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Theodor Haecker

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Theodor Haecker war Schwabe. Er wurde am 4. Juni 1879 in Eberbach geboren, und die schwäbischen Väter Blumhardt und Hilty, Hölderlin und Mörike blieben zeitlebens für ihn Urgrund und Quelle seiner eigenen denkerischen Versuche, auf sie zog er sich immer wieder zurück. Sein Landsmann Christoph Schrempf, der erste Herausgeber und Ubersetzer Kierkegaards, hatte ihn auf den großen Dänen aufmerksam gemacht; Haecker lernte Dänisch, um Kierkegaard im Original lesen zu können.

In seinen Jünglingsjahren träumte er davon, Schauspieler zu werden, aber sein Gesicht war durch eine Nasenoperation entstellt; er war der „Mann mit der zerbrochenen Nase“. Häusliche Verhältnisse zwangen ihn, vor dem Abitur die Schule zu verlassen. Von 1894 bis 1901 machte er eine kaufmännische Ausbildung in Eßlingen und Antwerpen. 1901 bezog er die Universität Berlin. Er hörte Vorlesungen bei DUthey, Virchow, Delbrück, von Wilamo-witz-Moellendorf und Vahlen; bei letzterem belegte er eine Vorlesung über Vergils Bucolioa; zwanzig Jahre später übertrug er Vergils Hirtengedichte ins Deutsche. 1905 holte er in München das Abitur nach und setzte vom Wintersemester 1905 bis zum Sommersemester 1911 seine Studien an der Universität München fort. Seit 1907 nahm er regelmäßig an den Vorlesungen und Übungen Max Schelers teil, den er besonders schätzte, von dem er sich aber 1926, nach Schelers letzter Wandlung, in dem Aufsatz „Geist und Leben. Zum Problem Max Schelers“ distanzierte. 1933 setzt er sich in dem Buch „Was ist der Mensch?“ noch einmal grundsätzlich mit der Philosophie seines ehemaligen Lehrers auseinander.

1914 war Haecker Mitarbeiter der in Innsbruck erscheinenden Zeitschrift „Der Brenner“ geworden. Ihr Herausgeber, Ludwig von Ficker, hatte ihn zur Mitarbeit eingeladen, nachdem im Jähr vorher im Schreiber-Verlag, München, Haeckers Schrift, „Stören Kierkegaard und die Pholosophie der Innerlichkeit“ erschienen war, die später als Titelauflage vom Brenner-Verlag übernommen wurde. 1914 erscheint nach einem Vorabdruck im „Brenner“ die erste Übersetzung der „Kritik der Gegenwart“ von Kierkegaard. Im „Brenner“ fand er für lange Jahre seinen Wirkungskreis, sein Podium in der Öffentlichkeit. Hier erscheinen bis 1932 zahlreiche Essays, seine Übersetzungen von Kierkegaard, Newraan und Francis Thompson. 1922 verlegte Ludwig von Ficker die frühen Essays, „Satire und Polemik“ (1922). Im gleichen Jahr erschienen die Kierkegaard-Ubersetzungen „Der Pfahl im Fleisch“ (1922), „Die Krisis und eine Krisis im Leben einer Schauspielerin“ (1922) und wenig später „Die Tagebücher“ in zwei Bänden (1923); zehn Jahre später verlegte Ficker den Essay „Der Begriff der Wahrheit bei Sören Kierkegaard“, in dem Haecker endgültig über sein großes Vorbild hinauswuchs. Im gleichen Jahr erschienen im „Brenner“ die „Betrachtungen über Vergil, Vater des Abendlands“. Carl Muth veröffentlichte 1933 Auszüge im „Hochland“, an dem Haecker bereits seit 1923 mitgearbeitet hatte, aus dieser sprachgewaltigen Beschwörung des nahenden Unheils. Haecker wurde in München verhaftet, bald aber wieder freigelassen. Nach einem Vortrag in Berlin verhängten die Nationalsozialisten das Redeverbot über ihn. 1938 wurden ihm selbständige Buchveröffentlichungen untersagt.

Die Verbindungen Theodor Haeckers zu dem Kreis der „Weißen Rose“ in München werden immer wieder erwähnt. Einzelheiten konnten bisher noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Tatsache aber ist, daß unmittelbar nach der Verhaftung der Geschwister Scholl eine Haussuchung stattfand, bei der durch eine glückliche Fügung das Manuskript der „Tag- und Nachtbücher“ un-entdeckt blieb. Am gleichen Tag entging eine Abschrift dieses Manuskripts bei einer Haussuchung im Hause von Carl Muth der Beschlagnahme.

Am 9. Juni 1944 wurde das Verlagsgebäude des Schreiber-Verlages, in dem Haecker wohnte, bei einem Bombenangriff völlig zerstört. Der schwerkranke Haecker floh in das Dorf Ustersbach bei Augsburg, wo er am 9. April 1945, kurz vor der Befreiung durch die amerikanischen Truppen, starb. Theodor Haecker liegt auf dem Dorffriedhof von Ustersbach begraben.

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