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Slánskys Sturz

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Am 26. und 27. Juli 1951 tagte im Spanischen Saal der Prager Burg das Zentralkomitee der tschechoslowakischen KP. Als erster referierte Rudolf S1 i n s k y. Nicht vielleicht, wie man vom Generalsekretär der Partei erwarten müßte, über die Parteiorganisation, sondern über landwirtschaftliche Genossenschaften (Kolchosen) und über die Einbringung der Ernte. Am Schluß seines Referats erklärte er, im Dorf werde der sozialistische Aufbau nur dann möglich sein, wenn die KP die Landbevölkerung täglich von der Notwendigkeit der Genossenschaften überzeuge.

Slsinsky feierte am 30. Juli seinen fünfzigsten Geburtstag. Präsident Gottwald Und Gemahlin sandten dem Jubilar einen Korb roter Rosen. Slinsky wurde im Schloß Lana feierlich in Audienz empfangen. Uber Antrag der Regierung überreichte der Präsident seinem Mitarbeiter Slänsky für seine außergewöhnlichen Verdienste den höchsten Orden der Republik. Das Zentralkomitee der KP sandte ihm — unterschrieben von Zäpotocky und Gottwald — ein ungewöhnlich herzliches Schreiben. Der tschechische Goebbels Viclav Kopecky feierte den Jubilar in einem langen Zeitungsartikel. Unter denen, die Weihrauch streuten, befand sich auch Minister Plojhar.

Audi rote Rosen welken. Ein paar Wochen später, am 6. September, wird derselbe Slänsky in einer Plenarversamm-lung des Zentralkomitees über Antrag Gottwalds vonseinem Posten als Generalsekretär der KP enthoben. Wieder erhebt Kopecky seine Stimme. Kein Wort des Dankes an Slänskyl Drei dürftige Begründungen dieser Maßnahme von „historischer Bedeutung“: Immer werden wir uns nach dem Vorbild der ruhmreichen russischen KP richtenj zwischen den Beamten der KP und den Staatsbeamten besteht vielfach ein ungesundes Verhältnis; die Verräter Schling, Frau Schwerma und Cle-mentis konnten wegen Fehler in der Organisation innerhalb der KP eine feindliche Agentur errichten ...

Das Zentralkomitee der KPC hat ihren bisherigen Generalsekretär für Fehler und Versäumnisse verantwortlich gemacht. Deshalb wurde er enthoben. Slünsky wurde aber nicht allein deswegen ins zweite Glied zurückgedrängt. In der Volksdemokratie ist es immer gefährlich, wenn sich neben dem Führer der KP und des Staates ein zweiter allzusehr um die Gunst des Volkes bemüht. Es sind noch andere Gründe vorhanden, Gründe, die in der Vergangenheit liegen.

G o 11 w a 1 d ist von Geburt nicht Tscheche, sondern mährischer Ha-n a k e. Als Tischlerlehrling kam er nach Wien. Dort trat er bald in die Reihen der Sozialdemokratie ein. Er litt viel unter Entbehrungen, war aber im Gegensatz zu den damals herrschenden tschechischen Nationalisten nicht blind gegen so manches Positive, das die österreichisch-ungarische Monarchie auch dem tschechischen Volke bot. Gcttwald trug des Kaisers Rock, ein paar Jahre später diente er in der Armee der neugegründeten Tschechoslowakei.

Dieser Horizont und die Verbindung mit der Arbeiterschaft fehlte seinem Mitarbeiter Slinsky. Dieser, ein Tscheche, aus der Pilsner Gegend, besuchte die Mittelschule in Pilsen. Dort wurde die Jugend nicht nur im Haß gegen Österreich, sondern auch im Haß gegen das Deutsche erzogen. An der Mittelschule befreundete er sich mit Josef Fucik. 1920 kam Slinsky an die Prager Hochschule. Er kümmerte sich aber, wie dies damals unter der tschechischen akademischen Jugend vielfach Brauch war, wenig um das Studieren. Viel wichtiger war ihm das Politisieren.

Anfangs stand er in den Reihen der linken Sozialdemokraten, später wurde er, vor allem unter dem Einfluß Dr. Schmerais und Hakens, Kommunist. Mit 25 Jahren übernahm er die Leitung des kommunistischen „Mährisch - Ostrauer Tagblattes. In Ostrau lernte er Gottwald näher kennen.

Beide waren darüber einig, daß eine radikale bolschewistisch-leninistische Generallinie nötig sei. 1928 nahmen Gottwald und Slinsky in Moskau am Sechsten Kongreß der kommunistischen Internationale teil. Im Februar 1929 wurde auf dem Fünften Kongreß der tschechischen Kommunistischen Partei Gottwald zum Vorsitzenden der Partei gewählt. Diese Funktion behielt er bis heute. Am gleichen Kongreß kam Slinsky ins Politbüro. Nach dem Münchner Ubereinkommen gingen Gottwald und Slinsky nach Moskau. Im März 1945 wurde Slinsky zum Generalsekretär der KPC gewählt. Nicht

Gottwald, Slinsky war es, der im Februar 1948 jene Massen mobilisierte, die die damalige Regierung stürzten und damit die KP an die Macht brachten.

Gottwald und Slinsky: beide sind weite Strecken ihres Lebens gemeinsam gegangen. Und doch verbindet sie keine wirkliche Freundschaft. Gottwald, der Arbeiter, Slinsky, der Intellektuelle. Der „preußische“ Tscheche unter dem Kommando des behäbigen Hanakenl Gottwald, Zäpo-tocky und Slinsky wetterten im zweiten und dritten tschechoslowakischen Pariament wiederholt gegen die Kohlenbarone und gegen die tschechischen Sozialdemokraten. Aber schon damals merkte man, daß Slinsky das vulgäre politische Vokabular nicht oder noch nicht beherrschte.

In der Weltpresse wird die Frage diskutiert, ob Slinsky das Schicksal des ehemaligen Ministers Clementis teilen werde. Wir glauben nicht an einen derartigen Absturz. Slinsky ist eines der sieben Mitglieder des Politbüros, seine engsten Mitarbeiter, Bares und Frank, wurden in das von Gottwald geleitete Organisationssekretariat gewählt.

Wenn nicht alle Anzeichen trügen, ist damit zu rechnen, daß nunmehr folgende

Aktionen energisch durchgeführt werden: Kampf gegen die „Dorfreichen“ und forcierte Kolchosierung des Dorfes; bisher sind etwa 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Genossenschaften vereinigt. Weiter dürften die neun, natürlich erhöhten Normen für Fabrikarbeiter baldigst in Kraft treten. Und es wird wohl nicht lange dauern, bis Ministerpräsident Antonin Zapotock^ zugunsten des „Führers und Reichskanzlers“ resignieren wird.

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