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Südamerika und Vietnamkriee

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Sie richten sich — im Einklang mit der Haltung aller lateinamerikanischen Staaten — gegen die Senkung der Ausländshilfe und die Importrestriktionen, mit dem entstellenden „Slogan“, daß Lateinamerika den Vietnamkrieg finanzieren soll. In diesem Zusammenhang verdienen die Bemühungen der jetzigen brasilianischen Regierung des Marschalls Costa e Silva Erwähnung: Sie will dem „Atomsperrvertrag“ nicht beitreten, sondern verlangt das Recht, die Atomenergie „für friedliche Zwecke“ entwickeln zu dürfen. Viel beachtet wurde auch die Bemerkung des brasilianischen Botschafters in Washington Leitao Da Cunha, man verstehe nicht, warum die USA im Fernen Osten gegen das Vordringen des Kommunismus Krieg führe, während sie den kommunistischen Vorposten vor der einigen Türe in Kuba dulde.

Eine echte Krise in den Beziehungen zwischen USA und Brasilien ist aber auf der Londoner Kaffeekonferenz entstanden. Die Nardamerika- ner verlangen, daß die Brasilianer einen Ausfuhrzoll auf das Kaffeepulver verhängen, um zu erreichen, daß sie ihren „cafė solüvel“ nicht billiger in den USA verkaufen können als ihre eigenen Produzenten. Dieser Konflikt wird in Brasilien sehr ernst genommen, weil man in ihm ein Anzeichen dafür sieht, daß die USA die Industrialisierung Brasiliens nicht wünscht, sondern es im Status eines „unterentwickelten Landes“, das auf Export von Rohstoffen beschränkt bleibt, halten will. Auch die Differenzen auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie, besonders die vorübergehende Weigerung der USA, Raketenflugzeuge zu liefern, riefen in Militärkredsen das Gefühl hervor, als nicht gleichberechtigt behandelt zu werden.

Weit wichtiger als diese offenen Interessenkonflikte sind aber die Gegensätze, die auf irrealer Ebene,

nämlich fast krankhaften Minderwertigkeitskomplexen und nationalistischer Überempflmdlichkeit beruhen; diese Ressentiments vergiften ln Wirklichkeit die Atmosphäre zwischen den Völkern. So hat die Tatsache, daß der Anatom der medizinischen Fakultät in Pemam- buco, Prof. Dr. Antonio Zapalat, 60 Schädel und 90 Fötusse zu wissenschaftlichen Zwecken an nord- amerikanische Universitäten gratis lieferte, eine Welle der Empörung ausgelöst, als ob er mit Sklaven gehandelt hätte. Gleichzeitig läßt der brasilianische Präsident eine im Parlament denunzierte „Korruptionsaffäre“ untersuchen, in deren Rahmen der nordamerikamische Geheimdienst „CIA“ brasilianische Gewerkschaftsführer bestochen haben soll. Ebenso beschäftigte sich die brasilianische Regierung intensiv mit der Untersuchung über das Vorgehen nordamerikanischer Landkäufer. In der n ordam erikanisch e n Presse sind Inserate erschienen, nach denen Grundstücke „dicht bei reichen

Minenzonen“ angeboten werden. Die brasilianiische Presse behauptet, daß der nordamerikanische Staatsbürger Stanley Žemos 650.000 Hektar — fast das Gebiet des Libanon — erworben habe und hierbei versuche, Steuern in der Höhe von 85.000 Dollar zu hinterziehen.

Spekulation an der Landstraße

Der Bau der Chaussee von Brasilia nach der Amazonasstadt Belen hat zu einem unglaublichen „Land- Rush" geführt, wobei Spekulanten zum Teil das Land zum dreißigfachen des Einkaufspreises verkaufen konnten. An dieser Landstraße haben neun große Grundstücksflrmen Gebiete zwischen 75.000 und einer Million Hektar erworben. Die Regierung ergreift jedoch — entgegen den Anregungen in der Presse und im Parlament — keine Maßnahmen gegen den Landankauf durch Ausländer, weil sie die Gebiete erschließen will. Freilich wird immer wieder darauf hingewiesen, wie fragwürdig die Grundstückstitel in Brasilien oft sind.

Daß es sich aber bei den Ressentiments gegen die USA nicht nur um primitive Reaktionen handelt, sieht man aus zwei politischen Äußerungen der letzten Zeit: Der ultrarechte Exgouverneur des Staates Guana- bara, Carlos Lacerda, der frühere Präsident der konservativen Partei, erklärte, daß Brasilien seine Unabhängigkeit gegen die USA vertedde- gen müsse, denn, wenn es nicht zu einem „gleichberechtigten Konkurrenten" würde, gäbe es Blutvergießen ohne Ende. — Der linksgerichtete Erzbischof von Recife, Dom Helder Camera, der Wortführer der sozialreformerischen Tendenz innerhalb der katholischen Kirche, sagte in einem Interview: „Ich hasse niemanden, nicht einmal die Nordamerikaner.“

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