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„Sozialistisches” Mittelmeer?

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In Athen bemühen sieh gegenwärtig die wichtigsten diplomatischen Vertretungen der kommunistischen Sphäre um bessere, normalisierte Beziehungen und geben einander fast die Türklinke in die Hand. Sie folgen damit einigen westlichen Staaten auf dem Fuße, die ihren Botschaftern den Auftrag zur Wiederanknüpfung abgebrochener diplo matischer Gespräche gaben.

Was ist geschehen? Ist die rechtsgerichtete Militärdiktatur Griechenlands etwa keine Diktatur mehr? Oder habe die Diktatoren Osteuropas erkannt, daß es sich schließlich in Athen auch um ein autoritäres Regime handelt? Der vertrauende Zeitungsleser, dem man noch vor etlichen Wochen sieben Jahre alte „Barrikadenbilder” als angebliche neue Dokumente zur aktuellen Zeitgeschichte präsentierte, der von Protesten der Sozialistischen Internationale und ähnlichen Gremien gegen Athen erfuhr, fragt sich nun: Wo bleibt hier die Linie?

Die Antwort ist freilich bald erteilt. In dem unruhigen Mittelmeer bildet Griechenland einen Eckpfeiler, ein Sprungbrett für denkbare Aktionen während eines bewaffneten Konflikts. Griechenland ist ein NATO-Staat. Erscheinen also deshalb Sowjet- und tito-kommunistische Diplomaten im Vorzimmer des Athener Außenministeriums? Die einzige, verlegene Auskunft, die uns ein jugolawischer Gesprächspartner erteilten lautet: Zwar stehen die Militärs in Griechenland rechts. Doch säubern sie gegenwärtig (nach dem Abflug des Königs ins Exil) die roya- listischen Reihen der Generalstabsoffiziere und Verwaltungsbeamtenschaft so eifrig, daß die heutigen Athener Machthaber damit eigentlich der Republik und einer Volksfront in die Hände arbeiten.

Russen gegen Russen

Eine knappe Analyse der Nahostlage aus dem Moskauer Blickwinkel besagt: Die Jarring-Aktion zur Befriedung zwischen Arabern und Israelis war dem Kreml willkommen: Vietnam und Korea beanspruchen sowjetische Hilfslieferungen, Berater und militärische Bereitstellungen zur Genüge. Ein gleichzeitig im östlichen Mittelmeer aufflammender Konflikt wäre nicht bloß eine Überforderung der Sowjets, sondern man weiß im Kreml auch, daß die Amerikaner im Mittelmeer keine Eskalation, keinen „Rückzug in Ehren” spielen können. Deshalb die Behutsamkeit in Moskau, die dem aufflammenden Revanchegeist jn Ägypten widerstrebt, Die Russen wären diesmal am östlichen Mittelmeer also unmittelbar engagiert wie keinesfalls in Vietnam oder Korea. Es hieße die Militärbasen in Ägypten und dje Ansatzpunkte in Algerien gefährden, wollte man sowjetischerseits vorzeitig aufs Ganze gehen. Die Israelis selbst üben Zurückhaltung. Denn der Feind, mit dem sie sich konfrontiert sehen, heißt wohl in erster Linie Sowjetunion. Amüsanterweise führen gegenwärtig in Israel Männer, die ebenfalls aus der heutigen Sowjetunion stammen: Dajan, Rabin, Esch- kol, der seinen Namen aus Schkol- nikow hebräisiert hat. Am Suezkanal stehen sioh also Russen und Russen gegenüber.

Wie sieht eg aber mit den übrigen kommunistischen Ländern im Bereich des Mittelmeeres aus? Lediglich Rumänien hat sich zu einer neutralen und vermittelnden Haltung im israelisch-arabischen Konflikt bekannt. Alle übrigen kommunistischen Länder haben schließlich für die Araber votiert. Via Belgrad liefen seit Juni 1967 sogleich Hilfsaktionen mit kostbaren Waffensendungen aus der Sowjetunion und der Tschechoslowakei. Aus beiden Ländern, ebenso aus der DDR, folgte ein Nachschub an Technikern und Beratern. Vor wenigen Tagen erst hat de Gaulle längere Verhandlungen mit dem Irak geführt, um diesem gegen Erdölkonzessionen Mirage- Flugzeuge zu liefern. Im Jemen haben die Republikaner eine neue Offensive begonnen. Die Syrer sind intransigenter als alle übrigen Nachbarstaaten Israels.

Auch die sowjetische Großmacht sieht sich im Lager der kommunistischen Bruderparteien einer gewissen Kritik ausgesetzt: Italiens Kom munistische Partei ist über die militärische Verankerung der Sowjetmacht im Mittelmeer offenbar nicht beglückt. Auch in der Hierarchie des jugoslawischen Bundes der Kommunisten gibt es Zweifler. Die zwischen Italiens und Jugoslawiens KP vereinbarte Mittel meerkcmferenz der Bruderparteien soll zwar gewiß die Friedensfrage im Mittelmeer behandeln und den Moskauer Gipfel vorbereiten helfen. Zugleich aber könnte sich damit eine Art „Dritte Kraft” innerhalb der Kommunistischen und Arbeiterparteien selbst bilden — distanziert vom großen Streitfall Moskau—Peking. Wünscht man so etwas im Kreml oder kann man eine solche „Föderation” europäischarabischer Bruderparteien verhindern? Auch diesbezüglich muß man die Ergebnisse der Budapester Konsultativkonferenz von nunmehr 60 „Bruderparteien” abwarten. Natürlich läßt sich eine Aktionsgemeinschaft kommunistischer Parteien des Mittelmeeraumes im Sinne der Moskauer Initiativen einsetzen — vorausgesetzt, sie entfalten nicht wirklich ein dritte Kraft und tragen nicht bei zum „Polyzentrismus” der in Osteuropa selbst Blüten treibt.

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