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Tito und Algerien

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Der Aufstand in Algerien ist ein nationaler, der von den Kommunisten für ihre Zwecke unterstützt und ausgenützt wird. Es sind aber weniger die Kommunisten Frankreichs, die diesen Aufstand finanzieren, vielmehr die kommunistischen Parteien von Belgien, Westdeutschland, der Tschechoslowakei, in erster Linie aber der Verband der Kommunisten Jugoslawiens. Als der russische Beobachter beim letzten Kongreß der KPJ, 1958 in Laibach, dem Leiter des Kongresses, Minister Alexander Rankovic, die Forderungen Chruschtschows unterbreitete und der KPJ nahelegte, den jährlichen Tribut von 5 Millionen Dollar an die Kasse des Kominform abzuliefern, entgegnete ihm Rankovic vor Zeugen: „Wir denken nicht daran… wir haben für den Aufstand in Algerien bisher mehr als den zehnfachen Betrag ausgegeben." Aergerlich setzte er dann hinzu: und der Auf stand ist wichtiger als das Kominform …"

Die Unterstützung des algerischen Aufstandes (und anderer Aufstände in Vietnam, Laos, Indonesien und im Nahen Osten) basiert auf den Grundprinzipien der Außenpolitik der KPJ. Sie ist niedergelegt im „Entwurf der allgemeinen Richtlinien des Verbandes der Kommunisten Jugoslawiens“ (Letzte Ausgabe des Zentralkomitees der Partei, 1958, Druck und Verlag „Kultura", Belgrad). Auf Seite 58 des Entwurfes heißt es:

„Revolutionsparteien in zurückgebliebenen Ländern können in der gesellschaftlichen Entwicklung eine positive Rolle spielen … sie können die Wege zum Ausbau des Sozialismus in diesen Ländern ebnen… In einzelnen Ländern, wie in Algerien, Indonesien, im Nahen Osten und in Lateinamerika, können į nationale Aufstände ,im Kampf -gegen den Kolonialismus und die kapitalistischen Monopole eine große Rolle spielen … mit diesen Revolutionären hat die KPJ als mit gleichberechtigten Partnern zu rechnen und zu arbeiten ..

Ferner auf Seite 63 des Entwurfes:

der Bund der Kommunisten Jugoslawiens hat in seinen Reihen die Idee des internationalen Proletentums zu festigen und den Sozialismus im Interesse der arbeitenden Massen der ganzen Welt auszubauen .

Endlich im 3. Absatz des gleichen Kapitels: „ .. . der proletarische Internationalismus verlangt ein klares Verhältnis und Solidarität mit jedem dieser Länder . . . die Partei muß jede sozialistische Revolte in jedem Land der Erde fördern.“

Der Schluß dieses Satzes befindet sich auf Seite 77 des Entwurfes:

… die KPJ hält in ihrer Außenpolitik am Prinzip der internationalen ökonomischen und Waffenhilfe fest….“

Das ist ein klares und offenes Bekenntnis zur Unterstützung der Weltrevolution, zugleich dokumentiert es den Anspruch der KPJ, sich in alle internationalen revolutionären und nationalrevolutionären Affären einzumengen.

Tito war immer ein Wegbereiter des internationalen Kommunismus und der Weltrevolution. Während des spanischen Bürgerkrieges verbot ihm Stalin, an diesem aktiv teilzunehmen, da „sein Leben für die Partei zu wertvoll sei…" Er hatte aber den Auftrag, von Südfrankreich aus den spanischen Auf stand mit Kämpfern, Waffen, Munition und Geld zu unterstützen. Schon damals hatte er überall seine Gewährsleute sitzen. Er hatte ein Netz von größtenteils in Rußland ausgebildeten Professionalrevolutionären über die halbe Erdkugel geworfen und leitete die Wühlarbeit dieser Leute. Aus diesen bewährten Kämpfern für den „internationalen Kommunismus“ ergänzte er später, zur Macht gekommen, den Großteil seines diplomatischen Korps. Die hervorragendsten Agenten waren damals : Alesch B e b 1 e r (richtig B a e b- I e r), stellvertretender Außenminister, der enge Beziehungen zur Schweizer kommunistischen Partei unterhielt, Vlajko B e g o v i c, Chef des jugoslawischen Instituts für internationale Politik, von 1943 bis 1945 Politkommissar in kommunistischen Abteilungen der französischenWiderstandsbewegung (siehe das Jahrbuch der Kommunistischen Partei Jugoslawiens „Wer ist wer", Seite 49), Mladon I v e k o v i c, Botschafter, der vor dem Kriege enge Beziehungen zur Kommunistischen Partei Westdeutschlands unterhielt, Danilo L e k i c, Botschafter, vor 1939 Berater der kommunistischen Partei Brasiliens, u. a. m., Eduard Jardas, Mitglied der außenpolitischen Sektion des ZK der KPJ, wurde 1942 offiziell zum Mitglied des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Kanadas ernannt (siehe „Wer ist wer", Seite 274), Branko Jevremovic, Generalankläger, wurde 1941 von Stalin persönlich der jugoslawischen Einheit im Verbände der 8. Britischen Armee im Nahen Osten zugeteilt und nach „Erfüllung seiner Aufgabe" 1943 von Stalin wieder nach Moskau zurückberufen (siehe „Wer ist wer", Seite 280), und schließlich Michael Jaworski, Botschafter, erster Gesandter in Syrien, der die Unterstützung der algerischen Rebellen inaugurierte.

Es war für Tito durch die Wachsamkeit der französischen Behörden nahezu unmöglich, mit den ersten algerischen Rebellen eine feste Verbindung aufzunehmen. Es bestanden wohl lose Bindungen, da etliche Mitglieder der Partei in Algier studiert hatten, so der Direktor der staatlichen Bibliothek in Belgrad, Dr. Dusan Mi1icic, oder Dr. Begovic, der sein Doktordiplom in Algier bekam, und andere mehr, aber diese Bindungen erwiesen sich als nicht tragbar und zu schwach, um ausgenützt werden zu können. Da kam Tito ein Zufall zu Hilfe.

Nach dem Niederbruch des Kroatischen Staates flohen rund 14.500 Kroaten nach Italien, wo sie zuerst gastlich aufgenommen wurden. Erst als die englischen Militärbehörden von der italienischen Polizei die Verhaftung dieser Flüchtlinge und deren Auslieferung an die Kommunisten forderten, wurde ihre Lage prekär. Rund 5000 dieser Flüchtlinge wurden tatsächlich durch die Engländer den Partisanen ausgeliefert und von diesen, ohne Gerichtsverfahren, niedergemaitht — ungefähr 6500 gelang es, mit Hilfe katholischer Institutionen nach Lateinamerika zu flüchten, der Rest, größtenteils Mohammedaner-Kroaten, verbarg sich an der Ostküste Italiens. Nun war es aber bereits Ende1945 dem ehemaligen Vizepräsidenten des Unabhängigen Staates Kroatien, Dr. Dschaffer K u 1 e n o v i c, gelungen, nach Syrien zu flüchten, wo er bald festen Fuß faßte und nun nach und nach seine Glaubensgenossen aus Italien (rund 3000) an sich zu ziehen begann. Propagandistisch tätig, bildeten sie eine ziemlich starke Front gegen den damals noch schwachen kommunistischen Einfluß in Syrien. Die Arbeit dieser Flüchtlinge bewog Tito, ihre Auslieferung als „Kriegsverbrecher“ zu verlangen, was aber von den syrischen Behörden zurückgewiesen wurde. Später dann erlaubten die syrischen Behörden — über Intervention Rußlands — die Entsendung einer Studienkommission nach Damaskus, um sich an Ort und Stelle von der Arbeit dieser angeblichen Kriegsverbrecher zu überzeugen. Zum Leiter dieser „Studienkommission“ ernannte Tito seinen bewährtesten Agenten, Dr. Michael Jaworski, genannt „Braco", der sich mit seinem Stab von 34 Personen in Damaskus etablierte. Dr. Dschaffer Kulenovic, rechtzeitig gewarnt, säuberte seine Anhänger; diejenigen, denen man eventuell etwas hätte nachweisen können, zirka 800 Mann, sandte er mit Hilfe der arabischen Könige nach Indonesien, wo sie im weiteren Verlauf im Kampf gegen die Kommunisten Sukarnos fielen, bis auf ein kleines Häuflein, dem es gelang, sich in den Besitz eines U-Bootes zu setzen und mit diesem glücklich den Hafen von Akaba zu erreichen.

Dr. Michael Jaworski, der bewährteste Agent Titos, wurde 1917 in Serbisch-Mitrowitza geboren, studierte in Belgrad und Agram und trat 1937 der KPJ bei. Nach einer kurzen Schulung in Moskau nahm er am Partisanenkampf teil und kam sofort nach dem Kriege als 1. Sekretär zur Gesandtschaft nach Budapest. Später arbeitete er als Generalsekretär im Auswärtigen Amt in Belgrad und wurde 1950 Gesandter in Syrien (siehe „Wer ist wer", Seite 275).

1956 57 war Jaworski Gesandter in Brüssel, wo er die Verhandlungen mit den belgischen Waffenfabriken führte, und kam im Frühjahr 1959 als Gesandter nach Rom.

Die Befürchtungen der nach Syrien geflüchteten kroatischen Mohammedaner erwiesen sich aber bald als unbegründet, da sich Jaworski um sie überhaupt nicht kümmerte, vielmehr sofort eine umfangreiche kommunistische Tätigkeit entfaltete, die sich auf alle arabischen Länder erstreckte. Seine Agenten arbeiteten in Syrien, im Libanon und im Irak — Versuche, in der Türkei festen Fuß zu fassen, scheiterten, lieber Aegypten, Tunis und Marokko gelang es ihm, mit den algerischen Aufständischen in Verbindung zu kommen, deren Schlagkraft damals so gering war, daß die französischen Besatzungstruppen mit ihnen leicht fertig wurden; sie hatten weder genügend Waffen noch Munition, in erster Linie fehlte es ihnen aber an Geld. Sie verdanken es Jaworski, daß ihnen die jugoslawische KP erstmalig einen, wenn auch bescheidenen, Kredit einräumte. 1954 erfolgte dann der erste Waffentransport. Die Waffen — es handelte sich um ehemalige deutsche Gewehre — lieferte die Tschechoslowakei, und die 90 Kisten gingen mit jugoslawischen Dampfern von Fiume nach Syrien und von dort äuf Umwegen über Aegypten und Marokko. 195 5 und 1956 gingen noch weitere sechs Transporte nach Algerien. Mit dem letzten Transport stellte Jaworski den Aufständischen auch vier Politkommissäre zur Verfügung — durchweg Kommunisten, die sich im spanischen Aufstand bewährt hatten. Aus unbekannten Gründen lehnte es dann Jaworski ab, weitere Waffentransporte über Syrien zu leiten, und bewog die jugoslawische Regierung, die Transporte direkt über Casablanca nach Algerien zu senden. Von diesen Transporten wurden — wie bekannt — zwei von den französischen Behörden abgefangen, die übrigen erreichten ihr Ziel. Die gelieferten Waffen stammten aus Belgien, der Tschechoslowakei und nur ein kleiner Teil aus Jugoslawien, wahrscheinlich aus den Beständen der an Jugoslawien von Amerika gelieferten Waffen. Der Transport erfolgte ausschließlich auf jugoslawischen Schiffen. Die für die Waffen benötigten Gelder wurden ausnahmslos von der jugoslawischen Kommunistischen Partei aufgebracht. Ende 1958 und im Frühjahr 1959 lieferte dann die KPJ den Aufständischen modernere Waffen — so Minenwerfer, Panzerfäuste und Geschützmunition, ferner ungeheure Mengen von Sanitätsmaterial und vor allem — Dollars. Die KPJ kümmerte sich — erstmalig — um arabische Flüchtlinge aus Israel und unterstützte sie mit Lebensmitteln im Werte von rund 40.000 Dollar.

