6642776-1958_05_07.jpg
Digital In Arbeit

Slowaken und Tschechen unter Hammer und Sichel

Werbung
Werbung
Werbung

Die eben durchgeführte Entfernung eines der Vizepräsidenten der slowakischen -Regierung, Stefan Sebesta, der nebenbei auch Mitglied des Zentral- und des Politkomitees der slowakischen KP, Abgeordneter des slowakischen Nationalausschusses und des Prager Zentralparlaments ist, aber auch die neuerlichen, sehr heftigen Angriffe des Ersten Sekretärs der slowakischen KP, Karol Bacilek, gegen den „bourgeoisen Nationalismus“, hat schlagartig zwei Probleme wieder in den Vordergrund treten lassen: das Verhältnis des Kommunismus zum sogenannten „bourgeoisen Nationalismus“ und das Verhältnis von Tschechen und Slowaken.

Beide Probleme haben natürlich einen gewissen Zusammenhang, so wie anderseits der sogenannte „bourgeoise Nationalismus“ kein Problem von Tschechen und Slowaken allein ist. Prags Kampf gegen die rechten Abweicher — denken wir nur an die Liquidierung des einstigen Außenministers der Tschechoslowakei, des Slowaken Clementis, im Jahre 1952 — hat nicht nur äußerst harte Formen angenommen, hier hat auch nie eine nachträgliche Rehabilitierung stattgefunden, wie etwa in Ungarn (wenn auch posthum) gegen Rajk, oder gar in Polen, wo Gomulka und seine Gruppe nicht nur rehabilitiert wurden, sondern sehr rasch wieder an die Macht kamen'.

Berücksichtigt man die Tatsache, d:.ß Vertreter und Anhänger eines „bourgeoisen Nationalismus“ nie im westlichen, sondern immer nur im östlichen Teil der Republik gefunden und liquidiert wurden, so kann man an der Vermutung, -daß dieser Kampf gegen einen bürgerlichen Nationalismus nichts anderes sei als die heutige Form der Auseinandersetzung zwischen Tschechen und Slowaken, nicht achtlos vorübergehen. Eine slowakische Zeitung hat einmal — es war die Zeit der Hinrichtung von Mon-signore Tiso, des Staatspräsidenten der selbständigen Slowakei — das Wort geprägt, man erinnere sich in Prag immer nur dann an die Slowakei, wenn es gilt, einen Slowaken hinzu-rifil innerhalb des kommunistischen Regimes und unter den kommunistischem Funktionären behalten hat.

Trotz allem war das Verhältnis von Tschechen und Slowaken nach 1945 wesentlich anders als nach 1918 und scheint wert, in seinen wichtigsten Phasen aufgezeigt zu werden.

*

Das Kaschauer Programm, an sich nichts anderes als das Regierungsprogramm der ersten tschechoslowakischen, in Kaschau gebildeten Nachkriegsregierung, das allerdings auch für die weitere Entwicklung von großer Bedeutung blieb, sicherte der Slowakei eine nicht unwesentliche Autonomie. Aber schon die Zusammensetzung der ersten (Volksfront-) Regierung, die aus vier tschechischen und zwei slowakischen Parteien gebildet wurde, zeigte manche Hintergründe auf: Die KP war nämlich innerhalb dieser sechs Parteien durch zwei selbständige, die tschechische und die slowakische KP, vertreten. Trotz mancher Fortschritte auf dem Gebiet der Autonomie wurden die Spannungen zwischen Tschechen und Slowaken nach Ende des zweiten Weltkrieges von Tag zu Tag größer. Auf der einen Seite konnten die Slowaken ihren eben eingebüßten selbständigen Staat, mit dem man keine oder wenig schlechte Erfahrungen gemacht hatte, so wenig, daß die länger zurückliegende Zeit der Ersten Republik keineswegs in einem rosigen Licht erschien, verschmerzen. Anderseits prallten nach der Deutschenausweisung die beiden Staatsnationen, Tschechen und Slowaken, unvermittelt aufeinander.

