6754001-1967_39_04.jpg
Digital In Arbeit

Stabiles Vorarlbers

Werbung
Werbung
Werbung

Die Regierung des jungen Landes Hauptmannes Dr. Herbert Kessler darf einen Erfolg buchen, mit dem selbst berufsmäßige Optimisten kaum noch gerechnet hatten, die „Rückeroberung“ der Vorarlberger Iiiwerke. Das Riesenunternehmer mit einem Reinvermögen von drei Milliarden Schilling, die fünftgrößte Aktiengesellschaft Österreichs, das Vorarlberg der Planung des Landeshauptmannes und späteren Bundeskanzlers Dr. Otto Ender verdankt befand sioh gegen Ende des zweiten Weltkrieges zu 89,225 Prozent ir deutschen Händen. Die deutscher Aktien fielen auf Grund des Potsdamer Abkommens zunächst ah „Deutsches Eigentum“ an die Siegerstaaten und durch den Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 an die Republik Österreich.

Vorarlberg geriet mit seinen 5 Prozent des Aktienlcaniitails — der Rest

gehört einer Schweizer Firma — in eine hoffnungslose Minderheit, zumal der Erwerb einer Aktienmehrheit das Landesbudget mehrerer Jahre restlos verschlungen hätte Minister Waldbrunner setzte di< Vorarlberger öffentliche Verwaltunj ab und verfügte seinerseits ein< öffentliche Verwaltung, die zweifellos sehr gut arbeitete, den Vorarlberger Einfluß aber stark zurücktreten ließ. So bestand bei den Vorarlberger Illwerken mehr als zwanzij Jahre nach Kriegsende ein Provisorium; die Bestellung ordentliche] Gesellsohaftsorgane unterblieb. Nur fanden Bundes- und Landesregierung eine Lösung, die fast an da: berühmte Ei des Kolumbus erinnert Der Bund bestimmte zwölf Vertrete! seines Aktienanteils für den Aufsichtsrat, von denen sechs Wiene: und sechs Vorarlberger sind. De: Tvandeshauntmann und der Landes

finanzreferent vertreten den Vorarlberger Anteil. Dazu kommen die beiden Personalvertreter und der Repräsentant des Schweizer Kapitals. Vorsitzender des Aufsichtsrates : wurde Landeshauptmann Dr. Kess-; ler, für den eine Lösung, bei der die i Aktienmehrheit beim Bunde bleibt, jedoch eine starke Vorarlberger i Mehrheit im Aufsichtsrat sitzt, dem

nicht weniger als vier Mitglieder der . Vorarlberger Landesregierung ange-

; hören, ein glänzender persönlicher . und politischer Erfolg ist.

Der neue Kurs zeigt sich schon darin, daß zum Generaldirektor der • Iiiwerke der bestbewährte General-i direkter der Vorarlberger Kraft-, werke, DDr. Adolf Berdhtold, be-stellt wurde, so daß nun eine Per-- sonalunion zwischen dem größtenStromexportunternehmen öster-reichs und der Vorarlberger Landes-versoraune besteht. Da, wie bereits gesagt ein Erwerb der Aktienmehrheit der Iiiwerke die Kräfte des Landes weit überstiegen hätte, bedeutet diese Neuordnung der III-werke eine optimale Lösung.

Zwei stille Jahre

Als im Oktober 1964 der Vorarlberger Landtag neu gewählt wurde, befand sich die ÖVP auf einem Tiefpunkt und errang knapp die absolute Mehrheit. Sechs Monate später war bei den Gemeindewahlen das Tief überwunden und wäre im März 1966 der Vorarlberger Landtag zugleich mit dem Nationalrat gewählt worden, wäre die ÖVP von 20 auf 25 Mandate gestiegen, während die SPÖ zwei und die FPÖ sogar drei Mandate verloren hätte. Damit kann die ÖVP im Landtag mit größerem Gewicht auftreten. Den politischen Parteien stehen jetzt noch zwei stillere Jahre bevor. 1968 ist, wie 1967, ein Jahr der Ruhe. Erst im Oktober 1969 wird der Vorarlberger Landtag neu bestellt.

Die beiden großen Ereignisse des Vorarlberger Sommers sind Kinder der ersten Nachkriegszeit. Damals lag Vorarlberg in der Sonne einer

einmaligen Konjunktur. Zu einer Zeit, da der ausländische Besucher vor der „Ennsbrücke“ größere Scheu hatte als heute vor einer Reise nach China, konnte man im „Kleinen Grenzverkehr“ aus der Schweiz, aus den westlichen Besatzungszonen Deutschlands und damit aus allen westlich der Schweiz und Deutschlands gelegenen Ländern nach Dorn-birn oder Bregenz fahren und sich dort mit Wiener Freunden und Verwandten treffen. Daß die Dornbirner Messe und die Bregenzer Festspiele in den Jahren blühten, da Vorarlberg der Treffpunkt für ganz Europa war, ist verständlich.

Krisen überwunden

Dornbirner Messe und Bregenzer Festspiele hatten ihre Krisen, aber auch hier ist das Tal durchschritten wie in der Landespolitik. Die Dornbirner Messe hat mit einem mutigen Schnitt die strenge Fachmesse (ötex) von der sommerlichen Warenschau mit Massenbesuch getrennt. Diese Scheidung hat sich bestens bewährt. Die Besucherzahl der Bregenzer Festspiele hat die des Jahres 1966 weit überschritten, obwohl gerade

das deutsche Bodenseeufer, das die meisten Gäste „liefert“, heuer stark über Besuchermangel klagte. Die Rekordziffern der ersten sechziger Jahre hat heuer niemand in Bregenz erwartet. Wichtig ist, daß der Besucherrückgang nicht nur nicht anhielt, sondern einem Steigen der Kurve wich.

Man darf anerkennen, daß die Festspiele ihren Platz im öffentlichen Bewußtsein gesichert haben. Die Scheu vor kulturellen Bestrebungen mit größerem Kostenaufwand ist im Abnehmen. Eine gewisse Hemmung bereitet der starke innere Föderalismus Vorarlbergs, der oft nicht viel weniger spürbar ist als die Eigenständigkeit gegenüber Wien. Obwohl die Festspiele auch nach Hohenems, Feldkirch und Bludenz mit Konzerten kamen„ die kaum ein „Geschäft“ waren, kann man die Auffassung vernehmen, es fließe Geld aus dem ganzen Lande nach Bregenz, wobei die anderen Städte und Landesteile zu kurz kommen könnten. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es wichtig, daß die Bregenzer Festspiele bei einem kunstbegeisterten Landeshauptmann in guter Hand sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung