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Situation deutlich

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Mit AbschluB des Transitabkommens zwischen Osterreich und der EG (2. Mai 1992) wurden der osterreichischen Be-volkerung zwei wesentliche Inhalte verbindlich zugesagt und verspro-chen: Eine zahlenmaBige Beschran-kung der StraBengiitertransitfahrten (berechnet auf Ausgangsbasisjahr 1991) und eine Reduktion der Schad-stoffe um 60 Prozent innerhalb der zwolfjahrigen Laufzeit (ebenfalls berechnet auf Ausgangsbasisjahr 1991).

Das Transitabkommen war tatsachlich vom 1. Janner 1993 bis 31. Dezember 1994 (also nur zwei Jahre!) in Kraft und wurde durch den Bei-trittsvertrag (Protokoll Nr. 9) ersetzt -mit wesentlichen Anderungen dahin-gehend, daB den Forderungen der EU in alien Bereichen nachgegeben wurde. Die osterreichischen Verhandler haben sich verkehrspolitisch selbst entmundigt.

Jahrelanger Widerstand der Be-troffenen an den Transitrouten, jah-relange Verhandlungen mit den eu-ropaischen Spitzenpolitikern in Bonn, Briissel, Miinchen, Rom oder Wien -mit dem Beitritt war all das, wofur wir mit der Bevolkerung jahrelang gekampft hatten, schlagartig wieder verloren, weil die osterreichischen Verhandler nur ein Ziel hatten: „Ohne Wenn und Aber in die EU".

Dafur hat man bedingungslos die burger- und umweltfeindliche EU-

Mehr Spielraum

fur die Partner in der Koalition weckt die Hoffnung, daB einzelne Positionen im Regierungsprogramm noch zu andern sind.

Verkehrspolitik ubernommen. Unge-achtet samtlicher eigenen Regie-rungs-, Parlaments- und Landtagsbe-schliisse. Und das ist der wahre politische Skandal, die miserable demokra-tiepolitische Situation: Auf dem Papier fur das Volk beschlieBen, in der Realitat gegen das Volk entscheiden. Diesem Wegfall von „Treu und Glauben" in der Politik gilt es, entschieden entgegenzutreten. Die Fakten:

■ Im Jahr 1995 wurden 1,44 Millio-nen LKW-Transitfahrten durch Osterreich abgewickelt; um 36 Prozent mehr als im Basisjahr 1991 ge-leistet wurden (Beitrittsvertrag mit der EU, Protokoll Nr. 9. Ausgangsjahr fur die Berechnung der Oko-Punkte und die mengenmaBige Beschran-kung ist das Jahr 1991. Damals wurden 1,060 Millionen Fahrten ermit-telt). 80 Prozent dieser Transitfahrten rollen durch Tirol.

■ Seit November 1995 liegt diesbe-ziiglich ein entsprechendes Gutachten von Helmut Stickler vor, indem die falschen Basisdaten des EU-Beitritts-vertrages einwandfrei nachgewiesen werden. Durch die falsche Berechnung der Oko-Punkte wurde bis heu-

te keine Schadstoffentlastung erreicht.

■ Deutliche Verschlechterung der Larmsituation, weil das bestehende teilweise Nachtfahrverbot sich als un-tauglich erwiesen hat (Dissertation Zimmeter am Beispiel Inntal-Bren-ner-Autobahn, Mai 1995).

■ Wegfall des StraBenverkehrsbeitra-ges und Einfuhrung der EU-konfor-men StraBenbeniitzungsabgabe. Das ergibt eine Verbilligung pro Transit-fahrt fiir die internationalen Frachter von 940 Schilling (1994) auf 80 Schilling (1997). Der Einnahmenentfall fiir den Finanzminister betragt (in Zeiten der Sparpakete) rund zwei Milliarden Schilling jahrlich. Wir subventionieren die „Verlarmer" und „Verschmutzer" mit unserem Steuer-geld. *

Das ergibt mehr Larm, mehr Schadstoffe, mehr Verlust an Lebens-qualitat - der tagliche Transitterror hat neue Dimensionen angenommen.

