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Sturm über Albanien

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Ragusa, im Oktober 1948

Unter den volksdemokratischen Regierungen, die gegenwärtig den südosteuröpäisdien Raum beherrschen, war jene des albanischen Generals Enver Hodscha eine der frühesten. Während die Linksgruppen in Bulgarien, Ungarn und Rumänien noch um die Macht im Staate kämpften, bestimmte der frühere Mittelschullehrer, dann Partisanenführer Hodscha schon die Geschicke seines Landes. So wurde dem albanischen Volk auch früher als manchem anderen die Abwehr gegen die den Volksfftmtregierungen gemeinsame kulturkämpferische Politik ihres Staates auferlegt. Die konfessionellen Verhältnisse in Albanien ähneln in manchem jenen Bosniens. In beiden Ländern hat die vierhundertjährige Osmatienherrschaft einen mohammedanischen Kern geschaffen, neben dem starke griechisch- orthodoxe und Schwächere katholische Gruppen bestehen. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung Albaniens —- im Mittelteil des Landes — sind islamischen Glaubens. Ein Viertel — in den südlichen Distrikten — ist griechisch-orthodox. Beiläufig ein Zehntel, im Norden des Landes, .etwa um Skutari, Alessio und Durazzo siedelnd, ist katholisch. Die Beziehungen der Bekenntnisse untereinander waren früher im allgemeinen so ziemlich gute; Schwierigkeiten gab es am meisten im orthodoxen Süden. Der Partisanenbewegung gehörten dann Vertreter aller drei Religionen an.

Wiewohl das weltanschauliche System der Regierung heute jedem religiösen Bekenntnis an sich gleich ablehnend gegenübersteht, haben in Albanien politische Rücksichten zu einer unterschiedlichen Behandlung der einzelnen Konfessionen geführt. Wie ihre Glaubensgenossen im Orient sind auch die Mo slim in Albanien überzeugte Gegner des Kommunismus. Der freimütige, öffentliche Ausdruck, den der gegenwärtige Beherrscher der heiligen Stätten Mekka und Medina, Ibn Saud, dieser Ablehnung verliehen hat, ist nicht ohne verschärfende Rückwirkung auf die Beziehungen des albanischen Staate zu seinen mohammedanischen Untertanen geblieben.

Diese Spannung hat sich in Gewalttaten entladen, bei denen zum Beispiel der Mufti von Skutari vor einem Bilde Stalins an den Füßen aufgehängt wurde. Nur die islamitische Sekte der Bak- taschi schien eine Zeitlang zu einem Modus vivendi mit den Kommunisten — die in der albanischen Regierung führend sind — zu gelangen. Ihre Ideen von der Armut und dem gemeinschaftlichen Leben sind dem Kommunismus einigermaßen verwandt, und einer ihrer Führer, Baba Ali Martaneschi, suchte in der Tat seine Glaubensgenossen dem Kommunismus .zuzuführen. Das Oberhaupt der Baktaschi trat jedoch der kommu- nistelnden Gruppe heftig entgegen, und in einem schweren Zusammenstoß erschoß er Baba Ali und dann sich selbst.

Auch die orthodoxe Kirche hatte zunächst unter Verfolgungen zu leiden. Ihr. Hilfsbischof Irenäus Banus.chi wurde zusammen mit dem katholischen Pfarrer von Tirana, dem Jesuitenpater Stephan Kurti, zu mehrjähriger Zwangsarbeit verurteilt. Mehrere orthodoxe Priester bezahlten den Widerstand gegen die atheistische Staatsmacht mit dem Leben. Aber allmählich scheint sich die orthodoxe Kirche Albaniens, vor allem durch den geschickt genutzten Einfluß des russischen Patriarchats, zu Moskau hin zu orientieren. Im Jänner dieses Jahres ging eine Delegation der albanischen orthodoxen Kirche zum Besuche des Patriarchen Alexius nach Moskau. Sie lobte nach einer Mitteilung der „Moskauer Patriarchatszeitschrift" die.in Albanien herrschende volle Glaubensfreiheit, der sie die angebliche Unterdrückung der Orthodoxie durch den Vatikan während der italienischen Okkupation gegenüberstellte. Reich beschenkt kehrten die Delegationsmitglieder nach Hause zurück und versprachen dem russischen Patriarchen, albanische Priesteramtskandidaten in Zukunft nach Moskau zum Studium zu senden. Mag auch eine gewisse augenblickliche Toleranz die Frucht dieser Hinneigung nach Moskau sein — wahre Glaubensfreiheit darf auch die albanische Orthodoxie nicht erwarten.

Die volle Schärfe der kirchenfeindlichen Maßnahmen traf vom Anfang an und trifft noch heute die katholische Kirche. Die Verfolgung begann mit der Austreibung der italienischen Ordensleute, ihrer Einkerkerung und Verurteilung zu Zwangsarbeit. Einer alten Tradition folgend, standen die italienischen Provinzen der Franziskaner und der Jesuiten in der seelsorglichen Betreuung des katholischen Albanertums an der Spitze. Durch Jahrhunderte haben sich die Franziskaner unvergängliche Verdienste um die albanische Kultur, die Schaffung der Schriftsprache und die Förderung der Literatur des Landes erworben. Politische Motive wurden gegen sie vorgeschoben, mit der Reaktion gegen die nun beendigte italienische Herrschaft verband man jene gegen die katholische Geistlichkeit italienischer Herkunft. Die ganze Wucht staatlich gelenkter Propaganda, Rundfunk, Presse und Versammlungsdialektik wurden gegen sie eingesetzt. Schwere Opfer forderte diese Welle von politischen Verdächtigungen, Anklagen und Gewalttaten. Einer der charakteristischen Prozesse sah die Jesuitenpatres Johannes Fausti und Daniel Dajani, die Rektoren des theologischen Seminars von Skutari, als Angeklagte; beide dafür verantwortlich gemacht, daß Theologen des Seminars politische Flugschriften im geheimen gedruckt und verbreitet hatten. Vor Gericht sagten die Studenten einmütig aus, daß sie die Flugschriften heimlich und gegen den ausdrücklichen strengen Befehl ihrer Vorgesetzten, der beiden Angeklagten, hergestellt hatten. Der Verteidiger, der orthodoxe Advokat Dr. Dimitri rief dem Gerichtshof in seinem Schlußplädoyer zu: „Wenn Sie die Patres Fausti und Dajani verurteilen, so schaffen Sie nur der katholischen Kirche Märtyrer!“ Es half nichts, es half auch nicht die Feststellung, deren Wahrheit das ganze Land kannte, daß Fausti seit langen Jahren seine ganze Kraft als Erzieher, Literat und Organisator für Albanien und sein Volk eingesetzt hatte. Am März 1946 wurden beide Rektoren erschossen. Ein endloses Register von Schikanen und Gewaltakten — fast eintönig jenen anderer, ähnlich gesinnter Staaten gleichend — bildet die Geschichte der Verfolgten; Schließung von Kirchen, Verbot des Religionsunterrichtes für Jugendliche, Vernichtung der katholischen Presse, Beschlagnahme der Druckereien, Aufhebung aller Ordensgemeinschaften. Die albanischen landeszugehörigen Schwestern von Tirana jagte man auf die Straße, sie durften nur mitnehmen, was sie auf dem Leibe trugen, und eine Matratze. Niemand kann im albanischen Parlament im Namen der Menschlichkeit dagegen Protest erheben, denn die nichtkommunistischen Mitglieder sind bereits den Verfolgungen erlegen oder in Haft. Offiziell besteht die Freiheit der Religionsausübung weiter, aber: die Kirche in D e v o 1 i wurde in ein Irrenhaus, die von Kucvovo in eine Entbindungsanstalt, das schöne Gotteshaus der Jesuiten in der Hauptstadt Tirana in ein Kino umgewandelt. Bei den Kirchen, in denen noch Gottesdienst gestattet ist, darf zur leichteren Kontrolle der Gläubigen nur eine einzige Kirchentüre geöffnet werden. Priester wagen es nicht mehr, zu predigen, um nicht wegen „politischer Propaganda“ verhaftet zu werden. Es ist nach dem allen fast selbstverständlich, daß alle Pfarrhäuser beschlagnahmt und zum Eigentum des Volkes erklärt wurden. Die Pfarrer aber, denen jeweils ein einziges Zimmer zu ihrem Gebrauch belassen wurde, müssen für das gesamte Inventar des früheren Pfarrhauses haften, dessen andere Räume sie nicht betreten dürfen. Auch die bescheidenen Häuser der Landesbischöfe wurden konfisziert und den Bischöfen je zwei Zimmer gestattet. Von den katholischen Bischöfen des Landes wurden zwei erschossen, zwei starben inmitten der Verfolgungen immerhin eines natürlichen Todes, zwei sind noch am Leben, befinden sich aber im Gefängnis. Es ist erschütternd, die Summe dieser Verfolgungen zu ziehen: die beiden noch lebenden katholischen Bischöfe sind im Kerker. Von etwa 120 Priestern wurden 50getötet, von den Überlebenden befinden sich nicht wenige in Haft. Die Kompromißlosigkeit der katholischen Kirche in der Verteidigung ihres Glaubensgutes, die sich keinem nach dem Überirdischen greifenden weltlichen Arm fügt, ist auch unter dem Schwerte dieses Totalitarismus die Quelle ihrer Leiden, aber auch die ihres Ruhmes.

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