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Thesen zur Liturgiereform

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Professor Polykarp Radö ist Professor der Liturgiewissenschaft und Sakramentstheologie an der theologischen Fakultät von Budapest. Gehören 1899, promovierte er in Innsbruck und setzte seine Studien in Rom fort. Seine wichtigsten Werke sind die „Libri liturgici manuscripti bibliothecarum Hungariae“ („Die handschriftlichen liturgischen Bücher der ungarischen Bibliotheken“) und das „Enchiridon liturgicum“ („Liturgisches Handbuch“), das bei Herder in Rom erschienen ist.

Vielleicht ist es mir als Ausländer . gestattet, ein schlichtes Wort zur Erneuerung der Liturgie mitzusprechen. Seit 1965, dem ersten Jahre der Liturgiereform, konnte ich — außer den Berichten der Zeitschriften — auch praktische Erfahrungen in sieben westdeutschen und zwei ostdeutschen Diözesen sammeln.

Aus Erfahrung weiß ich — zu den eben erwähnten kann ich noch Italien und natürlich Ungarn mitrechnen —, daß die Liturgiereform in manchen Seelen nicht nur begeisterte Zustimmung fand. Es kam auch vor, und nicht au selten, daß auch ein gewisses Befremden und Bedenken, hier und da auch Bestürzung die Folge waren.

Keine übertriebene Betriebsamkeit

Man soll sich hüten vor einer falschen Betriebsamkeit. Man kann etwas überorganisieren. Man soll freilich die Gläubigen vorbereiten, aber nicht adressieren. Man hört allzuoft die Klage: es werde immer herumkommandiert: Auf stehen,

Knien, Sitzen usw., man habe keine Ruhe mehr. Wir dürfen nicht vergessen, zur Liturgie ist vor allem Würde nötig. Das Gotteshaus ist, was der Name enthält, ein Haus des Vaters, eine Stätte des Dienstes Gottes, aber keine liturgische Kaserne. Die österreichische Bischofskonferenz gibt eben deswegen die Mahnung: „Der Grundsatz der aktiven Mitfeier verlangt nicht, daß die ganze Gemeinde pausenlos tätig ist“ (Richtlinien, Art. 15). Ja, die österreichischen Bischöfe bestimmen auch das Mindestmaß: „Nicht zu unterschätzende Grenze der aktiven Teilnahme der Gläubigen ist in allen Messen mit dem Volk gegeben durch das Hören der Lesungen, das Mitbeten des Paternosters und das gemeinsame Respondieren“ (Art. 17). Wer also nicht mehr tut, ist nicht zu rügen.

Man soll auch unbedingt stille Pausen haben. Oft kann man hören: es wird immer gesungen, der Priester oder der Vorleser spricht und singt immerfort, wir müssen fortwährend antworten oder etwas hersagen, man hat gar keine Zeit zum Beten. — Man soll laut der Liturgiekonstitution (Art. 30) anerkennen, daß es ausdrücklicher Wunsch der Kirche ist „das heilige Schweigen“ zu seiner Zeit einzuhalten. Deswegen sprechen die österreichischen Bischöfe vom „ehrfürchtigen Schweigen“ beim eucharistischen Hochgebet vom Sanfctus bis zum Paternoster (Art. 60). Es wäre sehr ersprießlich, dies zu beobachten. Liturgie ist keine Nonstopmusik.

Die Sprachenfrage

Als dritte These sei es mir gestattet, die Sprachenfrage aufzugreifen. Ohne Zweifel müssen wir Gott Dank sagen, daß wir diese sdhöne Zeit erleben konnten, da die Gläubigen ihre Stimme mit der Stimme der heiligen Mutter, der Kirche, vereinen können. Niemand hätte dies vor einem Jahrzehnt für möglich gehalten, was in unseren Tagen geschieht. Bislang sind schon mehr als 210 Sprachen als Sakralsprachen von der Kirche gebilligt worden, doch soll man auch hier das rechte Maß wahren. Das Latein ist deswegen noch bei weitem nicht unzeitgemäß geworden. Es ist befremdend, wenn ein Liturgiewissenschaftler aus Österreich schreiben konnte, der Kanon sei ein „erratischer Block“ im Gefüge der Messe, und zwar wegen seiner „fremden“ Sprache. Man sollte mit diesen Dingen aufhören, Latein ist bloß darum, weil es dem Großteil des Volkes unverständlich ist, gar nicht eine fremde Sprache, wie etwa Bantu oder Hottentottisch, sondern die Sprache des größten Teiles der katholischen