Aus der taglichen Praxis (am Beispiel Inntal-Brennerautobahn)

■ Nacht fiir Nacht rund 1.000 LK W -trotz Nachtfahrverbot: Weil man um 60 Schilling in jeder Tankstelle ein „larmarm-Pickerl" kaufen und auf-kleben kann, weil zahlreiche LKW den „larmarm-Kriterien" trotz Zerti-fikat nicht entsprechen und so weiter.

■ Oder Nacht fiir Nacht „Just-in-time" fiir Sie unterwegs: Altpapier, Schrott, Holzabfalle, Autos, PVC, Ki-sten, Paletten und sonstiger Plunder.

■ Oder am Sonntag trotz Fahrverbot: „Leicht verderblicher Marmor", „leicht verderbliche Ersatzteile fiir Fernsehgerate" und so weiter- selbst-verstandlich im Kiihlwagen. Unsere externen Mitarbeiter bei Zoll und Gendarmerie - denen wir an dieser Stelle fiir ihren taglichen Einsatz trotz schwierigster Bedingungen sehr herz-lich zu danken haben - kommen oft aus dem Staunen nicht heraus.

■ Oder die sogenannten „Fleisch-Irr-laufer": Mit einer Fuhre von gefrore-nem Fleisch kreuz und quer durch Eu-ropa, mit immer neuen Papieren - damit mbglichst viel Stutzungsgelder kassiert werden konnen - die wir zu-erst durch unsere Steuerleistung er-bringen miissen. Die „Steuergeldab-schbpfungs-Mafia" hat Hochsaison (in der EU finden jahrlich rund 140 Milliarden Schilling (!) den Weg in falsche Hande).

■ Oder die Lebendviehtransporte kreuz und quer durch Europa. Ohne Pause, ohne Riicksicht auf die Tiere. Weil Lebendvieh mehr gestutzt wird als Schlachtfleisch, werden die Tiere unerhbrten Qualen ausgesetzt. Damit der „legalisierte Steuerbetrug" tag-lich stattfinden kann und so weiter und so weiter ...

Die Ursachen der heutigen Tran-sitmisere liegen auf der Hand: Solan-ge dem Prinzip des „freien Waren-und Personenverkehrs" alles andere untergeordnet wird, muB der Schutz der Bevblkerung und der Umwelt auf der Strecke bleiben. Daher haben wir konsequent und entschlossen daran zu

arbeiten, daB dieses unselige Prinzip auBer Kraft gesetzt wird. Es ist zu er-setzen durch das „Prinzip des dauer-haften und nachhaltigen Schutzes un-serer Bevblkerung und unserer Umwelt". So wie es bereits in der bsterreichischen Verfassung durch den „Umfassenden Umweltschutz" (BGB1. 491/27. November 1984) vor-gegeben ist.

Denn der „Umfassende Umweltschutz" - ein staatspolitisches Ziel, wie der VfG in mehreren Erkenntnis-sen festgehalten hat - fordert von Bund, Landern und Gemeinden MaB-nahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers, des Bodens und zur Ver-meidung von Larm ein. Dieses Gesetz im Verfassungsrang ist einzufordern, ist vor allem umzusetzen. Daran fiihrt kein Weg vorbei.

Wer aber sind die NutznieBer des derzeitigen Systems? Diejenigen, die auch hauptverantwortlich fiir die Ar-beitslosigkeit in Europa sind. Gerade der hochsubventionierte StraBengti-terverkehr fiihrt in unseren Regionen

Forderungnachgenerellem Lkw-Nachtfah rverbot

zu Arbeitsplatzentleerung und Um-weltvernichtung. Wir selbst als Steu-erzahler, unsere Klein- und Mittelbe-triebe, subventionieren diejenigen, die ihre Produktionen immer weiter auslagern. Die sich heute beispiels-weise im ehemaligen Ostblock „billi-ge Lohnsklaven" halten und bei uns kaum noch Steuern zahlen. Auf unsere Kosten aber wurden und werden die Transitstrecken gebaut, auf denen die Arbeitsplatze unserer Kinder aus-gelagert werden. Und an diesen Transitrouten spent man uns dann „le-benslanglich" hinter Larmschutzwan-den und -fenstern ein! Selbstverstand-lich gefbrdert mit eigenem Geld. Bei uns steht im Gegensatz zu den politischen Dampfplauderern harte Arbeit an erster Stelle. Wir haben daher ein MaBnahmenpaket erarbeitet, das von zahlreichen Biirgerinitiativen und Transitgemeinden, Umweltver-banden aus dem gesamten Alpen-raum, Wissenschaftlern, Arzten, Forstfachleuten und vielen anderen getragen und nun umzusetzen ist. In der „Alpenschutz-Transiterklarung" fordern wir unter anderem unverziig-lich und dringend:

