Suchen nach den Nischen des Alls

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So gering sich das Budget gegenüber der NASA auch ausnimmt: Die europäische Raumfahrtbehörde ESA kompensiert ihre Kleinheit mit Cleverness.

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So gering sich das Budget gegenüber der NASA auch ausnimmt: Die europäische Raumfahrtbehörde ESA kompensiert ihre Kleinheit mit Cleverness.

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Der Vergleich macht Heidi Graf, Public Relations-Leiterin des europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrums ESTEC im niederländischen Noordwijk, sicher: "Auch der Vatikan ist 40 Hektar groß und von Männern beherrscht. Auch wir haben verschiedenste Päpste - die Programmdirektoren. Wir gucken beide tief in den Himmel und wissen nicht, wer tiefer blickt." Schließlich habe Papst Johannes Paul II. auch jene ESA-Raumsonde mit seinem Segen begleitet, die sich 1985 mit Erfolg aufgemacht hatte, den Kometen Halley aus nächster Nähe zu erkunden: Giotto. Benannt wurde die Sonde nach einem Fresko des italienischen Künstlers, das in Padua "Die Anbetung der Könige" samt Kometen zeigt - und dem Papst selbst gehört.

Von dieser Namensgebung abgesehen rankt sich das Interesse der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA jedoch weniger um religiöse als um kosmische Ereignisse. Über 1.700 Mitarbeiter aus allen 15 europäischen ESA-Mitgliedsländern - davon 30 aus Österreich - erforschen die Umgebung der Erde ebenso wie den interplanetaren Raum und ferne Himmelskörper. Neben der ESTEC als größte Einrichtung und "Nervenzentrum" in den Niederlanden verfügt die ESA über vier weitere Nieder- lassungen: die Hauptverwaltung in Paris, das Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt, das Astronautenzentrum EAC mit seinem 16-köpfigen Astronauten-Corps in Köln und das Weltraumforschungsinstitut ESRIN im italienischen Frascati, das für die Auswertung der Erdbeobachtungsdaten verantwortlich zeichnet.

80 Prozent an Industrie 1975 gegründet, verfügt die ESA heute über ein Jahresbudget von 3,2 Milliarden Euro, von denen über 80 Prozent in Form von Entwicklungsaufträgen an die Industrie der Mitgliedsstaaten zurückfließen. "Damit ist die ESA die effektivste europäische Organisation", rechnet Reinhold Zobl, gebürtiger Tiroler und Leiter der Entwicklungsabteilung des Erdbeobachtungsprogramms in Noordwijk, vor. Von den 3,2 Milliarden Euro Haushaltsbudget stammen rund 25 Millionen Euro, also 1,2 Prozent, aus Österreich. Immerhin neun von zehn österreichischen Raumfahrts-Schillingen fließen demnach an die ESA. Zwar hat man sich hierzulande formell nicht am fakultativen ISS-Programm beteiligt, doch könnten sich kleine Länder wie Österreich "in hochspezialisierten Nischen bewähren", meint Jocelyne Landeau-Constantin, Leiterin der ESOC-Kommunikationsabteilung. So ambitioniert die Europäer auch forschen: Im Vergleich zur NASA nehmen sich die ESA-Daten bescheiden aus: So verfügt die amerikanische Raumfahrtbehörde über einen Stab von 18.000 Mitarbeitern und einen Gesamtetat von 14 Milliarden Dollar, wobei das Pentagon - mit steigender Investitionsfreude - die Raketen finanziert. George W. Bushs Plan eines Raketenabwehrsystems hat nun auch die ESA unter Zugzwang gebracht: "Schon bevor Bush gewählt wurde, hat man uns empfohlen, die ESA mit halbmilitärischen Aufgaben zu betrauen", erklärt Landeau-Constantin. Freilich seien damit keine aktiven Verteidigungssys-teme gemeint. Vielmehr unterstützt die ESA die Initiative der EU, ein globales Sicherheits- und Umweltüberwachungssystem zu installieren. Bis 2010 soll auch das leistungsfähige Satellitennavigationssystem Galileo errichtet sein.

Die Liste der weiteren ESA-Projekte ist lang - und aufregend: Sie reicht vom Mobilfunksatelliten Artemis über den größten je gebauten Umweltüberwachungssatelliten ENVISAT (geplanter Start: Oktober 2001) bis hin zu einer Mars-Mission 2003. Ein besonders langer Atem wird dem Forschungsteam von Rosetta abverlangt. Erst 2011 kommt es zum Rendezvous der Raumsonde mit dem Kometen Wirtanen. Der Name des "Principal Investigators" eines Hauptteils der Sonde, die 2003 ihre halsbrecherische Mission starten soll, dürfte indes heimischen Ohren schmeicheln: Er lautet Institut für Weltraumforschung Graz.

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