung treffen zu können. Dann kam die zweite Publikation im „profil”. Neue „Relege” für die Anschul-

digungen wurden vorgelegt. Der römische Handlungsbedarf wurde somit größer und eiliger.

Wie der Vatikan reagiert hätte, wenn die Bischofskonferenz den Kardinal, wenn auch erst im dritten Wahlgang und mit der nur knappsten Mehrheit, nicht wieder zum Vorsitzenden gewählt hätte, kann nur spekuliert werden. Ebenso, was geschehen wäre, wenn der Kardinal nach erfolgreich bestandener Wahl nicht zurückgetreten wäre. Eines aber ist sicher: Die Wiederwahl hat zunächst Unsicherheit in den entscheidenden Kreisen des Vatikans ausgelöst.

Die Unsicherheit war bald nach dem Rücktritt verflogen und es kam die salomonische Entscheidung: Die Ernennung Weihbischof Schönborns zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge. Welche Aufgaben und Pflichten der Koadjutor hat, ist bisher nicht voll bekannt und wird es auch nicht werden. Doch mit Schönborn ist eine Wahl getroffen worden, mit der alle leben können. Ferner ist damit, wie viele fürchteten und auch einige bedauern, eine Nominierung des St. Pöltener Rischofs Kurt Krenn zumindest vorerst verhindert worden. Vorerst aus dem Grunde, weil in Rom der neue Koadjutor auch als Nachfolger von Kardinal Ratzingei”

gehandelt wird. Immerhin ist Schönborn „bei Hofe” als Redakteur des „Weltkatechismus” und hervorragender Theologe bekannt. Die weitere Entwicklung muß sorgfältigst beobachtet werden.

Mit der vatikanischen Lösung hat niemand sein Gesicht verloren und der bereits entstandene Schaden für die Kirche wurde begrenzt, aber noch nicht eingedämmt. Denn niemand weiß, wie es weitergeht. Zumindest kann spekuliert werden, daß ganz bestimmte Kreise die „Causa Groer”, wie sie im Vatikan heißt, noch weiter spinnen.

„Der Schwarze Brief”

Dies könnte sehr leicht mittels zweier Organe geschehen, die in der deutschen Kleinstadt Lippstadt in Westfalen erscheinen. Bei dem einen handelt es sich um ein permanent mit erhobenem Zeigefinger dastehendes katholisches Boulevardblatt und zum anderen um einen von einem Österreicher herausgegebenen Informationsdienst, der sich den alles sagenden Titel „Der Schwarze Brief gegeben hat. Dieser „Brief” hat nun ausgemacht, wer hinter allem steht: die „Modernisten” und die „Freimaurer”. Nach „Hintergrundwissen” des „Schwarzen Briefes' wurde der tödli-

che Schuß gegen Kardinal Groer in dem Moment abgefeuert, als intern bekannt geworden sei, daß Kurt Krenn ein geeigneter Nachfolger auf dem erzbischöflichen Stuhl in Wien sei. Es wird dabei nicht gespart, die vermeintlichen Gegner des St Pölt-ner Bischofs mit ihren „Attributen” zu nennen. So wird Kardinal König als „Freimaurer-Freund” betitelt, und vom Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher vermeldet der Informationsdienst, daß er Träger des jüdischen Logenordens ist. Hier nun stellt sich die Frage, wer hinter diesem „Hintergrund” steht? Festzuhalten jedenfalls bleibt, daß es sich hier um wirkliche' Diffamierungen handelt. Was aber Kardinal Groer be-

trifft, so ist aus Rom noch nachzutragen, warum er keinen Strafantrag gestellt hat. Die Stellungnahme in der „Kronenzeitung” wird jedenfalls nicht als Klarstellung verstanden, der Kardinal von Chicago, Bernardin, sei vor Gericht gegangen und seine Unschuld wäre bewiesen worden. Und es folgt die bange Frage, warum tat dies der Erzbischof von Wien nicht. Alle wollen an seine Unschuld glauben, aber alle erwarten auch ein Zeichen, das diesen Glauben rechtfertigt und bestärkt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung