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Sprung in den Wahlkampf

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Zu einem Erfolg der Parteispitze gestaltete sich die erste Sitzung der ÖVP-Bundesparteileitung nach den schweren Wahlniederlagen in Salzburg und Wien. Der Erfolg von Klaus und Withalm ist um so größer, als es ihnen gelang, gleichzeitig die Reihen hinter sich dichter zu schließen, als dies seit langem der Fall war. Die Oppositionspresse versuchte nach der Sitzung, Salz und Pfeffer in die Wunden zu streuen, übersah dabei jedoch, daß die Wunden mittlerweile — nicht ohne Zutun der Opposition — abgeheilt waren. Für die politischen Beobachter war das Ergebnis der Sitzung vom 29. Mai nicht sonderlich überraschend. Schon eine Woche vorher, bei den Beratungen der Parteispitze mit den Bünde-und Landesobmännern, hatte sich gezeigt, daß die maßgeblichen Vertreter der Regierungspartei enger zusammengerückt waren. Fazit: Die Verantwortung, die Josef Klaus übernommen hat, ist wesentlich schwerer geworden. Er hat aber nach langer Zeit erstmals wieder eine gewisse Chance bekommen, die nächste Nationalratswahl zu gewinnen.

In der Debatte, die nach glaubwürdigen Aussagen hart, sachlich und von ungewöhnlich hohem Niveau war, blieben einige wesentliche Punkte praktisch unbestritten: Der Wahltermin 1. März 1970, das Wahlziel der absoluten Mehrheit und die Wiederwahl von Klaus und Withalm auf dem Parteitag am 14. und 15. November. Dieser Termin hingegen war heißumkämpft. Für eine Verlegung des im Herbst 1969 fälligen ordentlichen Bundesparteitages auf einen Termin nach der Nationalratswahl plädierte fast die Hälfte der Sitzungsteilnehmer. Es kann sogar eine kleine Mehrheit gewesen sein, man stimmte ja nicht ab, man entschloß sich nach langer Diskussion, dem Wunsch des Bundesparteiobmannes Rechnung zu tragen.

Erleichtert wurde den Gegnern die Zustimmung durch die Tatsache, daß anläßlich des 25jährigen Bestandes der Partei im April 1970 ohnehin ein außerordentlicher Bundesparteitag abrollen muß.

Durchgesetzt hat sich Klaus auch bei der Neubestellung der vakant gewordenen Regierungsposten, die beide mit Männern seines Vertrauens, ja seiner unmittelbaren Umgebung besetzt wurden. Wer an eine „Verlegenheitslösung“ geglaubt hatte, mußte schon nach den ersten Interviews von Mock und Neisser seine Ansichten korrigieren. Nachträgliche Widerstände kamen lediglich aus den mittleren und unteren Schichten des Apparats, wo man vielfach in einem Regierungsamt den Lohn für langjährige Dienste als Parteifunktionär sieht. (Hier liegt ein ganz offensichtliches Generationenproblem vor.) Nach solchen Meinungen dürfte es in der Regierung weder einen Koren noch einen Klecatsky noch einen Waldheim geben.

Der Einzug eines dritten Hochschulprofessors in das Kabinett Klaus — auch Dr. Tuppy wurde für das Amt des Unterrichtsministers genannt — scheiterte an einer Tradition, die manches für sich hat: keinen Lehrer als Unterrichtsminister.

Waren auch die Personal- und Terminfragen die spektakulären, so erscheinen die sachlichen Entscheidungen nicht minder wichtig: • Nach Biffls Abgang machte die Volkspartei aus ihrem Herzen keine Mördergrube mehr und entschied in der Frage der 13. Schulstufe eindeutig für eine Aussetzung von fünf Jahren. Damit überläßt sie es den Sozialisten, dem Volksbegehren wenigstens zum Teil Rechnung zu tragen oder es abzulehnen, das wesentlich mehr Unterschriften bekommen hätte, wenn es nicht auf die vollkommene Abschaffung der 13. Schulstufe gelautet hätte.

• Die Ablehnung des Arbeitszeitvolksbegehrens durch die ÖVP war nicht überraschend. Allerdings hat sich die ÖVP nun eindeutig für eine etappenweise Herabsetzung der Arbeitszeit ausgesprochen. Sie ließ allerdings die Frage offen, ob und wann nach Abschluß eines General-kollektiwertrages zwischen den Sozialpartnern ein Arbeitszeitgesetz beschlossen werden soll.

• In der ÖIG-Frage schaltete man in der Erkenntnis, daß eine Verstaat-lichtenlösung ohne Sozialisten wenig Aussicht auf dauernden Erfolg hat, einen Gang zurück und erteilte trotz Ablauf der selbstgewählten Frist — Ende Mai — dem Verhandlungskomitee neue Vollmachten.

Es scheint, daß sich die ÖVP nun wieder gefunden hat. Auch tritt durch die Rückkehr Karl Pisas in die Kärntnerstraße zweifellos eine Stärkung des zentralen Apparates ein, der einen politischen Führer erhält, welcher sich ausschließlich den organisatorischen und propagandistischen Aufgaben widmen kann und zudem das volle Vertrauen Withalms genießt.

Nach den Spekulationen und auch von manchen Funktionären geschürten Unruhen geht die ÖVP parteiintern wieder weniger bewegten Zeiten entgegen. Das ist nicht nur für die Volkspartei selbst ein Vorteil, sondern auch besser für das Land: Störungen in einer der großen Parteien, sei es die ÖVP oder die SPÖ, haben noch immer zu Schwierigkeiten in der politischen Entwicklung Österreichs geführt.

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