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STIMMEN uber Österreich

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Kritische Blätterstimmen, die wir an dieser Stelle zur Beurteilung unserer Stellung im Ausland fallweise auch veröffentlichen, stellen nicht die Meinung der Redaktion dar, sondern dienen lediglich , zur Information unserer Leser. Die Österreichische Furche"

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Kritische Blätterstimmen, die wir an dieser Stelle zur Beurteilung unserer Stellung im Ausland fallweise auch veröffentlichen, stellen nicht die Meinung der Redaktion dar, sondern dienen lediglich , zur Information unserer Leser. Die Österreichische Furche"

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„Frankfurter Nachtausgabe“ 25. IX.

„1. April 2000“, dieser offizielle österreichische Mammutfilm, der am Montag als westdeutsche Erstaufführung in Frankfurt ein prominentes Premierenpublikum zu heller Begeisterung hingerissen hat, dürfte auch auf breiteste Resonanz bei uns stoßen. Unter der präzisen, phantasier eichen Regie des Reichsdeutschen“ Wolfgang Liebeneiner (schon das spricht für die Generosität des Werks), mit 126 ausgesuchten Hauptdarstellern und mit einem szenarischen Massenaufgebot von Zehntausenden, stellt er in der an Fragwürdigkeiten so reichen Filmgeschichte etwas völlig Neues und Einmaliges dar — heißt es in einer Kritik von Paul Fr. Weber. „Unter dem Aspekt einer ernsten politischen Lage, die den Lebenswillen des österreichischen Volkes nahezu tödlich lähmt, gelingt mit den Mitteln des Lichtspiels ein bezwingendes Plädoyer nationaler Selbstverteidigung. Keine Angst; hier werden keine Leitartikel, keine Tiraden, keine Agitationsreden geboten. Durch ein Konzentrat von Geist, Witz, Charme, Musik, Schauspielkunst, Geschmack, Takt und diplomatischem Geschick wird Wesen und Werden einer Nation deutscher Zunge festgehalten, daß es den UNO-Vertretern in den Ohren pfeifen müßte. Obwohl diese Komödie mit Tiefgang am 1. April des Jahres 2000 spielt, gewährt gerade die utopische Distanz die Möglichkeit, real und aktuell wie nur eh und je zu sein. Der Film dürfte der klügste, weil unmilitanteste Schachzug sein, der nach dem letzten Weltkrieg von einer Regierung gemacht worden ist. Denn: Auftraggeber war die österreichische Bundesregierung, das Drehbuch von Ernst Marboe und Rudolf Brunngraber wurde sozusagen nach dem Proporzsystem der Koalitionsparteien geschrieben, von höchsten kirchlichen Autoritäten mitberaten. Trotzdem, wir sagen trotzdem, besticht es durch eben jene Generosität, wie sie wahrscheinlich nur dem österreichischen Geist gegeben ist... Was hier die Kinotechnik an Montagen, Tricks und Einfällen aufbietet, um Recht und Wahrheit zum Sieg zu verhelfen, ist grandios. Beneidenswertes deutsches Brudervolk: unser Plädoyer wäre bei Gott nicht von solcher Beweiskraft.“

lischer Deutscher“, auf deren Kundgebung in der Kölner Messehalle am 9. November 1933 Herr von Papen seinen Anteil an der nationalsozialistischen Machtergreifung in die Formel kleidete:

„Die Vorsehung hat mich dazu bestimmt, im wesentlichen zur Geburt der Regierung der nationalen Erhebung beizutragen!" Diese „Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher" sollte nach seinen eigenen Intentionen die Basis der politischen Wirksamkeit des Herrn von Papen unter der Kanzlerschaft Hitlers sein, „der eherne Block der konservativen Kräfte im Dritten Reich". Das Organisationsvorhaben von Papens begegnete dem stärksten Mißtrauen der deutschen Katholiken. Wie konnte Herr von Papen ihre Zustimmung erwarten, wenn sie jeden Tag mit neuen Hiobsbotschaften überrascht wurden, die von Vertreibungen bewährter Katholiken aus öffent-

liehen Diensten und von zunehmenden Verfolgungen katholischer Organisationen zu berichten wußten? Das Mißtrauen des katholischen Volkes war um so mehr berechtigt, als die treibenden Kräfte der „Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher“ aus ihrer nationalsozialistischen Haltung kein Hehl machten. Allen voran Kuno Brombacher, der Landesbeauftragte der „Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher". Kuno Brombacher war Konvertit. Er trat 1925 zum Katholizismus über. Auf dem Deutschen Katholikentag 1931 in Nürnberg hielt er auf Einladung des Lokalkomitees eine einleitende Rede, obwohl er sich kurz vorher der NSDAP angeschlossen hatte. 1933 zog Brombacher mit der Fraktion der NSDAP in den badischen Landtag ein und wurde Landesbeauftragter der AKD, die 1935 im Bereich des Dritten Reiches aufgelöst wurde, um dann jenseits der deutschen Grenzen (in Danzig unter der Führung des abtrünnigen Zentrumssenators Wierczinski-Keyser) Unfrieden in deutschen katholischen Kreisen zu stiften und Verwirrung zu schaffen. 1936 erklärte Kuno Brombacher seinen Austritt aus der Kirche. Nach deutsch-chirist- licher Art leitete er sein „neues Bekenntnis“ mit einem heftigen Angriff gegen den Primat des Papsttums ein. Ganz im Tön der neuheidnischen Kampfblätter legte er im „Romfreien Katholik" (Mainz) sein „deutsches Glaubensbekenntnis" ab. Darin hieß es:

