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Strauß' US-Aktien fallen

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van Djilas. Die Haltung der jugoslawischen Führer gegenüber Djilas wird aber nicht von Vernunft, sondern vom Affekt diktiert, und dieser ist bekanntlich in der Politik der schlechteste Ratgeber. Sie sehen Djilas als den langjährigen Kampfgefährten, der sich plötzlich von ihnen trennte und ihrer Sache den Kampf ansagte. Sie empfinden das als Verrat. Daher ihre Härte ihm gegenüber.

Dichtung ist nicht gefragt

Jugoslawische Gerichte haben Djilas bisher schon zu mehr als neun Jahren Kerker verurteilt. Viereinhalb Jahre davon mußte er teils in Einzelhaft, teils in Gesellschaft Krimineller absitzen, ehe die Regierung durch die Fürsprache Eleanor Roosevelts, der britischen Labour-Führer und anderer Persönlichkeiten veranlaßt wurde, ihn bedingt freizulassen. Die ihm in Aussicht gestellte Amnestierung erfolgte jedoch nicht. Die Pension, die ihm auf Grund

seiner einstigen Regierungstätigkeit zukommt, wird ihm nicht ausbezahlt. Für seine unpolitischen Bücher — die Jugenderinnerungen aus Montenegro und die Biographie des montenegrinischen Nationaldichters, des Fürstbischofs Peter Petrovic Njegos — hat Djilas im Lande keinen Verleger gefunden. Dabei sind die Erinnerungen an die Jugendzeit in der montenegrinischen Heimat sicher eines der wertvollsten Werke, die die an Meisterwerken nicht sonderlich reiche montenegrinische Literatur seit den Tagen des Njegoäl' hervorgebracht hat.

Nicht einmal die Verbreitung jener Nummer der italienischen Zeitschrift „Tempo Presente“, in der die ergreifende kleine Novelle „Der Krieg“ von Djilas veröffentlicht wird, haben die jugoslawischen Behörden in ihrem Lande gestattet. Die Novelle — echtester Djilas in der Weise, wie da der Gegensatz zwischen Menschlichkeit und soldatischer oder revolutionärer

Pflicht hervorgehoben wird — ist der deutschsprachigen Leserschaft in der Aprilnummer des „Forum“ in der Übersetzung von Claus Gatterer zugänglich gemacht worden.

Der Zorn über den abtrünnigen Djilas hat die jugoslawischen Führer offenbar blind dafür gemacht, daß die Weltöffentlichkeit es nicht als Verrat, sondern als hohen Mannesmut bewertet, wenn einer seine abweichende Meinung offen ausspricht, obwohl er dadurch seine Existenz aufs Spiel setzt und Kerkerstrafe riskiert. Sie wollen nicht einsehen, wie sehr die Verfolgung dieses mutigen Mannes dem Ansehen ihres Regimes schadet. Dabei hängt das politische Gewicht ihres Landes in hohem Maße von der Bewertung seines Regimes durch die Weltöffentlichkeit ab. Die Aufhebung der Sanktionen gegen Djilas und seine Entlassung aus der Haft würde daher in ihrem eigenen, wohlverstandenen Interesse liegen.

Die amerikanische öffentliche Meinung, das heißt die vielfältige Gruppe der politischen Beobachter und Kommentatoren, die in Presse, Rundfunk und Fernsehen mehr oder minder regelmäßig zu Wort kommen, hat seit geraumer Zeit, wenn die „deutsche Frage“ in größeren Zusammenhängen diskutiert wurde, es großteils als wahrscheinlich akzeptiert, daß der deutsche Verteidigungsminister Joseph Strauß im Falle des Ablebens des Bundeskanzlers der „kommende Mann“ sein würde. Zwar gehen die Meinungen darüber auseinander, welches Amt

ihm als bestes Sprungbrett zur „Machtübernahme“ dienen könnte, und man ist sich keineswegs darüber einig, ob er als Zentralfigur der westdeutschen Politik ein Plus oder eine Gefahr für die gemeinsame Position der westlichen Welt darstellen würde: es kann indes kein Zweifel daran bestehen, daß sich Strauß einer besonders intensiven Beobachtung durch die offiziellen und offiziösen Kanäle der amerikanischen Politik erfreut, weit über das Interesse an irgendeinem anderen deutschen Politiker hinausgehend.

Die Presse der LISA hat — offen-i sichtlich im Einklang mit der Politik der Regierung — es im großen und ganzen, soweit die verantwortlichen

Leitartikler der großen Zeitungen in Frage kommen (wir sprechen hier nicht von einer zweifellos vorhandenen, wenngleich teilweise in Deutschland grotesk überschätzten „Deutschfeindlichkeit“, die sich in letzter Zeit „feuilletonistisch“ am Rande gezeigt hat!), bewußt vermieden, die Bonner Regierung zu kritisieren. Selbst während des letzten Wahlkampfes hat man, ohne zu leugnen, daß Willi Brandt in den USA einen vorzüglichen Eindruck gemacht hat, es sich im allgemeinen versagt, das Adenauer-Kabinett in Verlegenheit zu bringen. Für

den Kanzler gilt das „Tabu“ immer noch.

