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SPÖ: Echte Machtpositionen

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Die SPÖ hat es verstanden, sich im Laufe ihrer Entwicklung in der Zweiten Republik echte Machtpositionen zu schaffen, und gerade in ihnen liegt die Gefahr, daß sie für den einzelnen mißbraucht werden könnten.

Der Sündenbock

Das alles aber sieht der Ohefideologe der SPÖ nicht, sondern gibt anderem die Schuld. Der Fall Olah wird von ihm mit einem Haß behandelt, wie er sich nur unter Brüdern entwickeln kann. Czernetz behauptet, die SPÖ habe mit der sauberen und ordentlichen Lösung des Falles Olah der Demokratie, dem demokratischen Staat einen großen Dienst erwiesen.

Wie liegt denn aber wirklich der Fall Olahs, der immerhin 148.000 Stimmen bekommen konnte, in Wien allein 80.000? Das müßte doch auch dem Chefideologen zu denken geben und ihn nicht bloß zu einer Haßorgie veranlassen. Olah ist ein besonderer Fall in der Geschichte der sozialistischen Partei, hat er doch einen großen Fehler gemacht. Er hat im Jahre 1964 auf eine neuerliche Kandidatur zum Präsidenten des ÖGB verzichtet, um sich in die politische Arena zu begeben — und damit zum Konkurrenten Bruno Pittermanns zu werden! Das war sein Verhängnis, denn er war in diesem Kampf der Unterlegene. Hätte Olah diesen Fehler nicht begangen, wäre er im Jahre 1964 neuerlich ohne alle Schwierigkeiten zum Präsidenten des Gewerkschaftsbundes gewählt worden, und er wäre es bis zum heutigen Tag; er wäre der „saubere, unantastbare“ Präsident, den am Ende seiner Funktionsperiode sowohl von der Kontrollkommission als auch vom gesamten Kongreß die Entlastung und der Dank für seine Geschäftsführung ausgesprochen worden wäre.

Es ist sehr leicht, nunmehr Olah zum Sündenbock zu stempeln und ihm alles anzulasten, was im Schoße des Gewerkschaftsbundes Jahre hindurch möglich war, ohne daß es zu einer Kritik oder zu Untersuchungen gekommen wäre. So einfach liegen die Dinge nicht. Das Volk glaubt einfach nicht an diese Art Darstellung und ist überzeugt, daß es innerhalb des Gewerkschaftsbundes und der SPÖ Mitwisser der Transaktionen Olahs geben muß, weil ein Mann allein in einer demokratischen Organisation unmöglich solches anstellen kann. Das ist bis heute die eigentliche Ursache, daß man diese Affäre noch in Dunkel hüllt, anstatt sich zur vollen Wahrheit zu bekennen.

„Die Wahrheit“ über die „Kronen-Zeitung“

In diesem Zusammenhang versucht der Gewerkschaftsbund eine Rechtfertigung auch in dem Artikel „Die Wahrheit über die .Kronen- Zeitung' “. Der Schreiber dieser Rechtfertigung in der „Solidarität“ nimmt manche Dinge vorweg, die erst in einem kommenden Straf prozeß, aber auch in dem vom ÖGB angestrebten Zivilprozeß, erwiesen werden müssen. Vor allem behauptet der ÖGB, daß Olah Miteigentümer der „Kronen-Zeitung“ geworden ist. Nachdem Olah vom ÖGB die Entlastung erteilt wurde, soll der ÖGB im September 1965 auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des ÖGB- Präsidiums und des Bundesvorstandes veranlaßt worden sein, die Strafanzeige gegen Franz Olah, Kurt Falk, Franz Dichand und andere wegen Verdachtes der Untreue, der Veruntreuung und der fahrlässigen Krida zu erstatten. Auf Grund dieser Strafanzeige stellte die Wirtschaftspolizei im Zuge der Untersuchungen umfangreiches Material sicher.

Aus diesen Unterlagen soll, wie der ÖGB behauptet, hervorgehen, daß Franz Olah eigenmächtige Verfügungen über Gelder des ÖGB getroffen hat und sich in weiterer Folge auch 90 Prozent der Geschäftsanteile des Zeitungsverlages Dichand & Falk Ges. m. b. H„ zu dem auch die „Kronen-Zeitung“ gehört, widerrechtlich angeeignet haben. Weil nun, nach Meinung des ÖGB, die „Kronen-Zeitung“ aus dem Gewerkschaftsvermögen aufgebaut wurde, besteht nach seiner Ansicht ein Anspruch auf Herausgabe des Unternehmens, und im Zuge dieses widerrechtlichen Verfahrens hat der ÖGB auch die in der Öffentlichkeit schon vielfach kritisierte „Einstweilige Verfügung“, die inzwischen wieder aufgehoben wurde, erwirkt.