Im Herbst 1958 ging die KPJ einen Schritt weiter und erklärte sich bereit, bewährte ver- vAikfd'etis Auf st ändische1 äüs Algėrieri zur Heilung zu übernehmen. Die darauf bezügliche offizielle Berichterstattung der KPJ entsprach jedoch nicht den Tatsachen. Das jugoslawische Rote Kreuzerbot sich — offiziell —, rund 50 schwerverwundete Algerier in den ihm zur Verfügung stehenden Anstalten aufzunehmen, und Ende Mai wurde dann, wieder offiziell, bekanntgegeben, daß die ersten 32 schwerverwundeten Algerier mit dem Schiff „Naprijed“ eingetroffen seien. Man verschwieg aber, daß die ersten algerischen Verwundeten bereits im September 195 8 in Jugoslawien eintrafen. So befinden sich heute rund 300 Algerier im großen Spital in Delibasa bei Banjaluka, 70 in Fiume und rund 250 im UDBA-Spital in Dedinje bei Belgrad. Da die jugoslawischen Spitäler zuwenig Betten haben, mußten die Einheimischen den Algeriern Platz machen; man behalf sich auf die Weise, daß in den genannten Spitälern je zwei einheimische Kranke in ein Bett gelegt wurden. In den großen Erholungsstätten der UDBA, in Makarska in Dalmatien, am Sljemė bei Zagreb, in Vrnjacka Banja, Niska Banja und in Ilidze bei Sarajewo befinden sich heute rund 2400 Algerier in Pflege. Diese Verwundeten werden von jugoslawischen Kommun nisten geschult und zu Politkommissären ausgebildet. Sie werden als Makedonier bzw. Schipetaren ausgegeben, doch kann damit niemand getäuscht werden, da weder Makedonier noch Schipetaren arabisch sprechen.

Bisher war die KPJ bestrebt, ihre Wühlarbeit geheimzuhalten — in der letzten Zeit aber gibt man zynisch offen bewaffnete Interventionen und finanzielle Unterstützung revolutionärer Bewegungen in außereuropäischen Ländern zu. Der Besuch des algerischen Aufstandsführers Abas in Jugoslawien ebenso wie der Besuch der kubanischen „Delegation des guten Willens" wurden in der jugoslawischen Presse zugegeben und breitgetreten. Daß die KPJ einen Großteil der vom westlichen Ausland erhaltenen Gelder für die Revolutionierung der Massen in fremden Staaten verwendet, ist offenes Geheimnis. Algerien bekam bisher Waffen und Geld in der Höhe von rund 5 5 Millionen Dollar, Sukarno bekam ein „Darlehen“ von 15 Millionen Dollar und der Besuch des jugoslawischen Außenministers Dr. Popovic in Kuba, mit dem Jugoslawien überhaupt keinen wie immer gearteten Kontakt hat, hat den Zweck, mit Fidel Castro über die Rückzahlung der vor dem Auf stand dem ehemaligen Zahnarzt gewährten zwei Darlehen zu verhandeln. Die Höhe dieser Darlehen ist unbekannt.

Es ist eiii Treppenwitz der Weltgeschichte,' daß Tito, der „Sturmvogel“ der kommunistischen Weltrevolution, diese mit dem Geide amerikanischer Steuerzahler finanziert.

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