Für Joseph Strauß scheint sich das langsam zu ändern. Er fällt offensichtlich Washington etwas auf die Nerven.

Nun geht der Verteidigungsminister ja auch in Deutschland manchen Leuten „auf die Nerven“. Nicht nur dem „Spiegel“, sondern auch etwa dem bayrischen Oberstaatsanwalt und einigen Kreisen, die geneigt sind, die Fibag-Af.färe ernst zu nehmen...

Der Präsident und die „Pause“

Im Ausland hat man innerdeutsche Probleme des Ministers recht diskret behandelt. Aber man scheint im Augenblick ernsthaft ungeduldig über

seine Versuche, die westliche Militärpolitik öffentlich in Frage zu stellen.

Henry Brandon, Korrespondent der britischen „Sunday Times“, eröffnete das Feuer, als er berichtete, daß sich Kennedy beschwert habe über die „dreisten Bemühungen von Verteidigungsminister Strauß, das NATO-Konzept des Präsidenten zu unterminieren, nämlich eine Pause zwischen der Anwendung konventioneller und nuklearer Waffen vorzusehen. Der Präsident ersuchte Bonn, doch mehr Vertrauen in amerikanische Garantien zu haben, die nicht jede Woche wiederholt werden können.“

Kennedy hat das, heißt es, dem deutschen Botschafter Grewe gegenüber zum Ausdruck gebracht.

Seitdem hat die amerikanische Presse begonnen, in das gleiche Horn zu blasen. Die angesehene „New York Herald Tribüne“ erklärte unmißverständlich: „Ein neues und die Situation erschwerendes Element, das die Gefahr einer verstärkten Spannung mit sich bringt, ist in den Verhandlungen über Deutschlands Zukunft aufgetaucht, i TOB IUI

Diesmal ist es nicht das angebliche Schwanken in der Haltung der Vereinigten Staaten und nicht die bekannte Aggressivität der Sowjetunion, die für die Verschlechterung der Lage

verantwortlich ist. Es scheint vielmehr, daß eine einflußreiche Gruppe in Kanzler Adenauers westdeutscher Regierung dafür die Verantwortung trägt. Genauer gesagt, die hinter den Kulissen vorgehenden Bestrebungen des westdeutschen Verteidigungsministers Franz Joseph Strauß schaffen eine neue Komplikation in den Beziehungen Amerikas zu der Adenauer-Regierung. Wenn man ganz ehrlich sein will, muß man sagen, daß Strauß' Bemühungen als .Evidenz' gelten können für die Behauptung der Sowjets, daß in Westdeutschland ein militaristischer, revanchelüsterner Geist neu im Entstehen ist, eine Entwicklung, die nicht nur vom russischen Volk, sondern auch von vielen anderen Europäern mit Sorge beobachtet wird.

Sehr wenig ist bis jetzt in den Zeitungen darüber gesagt worden — aber in Washington herrscht wachsende Besorgnis über Herrn Strauß.“

Selbst in der „New York Times“, die stets zurückhaltender kommentiert, wird das Dementi des Verteidigungsministers, daß er nicht gegen die „Pause“ sei (es handelt sich um die von Kennedy vertretene These, im Fall eines östlichen Angriffs mit konventionellen Waffen gleichfalls nur mit solchen den Angriff zum Stehen zu bringen, aber vor der Anwendung von Atomwaffen eine „Pause“ für diplomatische Verhandlungen anzustreben, um die endgültige Katastrophe zu verhindern!), sondern lediglich dagegen, daß man davon heute bereits spreche, mit deutlicher Skepsis vermerkt: Strauß hat ursprünglich nicht ganz das gesagt...

Vitalität und Selbstgerechtigkeit

In der „New York Post“ hat James A. Wechsler, ihr Chefredakteur, über ein Zusammentreffen mit Minister Strauß ungefähr zur gleichen Zeit berichtet. Beeindruckt von der Vitalität des Interviewten, schockiert von einem Gemisch von Selbstgerechtigkeit und Arroganz mit Charme (Ausländern gegenüber!), kommt er zur Feststellung: „Herr Strauß mag der Retter der westlichen Welt sein, aber er beunruhigt mich. Vielleicht kann er dazu nichts tun. Vielleicht kann er. Er könnte seine Stimme senken, das Geheimnis der Bescheidenheit (nicht Ser-vilität) entdecken, s.eine Bedeutung ein wenig diskreter herausstellen und vermeiden, sich auszudrücken, als ob der Präsident der Vereinigten Staaten gut täte, auf ihn zu hören. — Oder aber...“

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