Der ÖGB behauptet, daß er Akteneinsicht über den bisherigen

Stand der strafrechtlichen Untersuchungen erlangt hat. Es ist wohl eine berechtigte Frage, wie in einem schwebenden Verfahren eine solche Akteneinsicht möglich gewesen ist. Bekanntlich ist in diesem Stadium eines Strafverfahrens die Untersuchung geheim. Erst nach Erhebung der Anklage steht der Partei Akteneinsicht zu. Schon im Jahre 1959 sollen Unterstützungen Olahs an die „Kronen-Zeitung“ erfolgt sein, weil er sich „ein Sprachrohr schaffen wollte“. Es ist aber nicht ganz klar, warum sich Olah bereits im Jahre 1959 ein Sprachrohr schaffen wollte, da er doch damals unbestrittener Präsident des Gewerkschaftsbundes war. Ist es also möglich, daß Olah bereits 1959 Verhandlungen mit der „Kronen-Zeitung“ führte, ja nicht nur mit der „Kronen-Zei- tung“, sondern auch mit der Zentralsparkasse, ohne dafür Beschlüsse einzuholen, und daß niemand außer ihm von solchen Verhandlungen gewußt hat? Das ist wohl das Dunkle und Unglaubwürdige an der ganzen Affäre, und es ist nur zu hoffen, daß der kommende Straf-, aber auch der Zivilprozeß Klarheit darüber bringt.

Griff nach den Sternen?

Wenn also eine echte Analyse für die SPÖ einen Sinn haben soll, dann müßte auch für den Fall Olah in der eigenen Partei Schuld und Ursache gesucht werden. Denn Olah ist nicht irgendein SPÖ-Mitglied, sondern er gehörte zu den höchsten Spitzenfunktionären. Er hatte nur eines nicht erreicht, die Spitze selbst: nach ihr zu greifen, war er eben im Begriffe. Bei diesem Kampf aber ist er unterlegen. Die SPÖ hat die Abrechnung mit Olah mit einem Haß geführt, wie er nur selten zu finden ist. Ihre Schuld liegt darin, daß sie den Fall Olah nicht anders erledigt hat, als sie es getan hat.

Und die „Religion“?

Nun geschehen abermals Fehler in einer Darstellung des ehemaligen Mitgliedes des Nationalrates, Doktor Max Neugebauer. Unter dem Titel „Religion im Wahlkampf“ („Furche“ vom 2. April) behauptet Neugebauer, daß in dem Wahlkampf das Verhalten mancher katholischer Priester sehr bedauerlich war, und zwar nicht nur der Landgeistlichen, sondern auch anderer. „Am schlimmsten war es“, schreibt Neugebauer, „wie mitgeteilt wurde, in Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Es wurde über Priester berichtet, die ihre Tätigkeit mit dem Eifer fanatischer Parteifunktionäre betrieben.“ Da, wie er behauptet, viele Sozialisten von Unwillen über das Verhalten einiger Priester erfüllt sind, entstehe aus diesem Unwillen oft eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber der Religion und den religiösen Werten. Es ist bedauerlich, daß gerade Neugebauer oberflächlich argumentiert und nur Behauptungen aufstellt, für sie aber die Beweise schuldig bleibt. Worin bestand das Verhalten mancher katholischer Priester? Wenn man solche Beschuldigungen öffentlich erhebt, dann muß man wohl auch für ein solches Verhalten konkrete Beweise angeben, und dafür fehlt jede Spur! Wir halten Neugebauer zugute, daß er aus einer gewissen Sorge heraus diesen Artikel geschrieben hat, aus einer Sorge,

daß wieder der alte Kulturkampf entstehen könnte. Aber Neugebauer muß dabei eines bedenken: Auch der Priester ist Staatsbürger, und als solcher muß ihm auch eine politische Meinung zugebilligt werden. Wenn er sich daher zu einer bestimmten

Partei bekennt, dann kann man ihm das nicht Übelnehmen, ja man kann es ihm selbst dann nicht anlasten, wenn er sich für diese Partei einsetzt, ja vielleicht sogar für sie wirbt; nicht ex cathedra, also in jenem Bereich, in dem der Priester über den Parteien zu stehen hat. Das aber hat Dr. Neugebauer nicht behauptet; er spricht immer nur von einem bedauerlichen Verhalten, wobei er unausgesprochen läßt, in welchem Bereich dieses Verhalten des Priesters stand, ob in seinem Priestertum oder in seinem Bereich als Staatsbürger. Die Kirche hat sich und ihre Vertreter nach 1945 bewußt aus dem parteipolitischen Kampfe herausgehalten, und sie ist gut dabei gefahren. Aber deshalb kann man doch dem einzelnen Priester nicht Übelnehmen, als Staatsbürger eine eigene Meinung zu haben und für eine politische Partei ©inzutreten.

Es wäre der SPÖ bei der Analyse des Wahlergebnisses der Nationalratswahlen 1966 sehr zu empfehlen, nicht zu sehr den Splitter im Auge des anderen zu suchen, sondern vielmehr den Balken im eigenen Auge. Diesmal lagen wohl die Fehler eindeutig bei der sozialistischen Partei. Sie möge in sich gehen und endlich das „nostra culpa“ sprechen, das die Öffentlichkeit, wenn sie die Eigenkritik der SPÖ ernst nehmen soll, endlich hören will.

Zu dem Artikel Präsident Neugebauers laufen auch ständig andere Zuschriften ein, die wir zu einer umfangreicheren Veröffentlichung sammeln. Wir bitten die Einsender bis dahin um Geduld.

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