Trotz allem: die Slowaken haben immerhin einen eigenen slowakischen Nationalrat als gesetzgebende Körperschaft, Zweigstellen der Prager Ministerien in den sogenannten „Kommissarien“ in der Slowakei. Die Kompetenzen zwischen dem gesamtstaatlichen Parlament und dem slowakischen Nationalrat werden durch förmliche Verträge abgegrenzt. Das Wort .tschechoslowakisch“ wurde durch „tschechoslowakisch“ ersetzt und sogar die Abkürzung der Währungsbezeichnung Krone wurde von Kc in Kcs geändert.

Fand bis 1948, also bis zur kommunistischen Machtergreifung, tatsächlich noch ein — wenn auch ungleiches — Tauziehen statt, so waren bald zentralistische oder föderalistische, nationalistische oder autonomistische Tendenzen nur so weit interessant, als sie dem kommunistischen R(egime die,nen konnten. Als etwa bei den Wahlen des Jahres 1946 die Kommunisten im

Westen wohl einen Triumph erlebten, in der Slowakei aber eine beachtliche Niederlage, wurde die KP vorübergehend wieder vereinigt; der Rat der Kommissare, also die slowakische Staatsregierung, wurde später so lange durch angeblich parteilose Fachleute ersetzt, bis auch in der Slowakei eine kommunistische Mehrheit sichergestellt war. Der ersten Liquidierung der katholischen Führungsschichte der Slowakei (noch in der Zeit der „Demokratie“ bis 1948) folgte nach der kommunistischen Machtübernahme die Ausschaltung der schmalen protestantischen Führungsschicht der Slowakei, die die Leitung der „Demokratischen Partei“ übernommen hatte. Es folgte die Liquidierung eines Husäk, Novomesky und Okäli, also jener Männer, die eines „bourgeoisen Nationalismus“ innerhalb der KPS bezichtigt wurden, von dem der- Erste Sekretär des Zentralkomitees der slowakischen KP, Karol Bacilek, eben wieder sagte, „daß es in der Slowakei noch starke Ueberbleibsel der bourgeoisen Ideologie im Denken der Menschen sowie Vorurteile idealistischer sowie nationalistischer Anschauungen gebe“. Er verband diese Vorwürfe gleichzeitig mit Angriffen gegen die einstige katholische Führungsschicht des Landes:

„Besonders zur Zeit der Ersten Republik und des sogenannten slowakischen Staates war das slowakische Volk einem starken Druck und Einfluß der ludakistischen (Ludova strana = Volkspartei), separatistischen und klerikofaschistischen

• Ideologien ausgesetzt. Die Volksparteiler miß-

• brauchten das religiöse Empfinden des Volkes bei ihrer Hetze gegen die Sowjetunion, die Tschechen, den Sozialismus und jeglichen Fortschritt ... Die Ludakisten wurden zwar besiegt, ihr Einfluß aber ist noch da, besonders unter der Intelligenz; in der mittleren Schicht und unter den weniger bewußten Bauern...“

Nun war bei den einzelnen Säuberungswellen keineswegs immer nur das schlechte Verhältnis Prag—Preßburg ausschlaggebend; eine mehr oder minder große Rolle hat es immer gespielt. Das heißt anderseits nicht, daß nicht auch ernsthatte ifljr?cmAletfrfiB;i9Ä89B6b

bessern, wobei die Tatsache, daß in Preßburg an maßgeblicher Stelle viele Tschechen (unter anderem der erste KP-Sekretär Bacilek) und in Prag manche Slowaken saßen (etwa Ministerpräsident Siroky, der ja fast als erster Slowake tschechoslowakischer Staatspräsident geworden

wäre), mehr eine Frage der Taktik war, ebenso wie die Tatsache, daß die erste Reise des neuen Staatspräsidenten Novotny in die Slowakei führte.

ze/it erreicht hat; vor allem aber auch die Tatsache der Nähe der Sowjetunion. Nach Ab- heute' jääirfelerer die einstige Tschechoslowakei trotz des Besitzes der weit nach dem Osten vorstoßenden Karpaten-Ukraine nie war), so daß die dadurch in erster Linie für die Slowakei und die Slowaken entstehenden Probleme ähnlich denen der Polen sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung