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Straße am Strom

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Als am vergangenen Sonntag das rot-weiß-rote Band, das den Beginn der neuen Wachaustraße kennzeichnete, durchschnitten wurde und sich eine kilometerlange Kraftwagenkolonne mit dem Wagen des Bundeskanzlers an der Spitze in Bewegung setzte, wurde ein Schlußstrich unter eine mehr als zweijährige Diskussion gezogen und eine Verkehrsentwicklung eingeleitet, die wir stets kritisch und mit offenen Augen verfolgt haben.

Wie bietet sich die zuerst mit der sachlichen Nummer 129, dann mit „Stein-Emmersdorfer-Bundesstraße“ und nun, nach der Eröffnung besonders benannte „Straße am Strom“ dem sie Befahrenden dar, und welche Eindrücke hat man, wenn man den Wagen verläßt und vom Donauufer höherwärts schaut? Nehmen wir gleich vorweg: es ist glücklicherweise keine „Rollbahn“ entstanden, auf der man mit hundert Kilometer durch die Landschaft jagen kann. Der Projektierung stand eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 60 Kilometer vor Augen. Die mit einer 20 Zentimeter dicken Betondecke versehene und mit maximal fünf Prozent Steigung geführte Straße ist sechs Meter breit und gibt damit die Gewähr, daß keine Ueberholrennen abgehalten werden. Setzen wir weiter fort: Wir haben es erreicht, daß ein neuralgischer Punkt, ja geradezu die heikle Stelle der Straße, nämlich bei Dürnstein durch den 472 Meter langen Straßentunnel, die Landschaft nichts von ihrem Reiz verliert und die Donaulände unangetastet geblieben ist. Wir haben den noch nicht fertigen Tunnel durchfahren und feststellen können, daß die Sichtverhältnisse und das Profil allen Anforderungen entsprechen. Wir sind auf der Rückfahrt eigens bei St. Michael ausgestiegen und haben uns die vieldiskutierten Viaduktbögen an sich, dann in ihrer Beziehung zum Naturboden und endlich zum Landschaftsbild überhaupt genau angesehen. Mit Genugtuung kann festgestellt werden, daß den Wünschen der Denkmalpfleger und Naturschützer entsprochen und die Straße wannenförmig aus der FAmasse herausgearbeitet wurde und, wo dies vertretbar war, der Fels selbst als Rahmen in Erscheinung tritt. Diese 13 Bogengewölbe bei St. Michael haben übrigens nicht bloß an den Kraftfahrer einen Dienst abgestattet; die Fußgänger finden auf dem 380 Meter langen, auskragenden Weg gebührende Sicherheit, und Selbständigkeit, ,1m. Bereich- der-uirter •Denkwikchute--seltenderi“Sadt-Dürhstein und;nächst der alten Wehrkirche von St. Michael ist die Straße eigens mit dunklen Kleinsteinen gepflastert. Auch anderwärts hat man sich bemüht, den zur Festigung der Hänge mit Betonwänden gestützten Strecken eine zusagende Verkleidung mit Natursteinen zu geben. Wo der Beginn und die Beendigung der Bautätigkeit genügend lange zurückliegen — Teilstücke waren bereits seit einiger Zeit befahrbar — sieht man neu angepflanzte Bäume, Rasenflächen und Rastplätze (für Fußgänger), wo Sträucher eingesetzt wurden, stehen sie in biologisch richtigem Verhältnis zur ursprünglichen Llmwelt. Bei den knapp am Strome entlangführenden Strecken, die übrigens bloß 30 Prozent der Gesamtstraßenlänge ausmachen, sind die allenfalls notwendig gewordenen Stütz- oder Futtermauern auch mit Naturstein verkleidet. Also kein Hohelied des Betons um seiner selbst willen. Und das verdient angemerkt zu werden. Bei der Bauführung hat sich das Gefühl, der sichere Instinkt, das technische Talent unserer österreichischen Ingenieure, die keine Festrede nannte, durchgesetzt.

Die neue Bundesstraße mit ihrer Länge von 33,5 Kilometer erforderte einen Kostenaufwand von 181 Millionen Schilling.

Jede größere Verkehrsverbindung berücksichtigt das Einzugsgebiet, das Hinterland. Für die „Straße am Strom“ heißt es Waldviertel. Bei aller Würdigung der für die Wachau zweifellos nötigen Intensivierung des Fremdenverkehrs dürfen wir nicht die Zubringerstraßen vergessen. Die Hauptader lebt erst ganz durch ihre Nebenadern und über diese sollen die Fremden jenes am Grenzzaun liegende, vernachlässigte, schöne Waldviertel kennenlernen. Kaum ist eine Aufgabe gelöst, wartet eine andere. Uebrigens werden die Gewerbetreibenden, die Industrien und nicht zuletzt die Bauern, für welche die Aufschließung von Zubringerstraßen eine Lebensflage darstellt, von der „Straße am Strom“ auch einen „Strom zur Straße“ erwarten dürfen. Die niederösterreichische Landesregierung wird nie müde, auf die Förderung der wenig entwickelten Gebiete zu dringen, und sie tut es mit vollem Recht. Sie ist bereit, den Menschen „hinter den Bergen“ Rechenschaft zu legen.

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