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Steirischer Frühling

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Die warme Märzsonne lockte am vergangenen Sonntag auch den letzten noch säumigen steirischen Wähler hinter dem Ofen hervor. So gingen die Männer und Frauen der Grünen Mark mit einer Rekordwahlbeteiligung von 97, Prozent aller Wahlberechtigten zu den Urnen, um einen neuen Landtag zu bestellen. Und am Abend des Wahltages konnte die Volkspartei in der Steiermark einen schönen Erfolg buchen, über den sich alle ihre Freunde in ganz Österreich mitfreuen dürfen.

Die Volkspartei in der Steiermark? Ist das ganz korrekt und zutreffend? Heißt nicht der Sieger des letzten Wahlsonntags der Steiermark allen voran Josef Krainer, dessen landesväterliche Person talauf, talab den Wählern an Mur, Mürz und Enns nahegebracht wurde. „Amerika siegt in der Steiermark“, schrieb etwas sauer eine sozialistische Wochenzeitung und spielte dabei auf die Wahlmaschine der Volkspartei an, die von Flachzündern mit dem Bild Krainers bis zu Luftballons kein Requisit verschmähte, um auch dem letzten noch zögernden Wähler die Stimme für den Mann im Landhaus zu Graz abzuverlangen. Wer treuherzig nach Zielen und Ideen fragte, kam allerdings etwas zu kurz. Dafür wurde es nicht verschmäht — übrigens von beiden Seiten —, da und dort unterschwellige Strömungen anzusprechen und auf dem Klavier auch weniger schöner Seelen leise zu tremo- lieren. Am Abend nach einer Wahl werden solche Überlegungen allerdings wenig gefragt. Da zählt nur der Erfolg, und den konnte Josef Krainer diesmal ohne Zweifel in seine Scheune fahren. 330.164 Wähler stimmten für die Liste des Landesvaters. Bei der letzten Landtagswahl, 1957, waren es 315.206 gewesen, bei den Nationalratswahlen gar nur 308.836. Krainer und seiner Partei ist es nicht nur gelungen, den sozialistischen Vormarsch in der Steiermark zu stoppen, er konnte auch einen Teil der fluktuierenden Wählerschicht, wenn schon vielleicht nicht einmal so sehr der Völkspartei, so doch seiner Person für dieses Mal verpflichten. Die steirischen Sozialisten traten zu diesem Wahlgang, der immer mehr den Charakter einer Landtagswahl verlor und zu einer Personenwahl wurde, in keiner guten Kondition an. Personell hatten sie zwar in ihrem Landessekretär Sebastian einen rührigen Widerpart zu dem mehr als einmal erprobten „Stabschef“ der steirischen Volksuar- tei. Wegart, gefunden, allein in allen höheren Rängen ist die Wachablöse der Generationen noch in vollem Gange, ohne daß sich einzelne Männer bisher stärker zu profilieren verstanden. Auch verfiel die sozialistische Propaganda mit ihrer Erneuerung der Gleichgewichtsparole in denselben Fehler, den die ÖVP bei den letzten Nationalratswahlen beging, als sie ein zweites Mal die Zauberformel Raab- Kamitz zu suggerieren versuchte. Doch der Wähler springt nicht gern zweimal durch denselben Reifen. Inwieweit auch die nach allen Seiten unverbindliche Freundlichkeiten austeilende Art des an der Spitze der Partei stehenden Vizekanzlers sich selbst für den steirischen Wähler abgenützt hat, ist schwer zu untersuchen. Nicht umsonst eilte jedenfalls der Präsident des Gewerkschaftsbundes in das steirische Industriegebiet, um mit seiner geraden, direkten Art an der Basis zu retten, was noch zu retten war. So gerieten die steirischen Sozialisten unzweifelhaft in die Defensive und mußten von ihrem stolzen „Überhang“ der beiden letzten Wahlen (1957: 296.370, 1959: 312.773, 1961: 292.067) kräftig nach drei Seiten abgeben. Der Verlust eines Mandats war bei dem in allen Wahlkreisen gleichmäßigen Wählerschwund gleichsam noch ein blaues Auge.

Die Wiederkehr der Kommunisten, die ihre Stimmen von der unter dem Eindruck der ungarischen Ereignisse stehenden Landtagswahl 1957 von 17.585 auf 26.880 verbessern konnten, ist jedenfalls, trotz des bestimmt nicht erschreckenden einen Mandats im Landtag, eine Tatsache, die im Ausland vielleicht stärker beachtet werden wird, als gewisse innerösterreichische Querelen des steirischen Urnengangs. Aber auch hierzulande tut die Erinnerung gut, daß die Abwesenheit der KP im Parlament zu Wien noch nicht bedeutet, daß es keine Kommunisten im Lande gibt. In wessen Keller aber Pulver lagert, dem ist Vorsicht bei jedem Hantieren mit offenem Licht geboten ᾠ

Die Freiheitliche Partei fehlte nicht als dritte bei der Verteilung der den Sozialisten abgenommenen Wählerbeute. Sie hat (1957: 46.103, 1959: 47.113, 1961: 50.726) manchen Heimkehrer von einem Flirt mit den Sozialisten in ihre Gesinnungsgemeinschaft wieder aufnehmen können.

Die Lehren und Folgerungen aus dem steirischen Wahlgang mögen mehrfache sein. Halten wir für heute nur drei fest. Die angenehmste zuerst: Politiker und alle anderen mit öffentlichen Dingen befaßten Männer können für dieses Jahr ruhig ihre Urlaubspläne schmieden ohne die Faust möglicher Neuwahlen im Nacken. Die Sozialisten werden kaum Lust verspüren, im Herbst das Budget „hochgehen zu lassen“ und damit Neuwahlen zu provozieren. Die Volkspartei aber wird dem neuen Bundeskanzler gewiß Zeit gönnen, in seinem Amt heimisch zu werden. Als zweites heißt es festzuhalten, daß in unsere Wahlwerbung in Zukunft immer stärker ein gewisser „Amerikanismus“ einzuziehen verspricht. Die steirischen Wahlen waren nur ein Vorbote. Politik kann aber hier leicht zur Technik der Massensteuerung werden, die, je nach dem Geschick des momentanen Wahlmanagerteams, einmal in diese, das nächstemal in jene Richtung gejagt wird. Dies gibt jenen, die die Ansicht vertreten, daß Gesinnung und Grundsätze letzten Endes über die schwankende Meinung des Tages hinweg Beständigkeit haben, die verstärkte Pflicht, dies immer und nur noch eindringlicher einer harthörigen Umwelt in Erinnerung zu rufen.

Zum dritten und letzten: Der persönliche Erfolg, zu dem die Steirer ihrem Landeshauptmann verhelfen haben — noch einmal sei es wiederholt —, war schön und wohlverdient. Doch die Steiermark ist nur ein Teil Österreichs. Wer glaubt, „steirische Rezepte" überall und in jedem Bundesland anwenden zu können, dem würden herbe Enttäuschungen nicht erspart bleiben. Ähnliche böse Überraschungen könnten sich einstellen, wenn nach den steirischen Landtagswahlen in den Reihen der Volkspartei jene trügerische Selbstzufriedenheit erneut um sich griffe, vor der nach örtlichen Erfolgen keine Partei gefeit ist. Leicht könnte dann jener Wettersturz in der Politik eintreten, der in der Natur dem schönen und warmen letzten Märzsonntag folgte.

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