„Einst wird ein Sturm durch deutsche Lande wehen

Noch einmal so, wie dieser, der uns einte, Dann sammeln sich noch einmal auf den Höhen

Die Schilidgenossen gegen Deutschlands Feinde.

Im Norden reitet zwischen Tod und Teufel Der deutsche Ritter, frei nach deutschem Rechte,

Und wie die Welt, wie Tod und Höllen. Zweifel,

Hat er besiegt die letzten Römerknechte.

Zersplittert an der Friesen Felsenklippe Zerbirst das Römerschiff, das gottestaube, Und neu geboren aus der heiligen Krippe Entsteigt des Nordens deutscher Heilandsglaube.“

Kuno Brombacher war kein Einzelfall! Ein anderer Mitarbeiter Franz von Papens war der redaktionelle Leiter der 1933 neugegründeten Zeitschrift „Zeit und Volk“, E. A. Emmerich. Die deutschen Katholiken lehnten auch diese Zeitschrift ab. Schon vor ihrem Eingehen hatte Emmerich sie verlassen. Nicht etwa, well er sich schon damals vom Nationalsozialismus abgewandt hatte, im Gegenteil, er unterhielt weiter persönliche Bezie-- hungen zu Alfred Rosenberg, den er, wie er behauptete, von seinen antikatholischen Ideen in Besprechungen abbringen wollte! Offenbar aber haben die Besprechungen ihr Ziel nicht erreicht, denn 1935 landete Emmerich in der Schweiz, um als Emigrant gegen den Nationalsozialismus zu schreiben.

Einen ähnlichen Weg nahm der „Bahnbrecher des katholischen Journalismus“ im Dritten Reich, Herr Klinkenberg, dessen Berufung an die „Germania" als eine besonders kluge und politische Tat Franz von Papens gewertet wurde. Klinkenberg hat seinen Gönner und Brotherrn von Papen bitter enttäuscht: er denunzierte bei Dr. Goebbels seine Redaktionskollegen und schließlich seinen Herrn und Meister selbst. Franz von Papen sollte nach Klinkenbergs Darstellung nicht nur für Dr. Dollfuß eingenommen gewesen sein, sondern gar die Restauration der Habsburger erstrebt und gefördert haben. Das war denn doch zu dick aufgetragen, als daß selbst Dr. Goebbels die Rachelust Klinkenbergs als solche nicht erkannt hätte.

Das waren die tragenden Säulen des „konservativen Blocks“ des Heirrn von Papen, dem das katholische Volk sein Schicksal anvertrauen sollte!

Franz von Papen war nicht Mitglied der NSDAP. Von der nationalsozialisti- schęn Machtergreifung 1933 an bis zum Zusammenbruch des Dritten Reiches 1945 wurde von ihm, nach seinen eigenen Aussagen, nichts verlangt, was sein Gewissen belastet haben würde. So waren ihm Gewissenskonflikte erspart geblieben, von denen, nicht ohne sein Zutun, Hunderte von Katholiken geplagt waren.

Es war auf der letzten imposanten Jahrestagung des Katholischen Akademikerverbandes 1934 in Gleiwitz, zu der neben hunderten bangenden katholischen Akademikern aus allen Gauen Deutschlands auch Vizekanzler von Papen gekommen war. Er stand im Mittelpunkt der Kundgebung. Maria-Laach lag weit über ein halbes Jahr zurück. Was sich seither in deutschen Landen zugetragen hatte, genügte, um sich ernste Sorgen zu machen, was aus diesem deutschen Land und Volk, was aus der Kirche werden solle. Kirche und Katholiken waren vogelfrei, das Reichskonkordat ein Fetzen Papier.

Die Augen einiger hundert sorgenbedrückter Akademiker hingen an den Lippen des Hauptsprechers, von dem sie Klarheit über den einzuschlagenden Weg und ein entschlossenes Wort aus dem Munde des „ersten Beraters des Kanzlers" erwarteten. Statt dieses ermutigenden Wortes haben sie sich von Herrn von Papen eine Lektion über „die Schuld des politischen Katholizismus" anhören müssen. Dann kanzelte Herr von Papen den österreichischen Episkopat ab, der es Weihnachten 1933 gewagt hatte, in einem gemeinsamen Hirtenschreiben die österreichischen Katholiken vor der „Häresie des XX. Jahrhunderts“ zu warnen, um an Hand der Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen System im Dritten Reich die religiösen Irrtümer aufzuzeigen, die zum offenen Bruch mit der katholischen Kirche führen müßten.

