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Sorgen der Landwirtschaft

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In Kreisen der Landwirtschaft herrscht einiges Unbehagen wegen der Teuerung und der Verschlechterung der Emährungsbilanz. Gemessen an der analogen Zeitspanne des Vorjahres verzeichneten von Jänner bis April die Importe von Getreide, Backwaren und anderen Müllereierzeugnissen eine Erhöhung um 39 Prozent, dagegen die Exporte von lebenden Tieren nach dem Schilling- wert einen Rückgang um 24 Prozent, weil infolge der' sogenannten „Preis-, äbschöpfungen der EWG“ der finanzielle Erlös der hohen Rinderexporte-1 gesunken ist. Im Sektor der Ernährung zeigte die Handelsbilanz daher plötzlich ein Defizit von nahezu zwei Milliarden Schilling (plus 46 Prozent). Zugleich besteht keine Aussicht, daß die „Schere“, die Differenz zwischen den Preisen der industriellen und landwirtschaftlichen Erzeugnisse, ihre schädlichen Wirkungen verliert. Eine etwaige Erhöhung der Agrarsubventionen im Veranschlag 1967, die im Interesse der Preisstabilisierung vom sachlichen Standpunkt durchaus gerechtfertigt wäre, stößt vermutlich auf ein Veto des Wirtschaftsbundes, das dm Vorfeld neuer Budgetvenhandlungen nicht leicht zu überwinden sein dürfte. Anderseits bringt der Reiseverkehr, der heute bis in die entlegensten Alpentäler reicht, dem bäuerlichen Haushalt manche Erleichterung, doch unterliegt der Fremdenverkehr gerade in den wichtigsten Agrargebieten — in der Steiermark, in Ober- und Niederösterreich — ganz anderen Tendenzen als in den westlichen Bundesländern. Unter diesen Umständen sind die Sorgen des Bauernstandes verständlich, aber auch die Öffentlichkeit besitzt ein Interesse daran, diie bisher erreichten großen Fortschritte der Landwirtschaft zu sichern und auszubauen.

Rückfall der Agrarproduktion

Im Augenblick ist die Wirtschaftslage nicht nur durch Teuerungswellen und hohe Importüberschüsse belastet, sondern vor allem durch einen Rückgang der Schweinebestände und Ernteerträge (siehe Tabelle A). Nach der letzten Viehzählung vom 10. Dezember war der Schweinebestand im Vorjahr um rund eine halbe Million gefallen. Man muß 13 Jahre zurück- ge-hen, um wieder einen derartigen Tiefstand zu entdecken, eine Entwicklung, unter der alle Bundesländer zu leiden hatten, besonders Oberösterreich und das Burgenland. Als Gründe galten die Umstellung des Konsums und die jährlich steigenden Ansprüche des Fremdenverkehrs, als Barometer dienten die gewerblichen Schlachtungen, die im Verlauf zweier Jahre bei Schweinen um neun Prozent gestiegen, dagegen bei Rindern um 16 Prozent gesunken waren, so daß wenigstens der Rinderbestand in der üblichen Weise zunebmen konnte. Pferde, Schafe und Ziegen, Enten und Gänse bewegten -sich seit langem auf einer absteigenden Linie, im Vorjahr sogar Hühner. Das große Aktivum, das die Depression der jüngsten Zadt zwar nicht ausgeglichen, aber immerhin gemildert hat, blieb die Milcherzeugung, getragen von den pausenlos steigenden Jahresleistungen der einzelnen

Kuh (2891 Kilogramm), wobei einmal erwähnt werden muß, daß im Vorjahr -allein5 der Export von Trockenmilch mit 18.348 Tonnen -einen Wert von 236,1 Millionen Schilling erreicht hatte (plus 39 Prozent).

Das Jahr 1965 brachte aber auch sehr schwache Ernten, vor allem wegen der geringeren Hektarerträge, eine Folge des schlechten Wetters und der oft sintflutartigen Regenfälle, die manchmal zu lokalen Katastrophen führten, weil die Wildfoach- verbauung und die Flußregulderun- gen vernachlässigt wurden. Nicht nur die österreichischen Länder klagten über Erdrutsche, sondern auch Frankreich und Italien, vor allem jedoch die Schweiz. Jedenfalls buchte die Landwirtschaft einen Rückfall; denn allein 'bei Gerste, Hafer und Brotgetreide erreichten die Verluste knapp 300.000 Tonnen oder 14 Prozent. Leider zeigt die Öffentlichkeit wenig Verständnis für diese Zusammenhänge, weil der „Kalte Krieg am Stuiben-ring“ — die Gegensätze zwischen Handel und Landwirtschaft — eine Verschärfung erfuhr und im Rahmen der Volkspartei der Bauernbund von den anderen Bünden zurückgedrängt wurde. In dieser kritischen Situation verfügt die Landwirtschaft allerdings noch über eine Reserve. Viele Lücken, die in den südlichen und westlichen Bundesländern auftreten dürften, könnten mit Hilfe von Niederösterreich geschlossen werden, wo sich zweifellos ein Aufstieg vorbereitet.

Erhöhte Getreideimporte

Es war selbstverständlich, daß der Rückgang der Viehbestände und Ernteerträge sehr rasch den Außenhandel beeinflussen mußten (siehe Tabelle B). Der Abnahme der

Schweineibestände entsprach eine plötzliche Zunahme der Schweine- i mp orte (Jänner bis März 35.504 Stück), vorwiegend aus Ungarn, Bulgarien und Ostdeutschland, während der Rückgang der Importe von Fleisch und Fleischwaren zunächst als eine natürliche Folge der allgemeinen Umstellung des Konsums von Rindfleisch auf Schweinefleisch erschien, so daß endlich Dänemark in den Vordergrund rücken konnte. Die Engpässe bei Getreide führten wiederum zu kräftigen Importen von Weizen aus Frankreich und Westdeutschland, Roggen aus Rumänien und der Türkei, Mais aus Jugoslawien und den Vereinigten Staaten, ferner Gerste aus Polen und Jugoslawien, Frankreich, Großbritannien und Nordamerika, zuletzt von Hafer aus Schweden, Reis au-s Argentinien und Hirse aus den Vereinigten Staaten.

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