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Tauwetter Belgrad — Rom

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Kürzlich wurde Mika Spiljak, Ministerpräsident der sozialistischen Volksrepublik Jugoslawien, vom Papst empfangen. Bei diesem Gespräch waren Msgr. Casaroli und Vjekoslav Creje, der Delegierte Marschall Titos beim Heiligen Stuhl, anwesend. Obwohl die Unterredung, die eine dreiviertel Stunde dauerte, überaus herzlich war, hat sich der Papst kein Blatt vor den Mund genommen. Wie wir aus verläßlichen vatikanischen Kreisen vernehmen, wurden vier Punkte behandelt.

Einmal sprach der Papst über den Beitrag, den Jugoslawien für die Weltstrategie des Friedens liefern könne. Gerade durch die ganz eigene Position sei Jugoslawien imstande, Einfluß auf den Osten und Afrika auszuüben.

Anschließend wurde das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Jugoslawien erörtert. Der Papst ist davon überzeugt, daß dieses Verhältnis besser werden könnte, wenn der Staat und seine Beamten kein bloßes Instrument des ideologischen Kampfes bildeten.

Dann sprach man über die Notwendigkeit, die Grenzen einiger Diözesen zu revidieren. Denn es gibt in Jugoslawien noch Gebiete, die zu ungarischen Bistümern gehören.

Der Fall Draganovic

Schließlich sprach der Papst über den Fall Draganovic, über den die

„Furche“ ausführlich berichtet hat.

Der Papst betonte dabei, daß sich der Vatikan in diesem peinlichen Fall sehr zurückhaltend benommen habe. Er wolle aber trotzdem, im Namen der Menschlichkeit, seine Abneigung über die Art, mit der dieser Priester in Italien entführt und seiner Freiheit beraubt wurde, zum Ausdruck bringen.

Das Ergebnis dieser Unterhaltung ist nicht bekannt.

Kardinal Seper

Bemerkenswert ist, daß einen Tag, bevor der jugoslawische Ministerpräsident vom Papst empfangen wurde, Kardinal Franjo Seper, Erzbischof von Zagreb, als Kurienkardinal und Nachfolger von Kardinal Ottaviani zum Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre ernannt wurde. Diese Ernennung hat in Rom großes Aufsehen erregt.

Kardinal Seper hat nicht nur das Vertrauen des Papstes, sondern wird sowohl von den mehr fortschrittlichen als auch von den mehr konservativen Mitgliedern des Weltepiskopats sehr geschätzt. Viele betrachten diese Ernennung als einen Ruck nach links. Tatsache ist, daß Papst Paul das Steuer der römischen Kurie gründlich herumgeworfen hat.

Es ist das erstemal, daß diese Funktion von einem Nichtitaliener ausgeübt wird. Und zwar von einem Manne, der an der vordersten Front der Kirche gestanden Ist Auch wurde Kardinal Seper nicht als Propräfekt sondern als Präfekt ernannt

Kardinal Seper wurde am 2. Oktober 1905 im kroatischen Dorf Osijek als Sohn eines Handwerkers geboren. Von 1924 bis 1934 studierte er in Rom, wo er 1930 zum Priester geweiht wurde und sein Doktorat in Philosophie und Theologie absolvierte. 1934 wurde er Sekretär des Erzbischofs Stepinač in Agram. 1941 bis 1951 war er Rektor des Priesterseminars und anschließend bis 1954 Pfarrer in Zagreb.

Am 22. Juli 1954 wurde er Koadjutor von Kardinal Stepinač, und zwar in einer äußerst schwierigen Lage. 1960, nach dem Tod Stepinač’, wurde er sein Nachfolger, und 1965 ernannte der Papst ihn zum Kardinal.

Vorspiel...

Auf der Bischofssynode im Oktober 1967 hat Kardinal Seper eine wichtige Rolle gespielt. Die Synodenväter, die den Weltepiskopat vertreten, haben mit großer Mehrheit für seine Ernennung zum Mitglied der theologischen Kommission gestimmt. Obwohl Kardinal Seper ersucht hatte, ihn von dieser Aufgabe zu entbinden, ernannte der Papst ihn zum Vorsitzenden. Im Nachhinein wird aber deutlich, daß diese Ernennung ein Vorspiel für seine Ernennung zum Präfekten für die Kongregation für dis Glaubenslehre war.

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