■ Das „Generelle Nachtfahrverbot" zum Schutz der Bevblkerung und der Berufskraftfahrer - weil wir unsere Kinder nicht „lebenslanglich" hinter Larmschutzwanden und -fenstern einsperren wollen.

■ Die Umsetzung der „Kostenwahr-

heit fiir alle Verkehrstrager" - weil wir die „Verlarmer und Verschmutzer" nicht subventionieren wollen und weil dieser „subventionierte Ver-kehr" zugleich der grbBte Arbeits-platz- und Umweltvernichter in den Regionen ist.

■ Die Umsetzung der „Verlagerung von StraBengiitertransit auf die Ei-senbahn" - weil wir uns aufgrund lee-rer Staatskassen keine halbleeren Verkehrstrager leisten konnen.

■ Den (Aus-)Bau-Stopp fiir Strafien-transitrouten durch den Alpenraum -weil wir genug haben vom „Uberfah-ren und Uberrollen".

■ LarmschutzmaBnahmen an Transitrouten (StraBe/Schiene) - weil wir zu SofortmaBnahmen fiir die am arg-sten betroffenen Anrainer stehen.

■ Intensive Kontrollen des StraBengii-ten'erkehrs - weil auf unseren Transitrouten der Rechtsstaat taglich ge-brochen wird (Uberladungen, Uber-schreiten der Lenkzeiten, Nichtdekla-ration von Gefahrgut, MiBbrauch von „Larm-Zertifikaten" und so weiter).

■ Einheitliche Tempolimits in der Al-penregion - weil im Alpenraum kein Platz ist fiir LKW- und PKW-Renn-strecken.

Die Geduld der Bevblkerung neigt sich dem Ende zu - der „Alpine Aufstand" ist vorprogrammiert. Denn wir arbeiten langst an einer neuen politischen Kultur im Alpenraum. Wir - als die Treuhander und Erben un-seres einzigartigen Gutes „Lebens-, Kultur- und Erholungsraum Alpen" -iibernehmen selbst die Verantwor-tung fiir die Zukunft unserer Kinder, unseres Lebensraumes. Wir delegie-ren nicht mehr an verantwortungslo-se Politiker, die fernab von uns gegen die Burger entscheiden. Wir werden entschlossenen und hartesten Wider-stand leisten. Mit unseren Verbiinde-ten in den belasteten Transitgemeinden, mit den alpinen Verbanden und Umweltorganisationen, mit Wissenschaftlern, Arzten und aufgeschlosse-nen Mitarbeitern in den Dienststellen des Vollzuges. Wir opfern unsere Hei-mat nicht den „Richtlinien-Schreib-tischtatern".

Wir stellen uns mit dem Mut zur positiven Veranderung der Verant-wortung. Wenn es sein muB, durch das Ausiiben unserer legitimen Rechte ebenso wie durch das Ausiiben unserer demokratischen Notwehrrechte. Die Schlusselstelle der „Brenner-Transitroute" konnen und werden wir jederzeit auBer Kraft setzen - dann namlich, wenn wir zur Uberzeugung kommen, daB die Politik keine Riicksicht auf unsere Bevblkerung und Na-tur mehr nimmt. Lange werden wir nicht mehr zuwarten. Wir sind zu oft belogen und betrogen worden.

DerAutorist

Obmann des „TransitforumAustria-Tirol" und erhielt 1994 den Konrad-Lo-renz-Staatspreisfiir Natur- und Umweltschutz Die „Alpenschutz-Transiter-klarung" (kostenlos) kann iiber die Tel Nr. 0512 579560 angefordert werden.

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