Kirche, des lateinischen Ritus. Deswegen wird Lateinisch erlaubt und auch dem Volke der lateinische Kirchengesang empfohlen: „daß die Gläubigen alle Responsorien und das Meßordinarium auch lateinisch singen oder sprechen können“ (österreichische Bischofskonferenz, Art. 77). In größeren Städten wäre es zu begrüßen, daß es eine Kirche gäbe, in welcher sonntäglich eine Missa recitata oder ein lateinisches Hochamt gefeiert wird. Auch das Übernationale der Kirche bekäme eine Betonung. Es war erhebend, als man das Grab des ungarischen Piaristenprovinzials, Universitätsprofessors und Dichters Alexander Sik, anläßlich des Jubiläums der Monatsschrift „Vigilia“ in Budapest bekränzt hat und die anwesenden katholischen Journalisten, Franzosen, Deutsche, Österreicher, Polen und Ungarn, das Vaterunser gemeinsam lateinisch beteten.

Volksaltar und Bildersturm

Noch ein Wort über den Volksaltar, das heißt den Altar, der nach altchrisflicher Sitte dem Volke zugekehrt ist. Es ist Tatsache, daß diese Neuerung im neunten Jahrhundert eingeführt wurde, dies ist einem richtigen Liturgiegeschichtler eine „späte Zeit“. Man darf nicht vergessen, daß ein Hilfsaltar, welcher im Falle einer Barockkirche zum Beispiel notwendig wird, als bleibendes Requisit in einem Kunstdenkmal ziemliche Schwierigkeiten verursacht. Man soll sich also den Ratschlägen des römischen Consilium Liturgicum anpassen (der neue Altar muß wenigstens fünf bis acht Meter weit vom Hochaltar entfernt sein, der Zelebrant darf das Tabernakel nicht verdecken). Die genannte Autorität sagt auch, daß es nicht unbedingt notwendig sei, daß der Altar dem Volke zugekehrt ist, da nach dem neuen Meßordo der Priester während des ganzen Wortgottesdienstes dem Volke sichtbar ist.

Zuletzt die Bilderstürmer! — nicht wenige gebrauchen dieses Wort, um die Beseitigung von Bildern und Statuen aus den Kirchen zu bezeichnen. Ikonoklasten hieß man die Bilderstürmer im christlichen Osten im achten Jahrhundert; so nannten die Katholiken im sechzehnten Jahrhundert die Protestanten, deren linker Flügel so manches Kunstwerk vernichtet hat.

Das Dogma des Trienter Konzils ist jedoch immer noch gültig: „Die Bilder Christi, der Jungfrau-Gottesmutter und anderer Heiligen soll man in den Kirchen haben und sie behalten, man gewähre ihnen Ehrenbezeigung und Huldigung.“ Dasselbe empfehlen auch die österreichischen Bischöfe: „Der Brauch in den Kirchen, den Gläubigen Bilder zur Verehrung darzubieten, werde nicht angetastet.“

Daß die Bilderstürmer nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo gehaust haben, erkennt man aus der Bemerkung eines italienischen Fachmanns, V. Vigo- relli, der von zwed Mißbräuchen redet. Der erste ist ein Mangel an liturgischem Geist, man fällt bisweilen beinahe in eine abergläubische Bilderverehrung, um nicht zu sagen, Götzenkult, der andere Fehler jedoch ist bisweilen eine richtige Bilderstürmern gegen die erwähnten Mißbrauche.

Die Absicht des Konzils

Eine Erneuerung kann nicht ohne Fehler vollzogen werden. Vergessen wir aber nicht, daß wir zu den ursprünglichen Gedanken zurückgeführt werden sollen, wie das die Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil getan hat. Deswegen müssen wir den vollen Sinn der aktiven Teilnahme des Volkes an der Liturgie begründen. Wenn wir das tun, müssen wir auf das Priestertum aller Christen hinweisen, wie es im ersten Petrusbrief geschrieben steht: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein geheiligtes Volk.“

Der Christ soll seinerseits niemals vergessen, daß er im wahren Sinn des Wortes ein Priester ist, der dieses Opfer mit dem es bereitenden Opferpriester Gott darbringt. Auch er selbst in seiner Person, nicht durch, sondern mit dem Priester: das ist der tiefste Sinn der Liturgieerneuerung.

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