„Es ist eine unbestreibare Tatsache' — sagte das österreichische Hirtenschreiben — „daß die deutschen Bischöfe schon vor Jahren einmütig den Nationalsozialismus vom religiösen und kirchlichen Standpunkt aus abgelehnt und verurteilt haben. Es ist ebenso unbestreitbare Tatsache, daß eie die Verurteilung der religiösen und kirchlichen Irrtümer des Nationalsozialismus auedrück-

lieh aufrechterhalten haben, auch als sie nach der politischen Neuordnung in Deutschland sich der Regierung infolge amtlicher feierlicher Zusicherung eines christlichen Rechtsverhältnis zwischen Staat und Kirche entgegenkommend zeigen konnten. Auch das Konkordat zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl berührte nur dieses Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Kirche, war aber nicht im geringsten eine Anerkennung und Billigung der religiösen und kirchlichen Irrtümer des Nationalsozialismus. Ob und wie nun tatsächlich dieses Konkordat eingehalten wurde, steht dem Urteil des Heiligen Apostolischen Stuhles zu. Aber alle Welt weiß, welch gespannte Verhältnisse zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich-herrschen und zu welch ernsten Besorgnissen sie berechtigten. Hat doch auch der Heilige Vater selber erst am 27. Oktober (1933) in seiner Ansprache an den reichsdeutschen katholischen Jurig- männerverband von .einer sehr schwierigen Stunde für Deutschland' und von seiner großen Sorge für die deutsche Jugend, ja von seiner Angst um die Religion in Deutschland gesprochen'.'

Was hat Harrn von Papen veranlaßt, vor den katholischen Akademikern in Gleiwitz diese sachlichen, der Wahrheit entsprechenden Feststellungen des österreichischen Episkopats anzuprangern und die österreichischen Bischöfe zu beschimpfen, weil sie ihrer oberhirtlichen Pflicht genügt und das katholische Volk zum Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus aufgefordert hatten? Das Auftreten des Herrn von Papen in Gleiwitz war in seiner Einstellung zum Nationalsozialismus begründet: es durfte nach außen keine Christenverfolgung, keinen Kulturkampf geben; gekämpft wurde nicht gegen den Glauben und die Religion, sondern nur gegen „politische Machtansprüche“ der Religions Vertreter der Kirchen, die nichts mit der Religion zu tun haben, im Gegenteil gerade die Religion mißbrauchten!

Herr von Papen gehörte zu den Initiatoren dieser irreführenden „Beweisführung". Als die „Germania" am 1. Jänner 1939 nach 68jähriger Erscheinungsdauer ihr Erscheinen eingestellt hatte, veröffentlichte sie aus diesem Anlaß auf der Titelseite einen Beitrag, in dem der Hauptaktionär der „Germania AG“, Franz Von Papen, es nicht unterlassen konnte,

seinen mißglückten Versuch, das ehemals führende Organ der Deutschen Zentrumspartei in den Dienst einer „Synthese zwischen den Elementen praktischen Christentums und der neuen Zeit" mit der Behauptung zu rechtfertigen: „Die oft unzulässige Einmischung geistlicher Faktoren in die Domäne des Staates hat Außenstehenden zu Unrecht das Bild eines unerwünschten Herrscherstrebens der katholischen Kirche gegeben und damit die Mission der Kirche nur erschwert!“

Diese traurige Beweisführung hat damals in der katholischen Welt beträchtliches Aufsehen erregt und wurde als der letzte Dolchstoß Franz von Papens gegen den „politischen Katholizismus“ kommentiert. Der vatikanische „Osservatore Romano" beschäftigte sich in einer Betrachtung mit dem Eingehen der einstmals angesehenen Berliner „Germania" und kritisierte das Abschiedswort des Herrn von Papen. Das päpstliche Organ machte sich dann das Urteil des Luzerner „Vaterland" zu eigen, das Franz von Papens Abschiedswort mit den Sätzen kommentierte:

„Die alte .Germania' war schon lange tot. Herr von Papen, der ihr nun ein unwürdiges Abschiedswort schreibt, war als geborener Intrigant schon zu Lebzeiten des Zentrums einer, der an ihrem Untergang arbeitete. Vom katholischen Standpunkt aus ist es gut, daß mit dem Namen des einst hochgeschätzten Organs kein Mißbrauch mehr getrieben werden kann.“

Herr von Papen hat seine politischen Irrtümer öffentlich zugegeben; das ist löblich. Aber er scheint nicht geneigt zu sein, aus diesem Eingeständnis die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Er scheint deshalb auch nicht geeignet zu sein, zur Umerziehung der deutschen Jugend einen Beitrag zu leisten.

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